Wettbewerb der gewachsenen Strukturen statt Gleichmacherei
(Straßburg) Überzeugen, nicht überreden, will das mit 36 Jahren jüngste Mitglied der CSU-Gruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber MdEP. Bereits jetzt zum Parlamentarischen Geschäftsführer aufgestiegen, erweist sich der mit Charme und Esprit gesegnete Schwabe als klarer Favorit für weitere Spitzenämter. Trotz seines politischen Parforceritts mangelt es dem Mitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau nicht an Bürgernähe und Bodenhaftung. Offen und unverblümt analysierte der Augsburger im Gespräch mit Vertretern der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau und der Bundesingenieurkammer heute Chancen und Risiken des europäischen Expansions- und Integrationsstrebens.
Deutlicher als gemeinhin erwartet, hat der Gipfel der EU-Regierungschefs in Nizza widerstrebende nationale Interessen zu Tage treten lassen. Vorwürfe richtet Ferber insbesondere an die Adresse Frankreichs. Der Pariser Regierung wirft der diplomierte Elektroingenieur vor, die EU-Ratspräsidentschaft systematisch zur Durchsetzung nationaler Ziele missbraucht zu haben. Nicht ungeschoren bleibt auch die Verhandlungsstrategie der Bundesregierung. Ferber rügt die Bereitschaft des Bundeskanzlers zu leichtfertigen Zugeständnissen gegenüber der französischen Forderung nach einer Europäisierung der Bildungs- und Kulturpolitik. Ein solches Bauernopfer provoziere unweigerlich weitere Begehrlichkeiten. Unvermittelt könnte sich das Fadenkreuz des Rechtszentralismus auch auf die Berufsordnungen der Freien Berufe richten. Für Beratende Ingenieure verheißt das nicht Gutes.
Bestens für die Aufnahme in die Europäische Union vorbereitet zeigen sich Slowenien, Malta und Zypern. Auch Ungarn, Estland und Tschechien sind in ihren Integrations- und Harmonisierungsbemühungen weit voran geschritten. Eine Absage erteilt Ferber russischen Mitspracheforderungen. Keineswegs wird sich die Europäische Union in der Frage des Beitritts baltischer Staaten reglementieren lassen. Handfeste Probleme verbindet das bayerische Kammermitglied mit dem Beitrittswunsch Polens, dem Sorgenkind der ersten Runde. Der schleppende Umstrukturierungsprozeß, insbesondere aber die miserablen Wirtschaftsindizes, verlangen nach einer Verschiebung des Beitrittstermins. Das Berliner Kabinett forciert, so Ferber, den Beitritt, wohl wissend, dass, allen Reformgelübden Warschaus zum Trotz, dringend notwendige wirtschaftspolitische Kurskorrekturen ausbleiben und nach erfolgtem Beitritt am EU-Prinzip der Einstimmigkeit scheitern werden.
Auch auf anderen Feldern ist europäischer Reformwille dringend vonnöten. Mit Misstrauen verfolgen Freiberufler die einseitig an Industrieinteressen orientierte Ausgestaltung der Vergabeverfahren. Zwar sind im Bereich des Urheberrechtsschutzes erste Fortschritte zu erkennen; dennoch verdeutlicht die seit 1996 anhaltende Kritik am Wettbewerblichen Dialog bzw. am Dialogverfahren die Notwendigkeit einer intensiveren Politikberatung des Europäischen Parlaments durch eine schlagkräftige Interessenvertretung der Ingenieure. Vorbilder sieht Ferber in EFCA und ACE, deren Anhörung in der Frage der Dienstleistungsrichtlinie gesichert ist. Nach dem Motto Ohne Kooperation keine Integration zeigen sich die Ingenieurkammern - allen voran die Bayerische Ingenieurekammer-Bau - schon jetzt gewappnet, die Herausforderung internationaler Partnerschaften aufzunehmen. Wenngleich die EU-Statuten keine finanzielle Förderung des europäischen Lobbyings der Ingenieurkammern erlauben, sind nach Meinung Ferbers alle in den Aufbau eines Brüsseler Brückenkopfs der Ingenieure investierten Mittel wohl angelegt. Mit der Entsendung von Dr.-Ing. Reinhard Honert, und dem damit verbundenen Aufbau eines Verbindungsbüros der Bundesingenieurkammer, gewinnen die rund vierzig Ingenieure unter den europäischen Mandatsträgern eine kompetente Kontaktperson hinzu.
Wenig Verständnis äußert Ferber für die Attacke des EU-Wettbewerbskommissars Mario Monti gegen die Freien Berufe. Weder national noch international ergeben sich Hinweise die einen in den Berufsordnungen von Freiberuflern angelegten Kartellverdacht erhärten. Ohne eine begründete Klage tritt aber auch die Europäische Wettbewerbsbehörde nicht auf den Plan. Allerdings kann ein fehlgeleitetes Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Unsicherheit im Umgang mit Gestaltungsspielräumen auch in der Anrufung der Wettbewerbshüter gipfeln. Damit liegt die Entscheidung, ob ein Wettbewerb der gewachsenen Strukturen durch Gleichmacherei ersetzt wird, nicht zuletzt bei den Deutschen selbst. Außer Zweifel steht für Ferber jedoch, dass allen Ansätzen eines drohenden europäischen Rechtszentralismus widersprochen werden muss. Subsidiarität bleibt auch künftig der Motor des demokratisch legitimierten europäischen Integrationsprozesses.
Quelle und Kontaktadresse:
Bayerische Ingenieurekammer Bau
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