tlv zum Schuljahresauftakt: "Die Zeichen stehen weiter auf Sturm"
(Erfurt) - "Die Zeichen stehen weiter auf Sturm" - so das Fazit des tlv thüringer lehrerverband zum Beginn des Schuljahres 2024/25. Wie in jedem Jahr hat die Interessenvertretung kurz vor dem Ende der Sommerferien die Schulleitungen der staatlichen Schulen in Thüringen zur aktuellen Personalsituation befragt. Die nicht repräsentative Umfrage des Verbandes hat aufgezeigt: Eine Entspannung ist weiterhin nicht in Sicht.
"In diesem Jahr haben uns die Teilnehmenden zurückgemeldet, dass im Schnitt 2,6 Lehrer pro Schule fehlen", erklärt der tlv-Landesvorsitzende Tim Reukauf. "Das entspricht exakt dem Wert vom vergangenen Jahr, obwohl die offizielle Schulstatistik gut 200 Lehrkräfte mehr ausweist als im Vorjahr." Auch habe sich der Anteil derjenigen Schulleitungen, die mit dem vorhandenen Personal ihre Stundentafel komplett erfüllen können, weiter verringert: von 9 Prozent im letzten Jahr auf jetzt 6 Prozent. "Oder anders gesagt: Neunzehn von zwanzig Schulen im Freistaat haben Personalprobleme in einem Ausmaß, das sich direkt auf die Beschulung der Kinder und Jugendlichen auswirkt."
Rechne man die Zahl auf die 800 staatlichen Schulen in Thüringen hoch, so Reukauf weiter, so käme man auf gut 2000 Lehrer, die nach wie vor im Freistaat fehlen. "Das schließt die Langzeitkranken sowie diejenigen in Mutterschutz und Elternzeit ein, die ja aber ebenfalls nicht für den Unterricht zur Verfügung stehen."
Die nicht repräsentativen Erhebungen des tlv würden durch die offiziellen Statistiken des Landes Thüringen unterstützt, erklärt Reukauf. Vergleiche man die Zahlen von 2014 - dem Jahr, in dem die rot-rot-grüne Regierung an die Macht kam - und von 2024, so zeige sich auf der Schülerseite ein Plus von 17.320, auf der Lehrerseite hingegen ein Minus von 263. Nicht ganz so dramatisch, aber dennoch bemerkenswert sei die Situation im Hinblick auf die inklusive Beschulung. "Wir haben heute 1632 Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf mehr als 2014, aber nur 18 zusätzliche SPF. Das heißt, die schulische Inklusion wird hauptsächlich von den Lehrkräften gestemmt, die wegen des Mangels ohnehin schon mehr belastet sind als noch vor zehn Jahren."
Ohne die Erzieherinnen geht es nicht
In diesem Jahr hat sich der tlv zudem mit der Situation der Erzieherinnen und Erzieher an den Grund- und Gemeinschaftsschulen beschäftigt. Die Umfrage habe aufgezeigt, so die stellvertretende Landesvorsitzende Laura Lachmann, dass nach wie vor der überwiegende Teil - nämlich 85 Prozent - nicht in Vollzeit beschäftigt sei. "Dabei schätzen die befragten Schulleitungen, dass mindestens ein Drittel gern den Beschäftigungsumfang erhöhen würde." Problematisch sei auch der Einsatz von Horterzieherinnen und -erziehern im Unterricht.
"Immerhin 70 Prozent der teilnehmenden Grund- und Gemeinschaftsschulen haben angegeben, dass sie das Hortpersonal auch im Unterricht einsetzen, wenn Not am Mann ist", so Lachmann. Und obwohl klar geregelt sei, dass dann nur eine Betreuung im Sinne einer Aufsicht stattfinden dürfe, würden viele Kolleginnen und Kollegen aus gutem Willen de facto auch Unterricht erteilen - etwa anhand von vorbereiteten Arbeitsblättern. Schon aufgrund dieser Regelung kann dieser Art des Einsatzes nicht in besonderer Weise honoriert werden. Der tlv fordere deshalb die Schaffung der Möglichkeit, den Beschäftigungsumfang freiwillig zu erhöhen - dabei aber klare Grenzen zu setzen: "Ohne Lehrbefähigung kein Unterricht, das muss in allen Fällen gelten", resümiert Lachmann.
Keine Entspannung bei Seiteneinsteigern und Digitalisierung
Auch im Hinblick auf die Seiteneinsteiger stünden die Zeichen mitnichten auf Entspannung, so die stellvertretende Landesvorsitzende weiter. "Inzwischen haben fast zwei Drittel aller Schulen sogenannte Quer- und Seiteneinsteiger. Diese werden nach wie vor unzureichend qualifiziert. Unsere Umfrage hat ergeben, dass die Kollegien im Schnitt neun Unterrichtsstunden pro Woche für die Unterstützung aufwenden. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert noch bei vier Stunden."
Über den aktuellen Digitalisierungsstand berichtet Tim Reukauf: "Im Schnitt haben 80 Prozent des Personals und 30 Prozent der berechtigten Schülerinnen und Schüler digitale Endgeräte. Hier stagnieren die Zahlen bei den Werten vom Vorjahr. Etwas besser scheint die Versorgung mit einem Internetzugang in allen Klassen- und Fachräumen zu sein: Der Anteil ist von 53 Prozent im Mai 2023 auf nun 75 Prozent gestiegen. Aber das heißt, dass eine von vier Schulen immer noch abgehängt ist - das geht in der heutigen Zeit gar nicht."
Ein ganzer Forderungskatalog an die scheidende und die neue Landesregierung
Zum Ende der Pressekonferenz präsentierte die Landesleitung des tlv einen zwanzig Punkte umfassenden Forderungskatalog. "Wir richten uns damit an die noch aktuelle Landesregierung, aber auch an die künftige", erklärt Laura Lachmann.
Unter anderem enthält die Liste die folgenden Punkte:
- Abbau der Bürokratie und Einsatz von Schulverwaltungsassistent:innen an jeder Schule
- Anerkennung von zusätzlichen Aufgaben durch Anrechnungsstunden
- Stärkung der Schulleitungen und Hortkoordinator:innen (finanziell, zeitlich und strukturell)
- digitale Ausstattung und Bildung zeitnah an Schulen umsetzen und durch externe Partner:innen instand halten
- multiprofessionelle Teams an allen Schulen aufbauen und zusätzliche Vernetzungen schaffen
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