Pressemitteilung | Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR (biha)

Urteil 6 U 46/05 Oberlandesgericht Köln / Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbes gegen die Focus Hören AG

(Mainz) - Am 4. November 2005 hat der 6. Zivilsenat des OLG Köln im Rahmen des Berufungsverfahrens hinsichtlich des am 9. Februar 2005 ergangenen Urteils des Landgerichts Bonn sein Urteil gesprochen. Dabei wurde das Urteil des Landgerichts Bonn teilweise abgeändert. Eine Revision zum Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Das Urteil lautet: Die Beklagte wird über die im angefochtenen Urteil ausgesprochene Verurteilung zur Unterlassung hinaus verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zur Höhe von 250.000,00 EUR, ersatzweise von Ordnungshaft oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6 Monaten zu unterlassen, gegenüber HNO-Ärzten – insbesondere mittels Verkaufsprospektes wie des als Anlage K 1 zur Klageschrift vom 27. Februar 2003 vorgelegten Verkaufsprospektes „Berufsnah investieren“ (auch wenn dieser nicht den Hinweis enthält, dass die von der focus Hören AG zu installierenden/installierten Hörgeräteläden in der Eigentümerschaft von HNO-Ärzten stehen würde/stehen) – für einen Erwerb von Aktien an die Beklagte zu werben mit der Angabe, dass es Ziel der Beklagten sei, die Abgabe von Hörgeräten in breitem Stil in den Besitz von Ärzten zu überführen und den HNO-Ärzten die Möglichkeit zu geben, vom Geschäft mit Hörgeräten zu profitieren, in dem diese für ein einmaliges Investment von 20.000,00 Euro in eine Aktienbeteiligung an der Beklagten jährlich weit über 30.000,00 Euro erwirtschaften könnten, nämlich

a) über ihre unmittelbare Einbindung in die von der Beklagten durchzuführenden Hörgeräteabgabe, wobei sie bei im Mittel 200 Verordnungen im Jahr bis zu 27.500,00 Euro erhalten könnten, nämlich pro Ohr:

aa) für die initiale Beratung ihres Patienten sowie die Abnahme eines Ohrabdruckes bei diesem: 100,00 Euro oder
bb) für die Tätigkeit zu aa) und die zur Verfügungstellung von Räumlichkeiten in ihrer Praxis, in denen ein Mitarbeiter der Beklagten die Versorgung durchführt: 125,00 Euro oder
cc) für die Durchführung der kompletten Hörgeräteversorgung in ihrer Praxis: 175,00 Euro und

b) über den auf ihre Aktienbeteiligung entfallenden Anteil am auf 10.000,00 Euro veranschlagten Gewinn der Beklagten, der beeinflusst wird dadurch, dass sie ihre eines Hörgerätes bedürftigen Patienten der Beklagten als Käufer zuweisen.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Nach Ansicht des Gerichts hat die Wettbewerbszentrale einen Anspruch auf Unterlassung gemäß §§ 3, 4 Nr. 11, 8 UWG, soweit die focus Hören AG gegenüber HNO-Ärzten für einen Erwerb von Aktien an der focus Hören AG mit der Angabe wirbt, dass es Ziel der focus Hören AG sei, die Abgabe von Hörgeräten in breitem Stil in den Besitz von Ärzten zu überführen und den HNO-Ärzten die Möglichkeit zu geben, vom Geschäft mit Hörgeräten zu profitieren, in dem diese für ein einmaliges Investment von 20.000,00 Euro in eine Aktienbeteiligung an der focus Hören AG mittels der Erbringung der unter a) genannten Leistungen gegen Entgelt und über den durch die Zuweisungspraxis zu beeinflussenden Gewinn der Aktiengesellschaft jährlich weit über 30.000,00 Euro erwirtschaften können. Diese Angabe hat die focus Hören AG in dem Verkaufsprospekt vom 24. Oktober 2003 gemacht, indem sie wiederholt die Möglichkeit der HNOÄrzte hervorgehoben hat, von dem Geschäft mit Hörgeräten zu profitieren, betont hat, dass der HNO-Arzt durch seine „aktive Mitarbeit“ bzw. „als Anteilseigner und durch Zuweisungen“ den Erfolg und den Weg der Gesellschafter bestimmt und für den Fall, dass der Arzt bestimmte Leistungen in der Praxis erbringt, eine Rendite von bis zu 33.000,00 Euro jährlich bei einem Investment von 20.000,00 Euro in Aussicht gestellt hat. Diese Werbung verleitet nach Ansicht des Gerichts HNO-Ärzte zu einem Verstoß gegen das Berufsrecht, indem sie einen unmittelbaren Bezug zwischen der Verweisung des Patienten durch den Arzt an die focus Hören AG und dem Gewinn des Arztes herstellt, die Lukrativität der Beteiligung an der Aktiengesellschaft als von der Zuweisungspraxis abhängig darstellt, und gerade die Beeinflussbarkeit des Gewinns durch die Zuweisungspraxis als maßgebliches Argument für die Anlage vorbringt.

Diese Werbung zielt aus Sicht des Gerichtes damit darauf ab, dass Ärzte entgegen § 34 Absatz 5 MBO und dem ärztlichen Berufsethos Zuweisungen nicht aus sachlichen, sondern aus finanziellen Gründen vornehmen. Das die betreffenden Aktionäre tatsächlich nicht aus sachlichen Gründen Zuweisungen aussprechen, sondern aus finanziellen Gründen, muss in jeden dann betreffenden Fall zukünftig bewiesen und gegebenenfalls vor Gericht vorgetragen werden. Dies war allerdings nicht Gegenstand des Verfahrens.

Es ist aus Sicht der Bundesinnung der Hörgeräteakustiker befremdlich, weshalb eine Werbung und die damit getätigten Aussagen untersagt werden, eine entsprechende Handlung allerdings nicht. Auch hier bezieht sich das OLG Köln auf die in der Vergangenheit ergangenen Urteile des Bundesgerichtshofs zum so genannten „verkürzten Versorgungsweg“. Letztendlich haben die Gerichte sehr deutlich gemacht, wo klare Grenzen zwischen erlaubten und unerlaubten Geschäftsgebaren liegen. Ärzte in Werbeaussagen zu unerlaubten Handeln aufzurufen ist nun nicht nur untersagt, sondern auch mit erheblichen Konsequenzen belegt. Wir begrüßen daher das Urteil, auch wenn der „verkürzte Versorgungsweg nicht ausdrücklich untersagt wurde.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR (biha) Jakob Stephan Baschab, Hauptgeschäftsführer Erthalstr. 1, 55118 Mainz Telefon: (06131) 965600, Telefax: (06131) 9656040

(sk)

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