Pressemitteilung | (vdw) Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V.

Wohnungswirtschaft im Krisenmodus / vdw-Mitglieder verzeichnen ersten Investitionsrückgang seit 15 Jahren!

(Hannover/Bremen) - Vollbremsung bei den Mitgliedsunternehmen im vdw Verband der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen! Statt wie erwartet im Geschäftsjahr 2022 rund 1,73 Milliarden Euro zu investieren, waren es am Ende lediglich 1,366 Milliarden Euro. Damit wurden nicht nur die Ankündigungen klar verfehlt, die Summe lag sogar 80 Millionen Euro niedriger als im Vergleichszeitraum 2021 (1,445 Milliarden Euro).

"Der erste Investitionsrückgang in unserem Verbandsgebiet seit 15 Jahren. Wir sind im Krisenmodus. Das ist ein Alarmsignal für alle. Länder und Kommunen müssen jetzt den Weg ebnen für einen sozial gerechten Wohnungsmarkt. Wir wünschen uns mehr Mut zu weniger Vorschriften, Anreize statt Hindernisse und neue Ideen statt alter Leier. Wir wollen schneller, kostengünstiger und einfacher bauen. Wir brauchen endlich verlässliche Rahmenbedingungen und eine stabile Förderung bei der Transformation der Gebäudebestände hin zur Klimaneutralität. Nur so schaffen wir mehr preisgünstige und energieeffiziente Wohnungen in guten Lagen", bilanziert vdw-Verbandsdirektorin Dr. Susanne Schmitt.

Abstürzende Neubauten

Die Trendumkehr ist in erster Linie auf den Zusammenbruch beim Neubau zurückzuführen. Lediglich 577,5 (2021: 692) Millionen Euro wurden von den vdw-Mitgliedern in diesem Segment investiert. Noch deutlicher wird die Entwicklung, wenn man die noch Anfang 2022 bei den Unternehmen abgefragten Planzahlen zum Vergleich heranzieht: 841 Millionen Euro, so lautete die Kalkulation, sollten für neue Wohnungen aufgewendet werden. "Ein Kollaps, der seinesgleichen sucht", meint Dr. Schmitt, "und ich fürchte, dass sich der Trend in den nächsten Jahren eher noch verstärken wird, zumal hohe Baupreise* und steigende Zinsen die Investitionsneigung weiterhin dämpfen."

(*Baupreise: Laut dem Niedersächsischen Landesamt für Statistik lag der Preisindex für den Bau von Wohnungen im Mai 2023 bei 167 Punkten (Februar 2015=100 Punkte / Februar 2021=124 Punkte). Die Preise für Instandhaltungsarbeiten an Wohngebäuden stiegen im Mai 2023 im Vergleich zum Vorjahresmonat um 11,2 Prozent.)

Insgesamt also mehr als trübe Aussichten in einer grundoptimistischen Branche, die über Jahre auf Wachstumskurs war. Die Verbandsdirektorin, die im Juli eine Vielzahl von Mitgliedsunternehmen besucht hat, rechnet mit einem weiteren starken Rückgang der Wohnungsbauzahlen: "Nach allem, was mir die Unternehmer vor Ort berichtet haben, liegen zahlreiche Planungen auf Eis. Der Bau bezahlbarer Wohnungen wird nach meiner Einschätzung 2024 und 2025 weit hinter den benötigten Zahlen zurückbleiben."

Bestände im Fokus

Mehr und mehr verlegen sich die sozialorientierten Wohnungsunternehmen auf die Sanierung ihrer Wohnungsbestände. "Das hohe Niveau der Vorjahre wurde 2022 insgesamt leicht übertroffen", hebt die Verbandsdirektorin hervor. Die Modernisierungsausgaben** lagen bei 360,4 (2021: 380,0) Millionen Euro, für Instandhaltungen*** wurden 428,5 (373) Millionen Euro bereitgestellt. Die Planzahl in Höhe von 891 Millionen Euro wurde aber auch in diesem Bereich deutlich verfehlt. Der wesentliche Schwerpunkt bleibt die Senkung der CO2-Emissionen in bestehenden Gebäuden.

(**Modernisierung: Verbesserung des Zustands der Mieträume
***Instandhaltung: Erhalt bzw. Wiederherstellung des vertragsgemäßen Zustands der Mieträume)

Mieten steigen auf niedrigem Niveau

Die Mieten bleiben trotz eines spürbaren Anstiegs auf einem preisgünstigen Niveau. Im Durchschnitt liegt der Quadratmeterpreis im Verbandsgebiet bei 6,21 (2021: 6,04) Euro (nettokalt). In Niedersachsen sind es 6,18 (6,01) Euro/Quadratmeter, im Land Bremen 6,30 (6,15) Euro/Quadratmeter. Die Steigerungsraten liegen deutlich unter der allgemeinen Inflation von 7,8 Prozent in Niedersachsen und sogar 8,9 Prozent im Land Bremen.

Vergleichsweise kräftig gestiegen sind die warmen Betriebskosten, die 2021 bei äußerst verträglichen 1,07 (Niedersachsen) bzw. 1,01 (Bremen) Euro/Quadratmeter lagen. Aufgrund der generell gestiegenen Energiepreise, auf die die Vermieter keinen Einfluss haben, müssen die Mieter in Niedersachsen Heizkostenvorauszahlungen in Höhe von durchschnittlich 1,45 und in Bremen 1,39 Euro/Quadratmeter leisten.

Komplette Verunsicherung

Insgesamt sei die Branche komplett verunsichert, sagt Dr. Schmitt: "Wir wissen nicht, was auf uns zukommt. Die Folgen von Heizungsgesetz, EU-Gebäuderichtlinie und anderen Vorgaben im Rahmen von Energiewende und Klimaschutz sind nicht vorhersehbar. Ältere Wohnungsbestände zu dekarbonisieren und gleichzeitig den Wohnraum bezahlbar zu halten, ist derzeit so gut wie nicht zu schaffen. Und weil man aktuell in der Luft hängt, geht es vielerorts nicht weiter." Kein Wunder, dass Förderanträge für Sanierungsmaßnahmen (Fassade, Einbau von Wärmepumpen etc.) bei der zuständigen BAFA (Bundesamt für Ausfuhrkontrolle) binnen weniger Wochen drastisch zurückgegangen sind.

Stimmung im Keller

Mit der Jahresstatistik wurde die Stimmungslage der vdw-Mitglieder erfragt. Die Investitionserwartung liegt demnach im Neubau bei einem Wert von 3,37 (Skala von 1=deutlich zunehmend bis 5=deutlich abnehmend / Vorjahrswert: 2,55) und im Bestand bei 2,33 (2,45).

Abgefragt wurden auch der Geschäftslage-Index (Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Geschäftslage Ihres Unternehmens?), der Geschäftserwartungs-Index (Wie wird sich Ihrer Einschätzung nach die Geschäftslage Ihres Unternehmens innerhalb der nächsten 2 bis 3 Jahre entwickeln?) und der Geschäftsklima-Index (Zusammenfassung von Geschäftslage- und Geschäftserwartungs-Index). In allen Bereichen verzeichnet der Mehrjahresvergleich absolute Tiefstwerte. Dr. Schmitt: "Kurz gesagt: Die Stimmung ist im Keller!"

Beispiele aus dem Verbandsgebiet

Lüneburg: Die städtische Lüneburger Wohnungsbaugesellschaft klagt über immer neue Vorschriften, die beispielsweise serielles Bauen fast unmöglich machen. Obwohl diese Bautechnik von Politik und Fachleuten als sehr sinnvoll erachtet wird, wäre ein Haustyp, der noch 2020 und 2021 vierfach in Lüneburg realisiert wurde, heute nicht mehr genehmigungsfähig. Die Lüwobau hat von 2008 bis 2017 ca. 40 Millionen Euro in die Sanierung ihrer Bestandswohnungen investiert. "Doch diese Wohnungen müssten heute
schon wieder energetisch nachgerüstet werden", betont Geschäftsführerin Heiderose Schäfke.

Stade: Die Wohnstätte Stade, eine Genossenschaft mit rund 2500 Wohnungen (durchschnittliche Nettokaltmiete 6,93 Euro/Quadratmeter), hat alle projektierten Neubauvorhaben bis auf weiteres ausgesetzt. Vorstand Dr. Christian Pape: "Erforderliche Mieten für Neubauten liegen aufgrund einer marktseitigen Gemengelage mittlerweile bei mehr als 20 Euro pro Quadratmeter." Da würden auch öffentliche Fördermittel kaum Abhilfe schaffen. Und dies bei einer Warteliste von rund 900 Wohnungsinteressenten allein bei der Wohnstätte. Jetzt soll geprüft werden, ob die Stadt ihre Anteile an der Genossenschaft "substanziell" erhöht, um die Bautätigkeit der Wohnstätte zu fördern.

Vechta: Die Gewobau Vechta, Anteilseigner sind der Landkreis sowie zehn Städte und Gemeinden, verfügt über rund 750 Wohnungen. Dieser Bestand sollte, so sah es eine 2019 verabschiedete Neubauoffensive vor, um ein Drittel vergrößert werden. Von diesen Plänen ist praktisch nichts übriggeblieben. Gebaut wird nur noch, was bereits genehmigt ist. "Ein Tropfen auf dem heißen Stein", wie Geschäftsführer Tony Engelmann beklagt, "denn eigentlich könnten wir unseren Wohnungsbestand zwei Mal vermieten."

Papenburg: Der Bauverein Papenburg wird im kommenden Frühjahr ein neues Mehrfamilienhaus mit insgesamt neun Mietwohnungen fertigstellen. Kosten: 1,6 Millionen Euro. Vorstand Marita Siebrands sagt: "Der Neubau war schon länger geplant, musste aber 2022 wegen der plötzlichen Streichung der KfW-Fördermittel für energieeffiziente Gebäude zwischenzeitlich aber auf Eis gelegt worden." Nun lässt sich die Genossenschaft, die über einen Gesamtbestand von 630 Wohnungen verfügt (Durchschnittsmiete 4,64 Euro pro Quadratmeter), das Projekt mit finanzieller Hilfe von Bund, Land und Stadt öffentlich fördern. Deshalb wird die Miete 5,60 Euro pro Quadratmeter nicht überschreiten. Bezahlbar und klimagerecht, denn der Neubau wird mit Wärmepumpen und Photovoltaik ausgestattet.

Buxtehude: 2022 hat die Buxtehuder Wohnungsbaugenossenschaft (620 eigene Wohnungen, Durchschnittsmiete 6,77 Euro/Quadratmeter) einen Neubau mit 17 Wohnungen fertiggestellt; ein Vorzeigeprojekt inklusive Wärmepumpe und Photovoltaik zum Mietpreis von zehn Euro pro Quadratmeter. "So etwas können wir zurzeit aber nicht mehr bauen", meint Vorstand Stefan Conath. Er verweist auf ein eigenes Grundstück, das seit zwei Jahre leer steht. Das alte Haus wurde damals abgerissen. Einmal hat die Genossenschaft bereits ein neues Gebäude ausgeschrieben. "Wenn wir zu diesem Preis gebaut hätten, müssten wir mit mehr als 17 Euro Kaltmiete vermieten", sagt Conath. "Das geht natürlich nicht." Er plädiert für eine Ausweitung der staatlichen Bauförderung.

Die Forderungen

Wie können die Ziele beim bezahlbaren und klimagerechten Bauen erreicht werden?

- Alle staatlichen Ebenen müssen gemeinsam und koordiniert agieren. Bund, Länder und Kommunen müssen ihre Förderprogramme aufeinander abstimmen und dem sozialen Wohnungsbau Vorrang einräumen. Damit die vdw-Mitglieder die Klimaziele bis 2045 erreichen, sind weit mehr Mittel für den Bestand nötig als bisher. Wir rechnen mit jährlich zwei Milliarden Euro (basierend auf Berechnungen des DIW).

- Steueranreize sind dringend erforderlich. Die Grunderwerbsteuer sollte auf 3,5 Prozent und der Mehrwertsteuersatz für preisgebundenen Wohnraum auf 7 Prozent abgesenkt werden. Die Einnahmen aus der Grunderwerbsteuer (Wohngebäude) müssen im Rahmen der steuerrechtlichen Ertragskompetenz gezielt für die Förderung des Wohnungsbaus eingesetzt werden.

- Die neue Grundsteuer ab 2025 darf nicht zu höheren Steuerbelastungen führen. Der Vorschlag des Niedersächsischen Finanzministeriums, die Kommunen aufzufordern, neben dem von ihnen festgesetzten Hebesatz auch den Hebesatz zu veröffentlichen, der aufkommensneutral wäre, wird vom vdw ausdrücklich unterstützt.

- Technische Regeln fürs Bauen sollten ein nachhaltiges und wertiges Basisniveau beschreiben. Zudem sollte es Bauvertragsparteien freistehen, Abweichungen von den anerkannten Regeln der Technik zu vereinbaren. Deswegen sollte ein Gebäudetyp E in der Bauordnung verankert werden.

- Serielles und modulares Bauen werden ein Schlüssel sein, um den Neubau bezahlbarer Wohnungen wieder in Schwung zu bringen. Erforderlich sind aber Typengenehmigungen sowie schlanke und effiziente Planungs- und Genehmigungsprozesse, die ebenfalls dem Grundgedanken des "einfachen Bauens" entsprechen

- Ausbau und Umnutzung im Gebäudebestand muss erleichtert werden. Im Dialog mit Kommunen muss identifiziert werden, in welchem Maße Baugebiete umgeplant werden könnten, um Potenziale für den Wohnungsbau zu nutzen. Eine Umbaubauordnung könnte dies unterstützen. Bauordnungsrechtlicher Bestandsschutz ist zu kodifizieren mit dem Ziel, dass aktuelle bauaufsichtliche Maßnahmen (z.B. Schallschutz, Brandschutz und Barrierefreiheit) nicht für Umbauten und Ausbauten gelten.

- Für fünf Jahre werden keine neuen Bauvorgaben erlassen, sondern im besten Falle sogar reduziert! Keine Immobilie muss nach einem Umbau mehr können als zuvor. Die Möglichkeit eines kompletten Verzichts auf Stellplätze ist unabdingbar, um Kosten zu senken und Klimaziele im Quartier zu erreichen.

- Je niedriger die Mieten eines Wohnungsunternehmens, desto geringer ist die Investitionsfähigkeit für den Klimaschutz. Werden Mietsteigerungen im Bestand und nach energetischer Sanierung weiterhin politisch so stark begrenzt, stagnieren Sanierung und Neubau. Klimaschutzziele werden verfehlt, und der steigende Wohnungsbedarf wird nicht gedeckt.

- Der Anschluss von Stadtquartieren an klimaneutrale Fernwärmenetze ist unabdingbar fürs Erreichen des 1,5-Grad-Ziels. Allerdings ist die Preisgestaltung bei der Fernwärme aktuell sehr intransparent. Stattdessen sollte der Preis reguliert werden und ähnlich wie in Dänemark nur so hoch sein, um die Kosten für Herstellung und Verteilung zu decken.

Quelle und Kontaktadresse:
(vdw) Verband der Wohnungswirtschaft in Niedersachsen und Bremen e.V. Carsten Ens, Referent Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Leibnizufer 19, 30169 Hannover Telefon: (0511) 126501, Fax: (0511) 1265111

(jg)

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