Pressemitteilung | Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR (biha)

Wenn Ärzte zu Verkäufern werden / Verbraucherzentrale sieht dringenden Handlungsbedarf bei IGeL

(Mainz) - Eine aktuelle Umfrage des Bundesverbands der Verbraucherzentrale (vzbv) deckt erhebliche Defizite bei Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) auf. Viele Ärzte nutzen demnach das Vertrauen ihrer Patienten aus, um an den Selbstzahlerleistungen zusätzlich zu verdienen. Mit unseriösen Verkaufspraktiken, massiver Werbung und unzureichender Aufklärung werden nach Angaben der Verbraucherzentrale Leistungen verkauft, bei denen nicht die Gesundheit des Patienten, sondern der Geldbeutel des Arztes im Mittelpunkt steht.

Im Bereich der Hörgeräteversorgung gibt es Ärzte, die Leistungen, die sonst der Hörgeräteakustiker erbringt, direkt in der Praxis anbieten. So sieht der sog. "verkürzte Versorgungsweg" eine Hörgeräteversorgung direkt in der Arztpraxis vor. Neben seiner eigentlichen Funktion als neutraler Lotse durch das Gesundheitssystem, wird der Arzt so zum Verkäufer in eigener Sache.

Immer wieder kommt es zu Fällen, in denen HNO-Ärzte nur unzureichend über die freie Wahl des Leistungserbringers aufklären, um ihre Patienten gleich selbst zu versorgen. In vielen Fällen wird dann aber nicht nach dem Sachleistungsprinzip der GKV, sondern als IGeL versorgt. In diesen Fällen muss der Versicherte auf die Leistungen seiner Krankenkasse verzichten und alles komplett aus eigener Tasche zahlen.

Darüber hinaus ist eine Hörgeräteversorgung in der Arztpraxis besonders korruptionsanfällig, da auch hier ein Hörgeräteakustiker benötigt wird, der vom HNO-Arzt aufgrund des engen Abhängigkeitsverhältnisses leicht unter Druck gesetzt werden kann. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, hat der Gesetzgeber gehandelt und mit dem Anti-Korruptionsparagraphen 128 SGB V, dem wettbewerbswidrigen Verhalten von Ärzten einen Riegel vorgeschoben. Er verbietet Vertragsärzten, Versicherte zur Inanspruchnahme einer privatärztlichen Versorgung, also IGeL, anstelle der ihnen zustehenden Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung zu verleiten. Sowohl der Anti-Korruptionsparagraph als auch die Umfrage der Verbraucherzentrale zeigen, dass bei IGeL für den Patienten erhöhte Vorsicht geboten ist.

Nicht alle im Gesundheitswesen haben die Brisanz der Hörgeräteversorgung in der Arztpraxis erkannt. So bietet die AOK-Bayern seit kurzem niedergelassenen HNO-Ärzten einen Vertrag zum umstrittenen Versorgungsmodell an.

Die unabhängige Stiftung Warentest äußert sich in ihrem jüngst erschienenen Buch "Besser hören" zum "verkürzten Versorgungsweg" und kommt zu dem Ergebnis, "dass der HNO-Arzt die Direktanpassung und die weitere Hörgeräteversorgung übernimmt, ist selten und nicht empfehlenswert." Auch der Deutsche Schwerhörigenbund (DSB) lehnt den "verkürzten Versorgungsweg" seit vielen Jahren entschieden ab, da die geforderte Versorgungsqualität für schwerhörige Patienten aus seiner Sicht nicht erreicht wird. Medienberichten zufolge sind 80 Prozent der "verkürzten Versorgungen" mit Zuzahlung und zudem häufig fehlerhaft.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesinnung der Hörgeräteakustiker KdöR (biha) Ralf Struschka, Referent, Öffentlichkeitsarbeit Wallstr. 5, 55122 Mainz Telefon: (06131) 965600, Telefax: (06131) 9656040

(cl)

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