Pressemitteilung | Bayerische Ingenieurekammer-Bau

Verbraucherschutz: Prävention statt Sanktion

(München) - Nicht um die innereuropäische Niederlassungsfreiheit oder den Export von Dienstleistungen, sondern um die Frage der Gleichartigkeit von Regulierungen dreht sich aus Ingenieurperspektive die Diskussion der europäischen Binnenmarktstrategie. Der von der EU-Kommission angestrebte "liberale Idealzustand" dürfte im Dienstleistungssektor erst erreicht sein, wenn für alle Freiberuflergruppen ein einheitliches Regulierungsniveau gilt. Wenn aber EU-Kommissionskreise eine derartige Zielvorstellung in Widerspruch zum Grundsatz der Subsidiarität sehen, kann das nach Meinung der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau nur bedeuten, dass Brüssel bereit ist, im Zweifelsfall von allen Regulierungen Abstand zu nehmen.

Der Maßstab größtmöglicher Liberalität taugt nicht zur Beantwortung der Frage, welche Schranken im Dienstleistungsverkehr berechtigt sind. Bei den Berufsrechten freiberuflicher Ingenieure handelt es sich um unverzichtbare Regeln, die in einem rechtsstaatlichen Rahmen eingefügt sind. Punktuelle Eingriffe in diese Regelungskomplexe führen den Verbraucherschutz in die Sackgasse. Regelungen sind nicht mit Marktzugangsbeschränkungen gleichzusetzen. Sie dienen vielmehr der Qualitätssicherung der freiberuflichen Dienstleistung. Falsch verstandene Deregulierung auf dem niedrigsten Nenner kann daher nicht im Interesse von Baukultur und Bauqualität sein.

Wenn das Vorliegen einer Mindestqualifikation als subjektive Marktzugangsberechtigung entfällt, kommt es zu einem Selektionsprozess über den Preis. Der Anreiz, qualitativ hochwertige Leistungen anzubieten, würde entfallen. Ein völlig unbeschränkter Marktzutritt würde einen Wettbewerb unter Ungleichen entfesseln und zu Fehlsteuerungen bis hin zu ruinöser Konkurrenz mit anschließenden Konzentrationsprozessen und Preiserhöhungen führen. Im Sinne wohlverstandenen Verbraucherschutzes kann eine hochwertige freiberufliche Planungsleistung allein durch einen Leistungs- und nicht durch einen ruinösen Preiswettbewerb gesichert werden. Deshalb schützt die Honorarordnung für Ingenieure und Architekten den Berufsstand vor Dumping und Selbstausbeutung und verleiht den Auftraggebern Kosten- und Qualitätssicherheit.

Das deutsche Qualitätsniveau verdanken wir einem auf der Verkammerung basierenden System von Regeln (Unabhängigkeit von Liefer- und Ausführungsinteressen, Ausbildungsstandards, Fortbildungsverpflichtungen, Berufsgerichtsbarkeit etc.). Werden solche Regelungen von der EU-Kommission als bürokratische Hemmnisse auf dem Weg zum Binnenmarkt aufgefasst, gerät das gesetzgeberische Ziel präventiver Qualitätssicherung durch hohe persönliche Anforderungen an den Planer ins Hintertreffen. In Zeiten, in denen Qualitätssicherung, Verbraucherschutz, Verbrauchervertrauen und Kundennähe auf europäischer Ebene eine wachsende Bedeutung erlangen und die Schlagworte Akkreditierung und Zertifizierung in aller Munde sind, wäre dies eine denkbar nachteilige Entwicklung.

Der Vorteil der deutschen Regulierungen besteht in der Prävention. Andere Regulierungsphilosophen verlassen sich allein auf nachträgliche Sanktionen. Im angelsächsischen Raum haben Haftpflichtversicherer die Aufgabe von Kammern bei der Kontrolle von Ingenieur-Leistungen übernommen, die ökonomischen Konsequenzen sind für die technischen Dienstleister jedoch vergleichbar. Auf Grund der Komplexität der erheblich unübersichtlicheren Regulierungen steht jedoch zu vermuten, dass die Kosten der Akkreditierung für das einzelne Büro erheblich über den Mitgliedsbeiträgen zu einer Ingenieurkammer liegen. Liberaler ist der Marktzugang in Großbritannien deshalb noch lange nicht, da auch in Deutschland die Ausübung der Tätigkeit eines Freiberuflers an keine gesetzliche Marktzugangsregelung gebunden ist.

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerische Ingenieurekammer Bau Einsteinstr. 1-3 81675 München Telefon: 089/4194340 Telefax: 089/41943420

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