Pressemitteilung | Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA)

VFA-Mitgliederversammlung / Chancen der Gentechnik nutzen

(Berlin) - Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) hat am 6. Dezember anlässlich seiner Mitgliederversammlung in Berlin davor gewarnt, dass Deutschland bei der Biotechnologie die Ergebnisse der erfolgreichen Aufholjagd der vergangenen Jahre aufs Spiel setzt. Der Vorstandsvorsitzende des VFA, Patrick Schwarz-Schütte, kritisierte deshalb Bestrebungen der Bundesregierung und des Bundesrates, eine Initiative zur Änderung der EU-Biopatentrichtlinie zu starten: "Innovative Arzneimittel brauchen vor allem den notwendigen Patentschutz. Das gilt auch für biotechnologische Erfindungen - denn sie sind die Basis für die Mehrzahl der Arzneimittel der Zukunft. Die damit verbundenen enormen Investitionen brauchen verlässliche Rahmenbedingungen."

Zwar begrüße der VFA, dass die Bundesregierung auf ihrer Kabinettssitzung Mitte Oktober die weitgehend wortgetreue Umsetzung der EU-Biopatentrichtlinie in deutsches Recht beschlossen hat. Für Schwarz-Schütte ist es aber "vollkommen unverständlich", dass das Kabinett - und in der vergangenen Woche auch der Bundesrat - zugleich eine Initiative zur Änderung dieser Richtlinie in Brüssel angekündigt haben. "Das ist nicht nur widersprüchlich. Es schafft vor allem nicht die notwendige Planungssicherheit für forschende Unternehmen am Pharmastandort Deutschland", kritisierte er.

Schwarz-Schütte hob hervor, dass die Biotechnologie ein unverzichtbarer Schlüssel zum medizinischen Fortschritt sei. Für Millionen Menschen sei sie bereits heute unverzichtbar - zum Beispiel zur Behandlung bei Diabetes, Krebs, Multipler Sklerose oder der Bluterkrankheit.

Der VFA-Vorstandsvorsitzende verwies darauf, dass seit Mitte der 80-er Jahre eine mehr als zehnjährige Diskussion auf EU-Ebene den Patentschutz für diese neue Technologie auf den Prüfstand gestellt habe: "Mit dem eindeutigen Ergebnis, dass das Patentrecht nicht neu geschrieben, sondern modernisiert werden muss." Alle Fragen, die diese Technologie aufwerfe - auch die ethischen -seien berücksichtigt worden. "Es macht aus unserer Sicht keinen Sinn, einer Revision das Wort zu reden, bevor überhaupt erste Erfahrungen mit der Umsetzung in den Mitgliedsstaaten gemacht wurden. Die Unternehmen brauchen Rechts- und Planungssicherheit, und die Menschen in unserem Land brauchen ein Gefühl der Sicherheit im Umgang mit der Biotechnologie."

Auf deutliche Distanz ging der VFA-Vorsitzende zu der am Montag von der Enquete-Kommission "Recht und Ethik der modernen Medizin" des Deutschen Bundestages verabschiedeten Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung: "Hier haben sich Gentechnik-Gegner durchgesetzt, die einseitig den Nutzen der Patentierung biotechnologischer Erfindungen für den therapeutischen Fortschritt verschweigen, genauso wie sie die internationalen Patentregelungen und die Ergebnisse der Anhörung der Patentexperten in der Enquete-Kommission ignorieren. Hier soll offensichtlich Stimmung erzeugt werden, die ein Ziel hat: Gentechnik zu brandmarken."

Schwarz-Schütte weiter: "Die Regelungen, die die Enquete vorschlägt, verstoßen gegen internationales Patentrecht, würden Deutschland im Verhältnis zu anderen Standortwettbewerbern isolieren und Unternehmen jeden Anreiz nehmen, die hohen und risikoreichen Investitionen in biotechnologische Entwicklungen vorzunehmen." Noch niemals hätten so viele gentechnologische und hochwirksame Arzneimittel für schwere Erkrankungen zur Verfügung gestanden wie heute. Ohne Patente seien diese Arzneimittelentwicklungen nicht möglich gewesen. Diese für die Patienten positive Entwicklung werde mit den Vorschlägen der Kommission massiv gefährdet.

Wer zudem, wie die Enquete-Kommission, Interessenkonflikte zwischen etablierten Pharmaunternehmen und jungen Biotech-Unternehmen konstruiere, bediene Vorurteile, die mit der Realität nichts zu tun hätten, so Schwarz-Schütte weiter. Tatsache sei, dass ebenso wie die großen Arzneimittelhersteller auch die jungen Biotech-Firmen essentiell auf einen effektiven Patentschutz angewiesen seien. So habe sich die Deutsche Industrievereinigung Biotechnologie, die mehr als 160 überwiegend kleine und mittlere Biotech-Unternehmen vertritt, erst jüngst für die Biopatentrichtlinie sowie ihre zügige und wortlautorientierte Umsetzung stark gemacht.

"Im Kern geht es mit der Umsetzung der Biopatentrichtlinie um ,Patente für das Leben", erklärte der Vorsitzende des VFA. Anstatt Mythen zu bilden oder Horrorszenarien in den Mittelpunkt der Debatte zu stellen, gelte es vielmehr, die Chancen der Biotechnologie verantwortungsvoll auszugestalten.

Gleichzeitig forderte Schwarz-Schütte zu einer offenen Debatte über die Nutzung der Gentechnik auf. Er stellte dabei erneut klar, dass aus ethischen Gründen weder das Klonen von Menschen noch die Keimbahntherapie erlaubt werden dürfe. Bei den neuen Fragen zum Embryonenschutz erwarte er eine schwierige Diskussion, aber letztendlich einen breiten gesellschaftlichen Konsens: "Ich bin davon überzeugt, dass dieser bereits heute größer ist, als in der Öffentlichkeit häufig dargestellt."

Mit dem Ziel, die Chancen der Biotechnologie noch intensiver zu nutzen, öffnet sich der VFA jetzt auch für junge Biotech-Unternehmen. Schwarz-Schütte: "Es gibt eine Vielzahl gemeinsamer Anliegen. Unter einem Dach vereint sind wir starke Partner, um die gemeinsame Interessenvertretung bei der Weiterentwicklung der Rahmenbedingungen für die Biotechnologie in Deutschland zu stärken."


Fakten zur Biotechnologie in Deutschland:

- Insgesamt sind heute 68 gentechnisch hergestellte Medikamente in Deutschland zugelassen.

- Die überwältigenden Fortschritte haben viel zum Verständnis und zur Akzeptanz der Biotechnologie in der Medizin beigetragen:

- 61 Prozent der Bevölkerung würden laut EMNID ohne größere Bedenken gentechnologisch hergestellte Arzneimittel einnehmen.

- Bei der Krebstherapie erwarten 62 Prozent der Befragten entscheidende Fortschritte durch den Einsatz gentechnisch hergestellter Arzneimittel.

- 64 Prozent sehen in der Gentechnologie einen wichtigen High-Tech-Bereich für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

- In Europa stieg der Anteil biotechnologisch hergestellter Wirkstoffe an den Neuzulassungen 1999 auf über 30 Prozent an, im Jahr davor lag er noch bei 13 Prozent. Experten halten es für realistisch, dass bis 2018 die Hälfte der chemisch-synthetischen Arzneimittel durch biotechnologische Produkte ersetzt sein wird.

- An dieser Entwicklung sind die forschenden Arzneimittelhersteller in Deutschland maßgeblich beteiligt: 1999 stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich um 7,1 Prozent, die Zahl der Beschäftigten in diesem Sektor legte um 4,3 Prozent zu.

- Mehr als die Hälfte der Hauptforschungsaktivitäten konzentrieren sich auf die Behandlung von Krebs. Weitere Schwerpunkte sind Infektionskrankheiten, neurologische Erkrankungen, Herz-Kreislaufsystem, Immun- und Atemwegserkrankungen.

- Die Zahl der Patentanmeldungen aus Deutschland ist im Bereich Biotechnologie im vergangenen Jahr um 36 Prozent auf 176 gestiegen.

- Für die Arzneimittelentwicklung und -herstellung gilt: In Zukunft wird kein neues Medikament mehr auf den Markt kommen, an dessen Entwicklung die molekulare Biotechnologie nicht beteiligt war.

- Neben den großen forschenden Arzneimittelherstellern gab es 1999 in Deutschland 279 Unternehmen, deren Kerngeschäft die Biotechnologie ist.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband Forschender Arzneimittelhersteller e.V. (VFA) Presse: Marc Rath Hausvogteiplatz 13 10117 Berlin Telefon: 030/206040 Telefax: 030/

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