Verbändereport AUSGABE 9 / 1999

Abmahnvereine: Verneinung der Berufsverbandseigenschaft

Urteil des FG Mecklenburg-Vorpommern vom 28.09.1999

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Wie das Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 28.9.1999 (Aktenzeichen: 2 K 363/97) rechtskräftig entschied, liegt kein steuerbefreiter Berufsverband vor, wenn ein Verein sich zum Ziel gesetzt hat, Wettbewerbsverstöße zu ahnden. Folge dieses Urteils ist, dass die sog. Abmahnvereine ihre Gewinne sowohl der Körperschaft- als auch der Gewerbesteuer zu unterwerfen haben.

Im Streitfall bestand der satzungsmäßig festgelegte Zweck des Verbandes darin, "den lauteren Wettbewerb innerhalb des Einzelhandels mit besonderer Beachtung der Wettbewerbsleitsätze des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels zu fördern. Er hat den Einzelhandel, soweit er von den berufsständischen Verbänden vertreten wird, gegen unlauteren Wettbewerb anderer Wirtschaftsstufen zu schützen." Zu diesem Zweck wurde der Verband gegenüber Gerichten und Behörden tätig und stellte Antrüge nach § 13 UWG. Er rief die Einigungsstellen bei den Industrie- und Handelskammern an und erstattete in Wettbewerbssachen auch Strafanzeigen. Die Einnahmen des Verbandes bestanden im wesentlichen aus sog. Abmahnpauschalen.

Das Finanzgericht verneinte die Berufsverbandseigenschaft im wesentlichen mit der Begründung, ein Verein sei kein Berufsverband, wenn er die wirtschaftlichen Belange seiner Mitglieder direkt fördere. Das Gericht stützt seine Begründung im Kern auf den Vortrag des klagenden Verbandes, dass durch die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs Zweck und Aufgabe des betreffenden regionalen Einzelhandelsverbandes erfüllt würden, die darin bestanden, die wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Interessen des gesamten Einzelhandels in der betreffenden Region wahrzunehmen und zu fördern und seine Mitglieder zu betreuen. Im Ergebnis - so die Meinung des Gerichts - hat der betreffende Einzelhandelsverband einen einzelnen, eng begrenzten Tätigkeitsbereich, nämlich "die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen jedes einzelnen Mitglieds ausgegliedert und rechtlich verselbständigt". Damit erfülle der klagende Verband aber nicht die Aufgaben eines Berufsverbands im körperschaftsteuerlichen Sinne.

Das Urteil schließt sich im Ergebnis an die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs an, der in mehreren, meist bereits Jahrzehnte zurückliegenden Entscheidungen differenzierte, ob ein Verband die allgemeinen Belange des Berufsstandes oder Wirtschaftszweigs (dann: Berufsverband) oder lediglich die individuellen Belange einzelner oder sogar aller Mitglieder verfolgte, was die Berufsverbandseigenschaft ausschließt.

So verneinte der BFH z.B. die Berufsverbandseigenschaft bei Abrechnungsstellen von Apothekeninhabern (Urteil vom 26.4.1954 - I 110/53 U - , BStBl 1954 III 204), einer Getreidebörse in der Rechtsform eines Vereins (Urteil vom 16.11.1954 - I 114/53 U -, BStBl 1955 III 12), Mietervereinen (Urteil vom 17.5.1966 - III 190/64 -, BStBl 1966 III 525), Warenzeichenverbänden (Urteil vom 8.6.1966 - I 151/63 -, BStBl 1966 III 632), Absatzförderungsverbänden (Urteil vom 15.7.1966 - III 179/64 -, BStBl 1966 III 638), Gütesicherungsverbänden (Urteil vom 11.8.1972 - III R 114/71 -, BStBl 1973 II 39) oder Lohnsteuerhilfevereinen (Urteil vom 29.8.1973 - I R 234/71 -, BStBl 1974 II 60). Im umsatzsteuerlichen Kontext entschied der BFH entsprechend für Werbegemeinschaften (Urteil vom 4.7.1985 - V R 107/76 - BStBl 1986 II 153). Einen besonders krassen Fall hatte der BFH in seinem Urteil vom 28.6.1989 - I R 86/85 -, BStBl 1990 II 550 zu entscheiden. Hier bestand die wesentliche Tätigkeit des Verbandes darin, seinen Mitgliedern verbilligte Urlaubsreisen oder günstige Kredite zu vermitteln.

Vergleicht man den vom Finanzgericht Mecklenburg-Vorpommern entschiedenen Fall mit den vorgenannten Fällen, so ist eine gewisse Ähnlichkeit nicht zu leugnen, denn die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen hat potentielle Auswirkung auf das Geschäftsergebnis der redlichen Kaufleute.

Gleichwohl bleiben im entschiedenen Fall gewisse Zweifel. Man könnte nämlich argumentieren, dass die Verfolgung von Wettbewerbsverstößen zur Sicherung eines geordneten Wettbewerbs im allgemeinen Interesse der Kaufmannschaft liegt, eine direkte Auswirkung auf das Geschäftsergebnis des einzelnen Verbandsmitglieds nicht nachweisbar ist und allenfalls eine Reflexwirkung der im Allgemeininteresse liegenden Wiederherstellung des Rechtsfriedens darstellt.

Gerade die Herstellung und Sicherung geordneter Wettbewerbsverhältnisse ist ja wohl eine durchaus anerkennenswerte, allgemeine und gemeinsame Zielsetzung der betreffenden Wirtschaftskreise.

Trotz dieser Zweifel verdient das finanzgerichtliche Urteil Beachtung, weil es eine gute Zusammenfassung der Grundsätze enthält, die für den Begriff des Berufsverbands ausschlaggebend sind.

Zur allgemeinen Information hier das Urteil nachfolgend im vollen Wortlaut:

Sachverhalt:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger von der Körperschaft- und Gewerbesteuer befreit ist. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen Satzung (Datum ......) errichtet worden ist. Die Aufgaben des Klägers stellen sich gemäß § 2 seiner Satzung wie folgt dar: "Der Verein hat den lauteren Wettbewerb innerhalb des Einzelhandels mit besonderer Beachtung der Wettbewerbsleitsätze des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels zu fördern. Er hat den Einzelhandel, so weit er von den berufsständischen Verbänden vertreten wird, gegen unlauteren Wettbewerb anderer Wirtschaftsstufen zu schützen. Zur Durchführung dieser Ziele ergreift er alle für geeignet gehaltenen Maßnahmen, insbesondere Anträge an Behörden oder Gerichte und Anträge gemäß § 13 des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb. Er ruft die Einigungsstellen und Einigungsämter für Wettbewerbsstreitigkeiten bei den Industrie- und Handelskammern und sonstigen zuständigen Stellen an und erstattet erforderlichenfalls Strafanzeige. Der Zweck des Vereins ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet."
Gemäß § 4 der Satzung kann Mitglied des Vereins jeder werden, der im Lande Mecklenburg-Vorpommern Einzelhandel betreibt. Mitglied kann ferner jeder und jede Organisation werden, welche sich mit der Wahrung von Interessen des Einzelhandels befasst.
Die Tätigkeit des Vereins besteht unter anderem darin, Firmen, die bei ihrer Werbung oder Preisauszeichnung Wettbewerbsvorschriften verletzen, schriftlich abzumahnen und sie zur Unterzeichnung einer beigefügten Unterlassungserklärung aufzufordern.

Die Einnahmen des Klägers bestehen im wesentlichen aus sogenannten Abmahnpauschalen.

Das Personal und die Räumlichkeiten werden dem Kläger vom Einzelhandelsverband AE. V. gestellt. Der Geschäftsführer des Klägers ist gleichzeitig Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands AE. V. Rechts- und Beratungskosten sowie die Prozesskosten beruhen auf verlorenen Prozessen.

Der Kläger legte gegen die Bescheide zur Körperschaftssteuer und zum Gewerbesteuermessbetrag Einspruch ein, die er wie folgt begründete:
Bei dem Verein handele es sich um einen Zusammenschluss aus einem Berufsverband ohne öffentlich-rechtlichen Charakter, dessen Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet sei. Der Verein sei danach gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG von der Körperschaftssteuer und gemäß § 3 Nr. 8 GewStG von der Gewerbesteuer befreit. Er erfülle durch seine in der Satzung niedergelegten Aufgaben hoheitliche Ziele. Diese seien in dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb enthalten; die Maßnahmen zur Umsetzung dieses Gesetzes seien durch die Rechtsprechung vorgegeben.
Die Rechtsprechung gewähre für die Durchführung dieser Abmahnungen die Möglichkeit des pauschalierten Aufwendungsersatzes nach den Vorschriften der Geschäftsführung ohne Auftrag. Seine weitere Einnahmequelle seien die Vertragsstrafen, die in der weiteren rechtlichen Verfolgung eines Wettbewerbsverstoßes einen unabdingbaren Platz einnähmen. Der Verein sei gezwungen, die Vertragsstrafe einzufordern, um die Klagebefugnis nicht zu verlieren.

Aus den Gründen:

Die Klage ist zulässig. Der Kläger hat auch ein Rechtsschutzbedürfnis, soweit in den angefochtenen Steuerbescheiden die Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuermessbetrag auf ..... DM festgesetzt worden sind. Denn die eigentliche, von dem Kläger gerügte Beeinträchtigung liegt nicht in der Festsetzung der Körperschaftssteuerschuld oder der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages, sondern in der damit (wenn auch unausgesprochenen) verbundenen negativen Regelung, dass der Kläger nicht als steuerbefreit angesehen wird. Die Klage ist unbegründet. Die Bescheide des Beklagten sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten. Bei dem Kläger handelt es sich um eine juristische Personen des privaten Rechts, die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 KStG unbeschränkt steuerpflichtig ist. Kein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen (§ 13 Abs. 2 UWG)

Kein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen (§ 13 Abs. 2 UWG)

Entgegen der im außergerichtlichen Vorverfahren geäußerten Auffassung des Klägers übt er keine hoheitlichen Aufgaben aus. Der Kläger sieht sich als ein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG an. Diese Verbände nehmen zwar nach herrschender Meinung auch Allgemeininteressen war. Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb hat aber den entsprechenden Verbänden in § 13 nur eine privatrechtliche Aktivlegitimation und Klagebefugnis gegeben. Die Ahndung von Wettbewerbsverstößen ist allein privater Initiative überlassen worden. Kein Berufsverband im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG Der Kläger ist nicht von der Körperschaftssteuer befreit, insbesondere ist der Kläger kein nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 KStG steuerbefreiter Berufsverband.

Nach dieser Vorschrift sind von der Körperschaftssteuer befreit: Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unterhalten, ist die Steuerbefreiung insoweit ausgeschlossen. Das Köperschaftssteuerrecht gibt keine Legaldefinition des Begriffes "Berufsverband" vor.

Begrifflich ist der Verband eine Vereinigung natürlicher Personen und/oder Unternehmen, die in der Regel in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisiert sind. Nach Abschnitt 8 Abs. 1 Satz 1 der Körperschaftssteuerrichtlinien sind Berufsverbände Vereinigungen von natürlichen Personen oder von Unternehmen, die allgemeine, aus beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsene ideelle oder wirtschaftliche Interessen des Berufsstandes oder Wirtschaftszweiges wahrnehmen. Diese Definition entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes. Als Aufgabe eines Berufsverbandes wird daher angesehen, dass dieser die allgemeinen, den Mitgliedern aus ihrer beruflichen oder unternehmerischen Tätigkeit erwachsenen ideellen und allgemeinen wirtschaftlichen Interessen gegenüber den gesetzgeberischen Körperschaften, den Verwaltungsbehörden usw. zu vertreten hat. Ebenso soll der Verband die Wünsche seiner Mitglieder als eine gemeinsame Zielsetzung geltend machen und nach Möglichkeit durchsetzen. Die hierbei erzielten Ergebnisse müssen dem Berufsstand oder dem Wirtschaftszweig zugute kommen. Die Steuerfreiheit der Berufs- und Wirtschaftsverbände beruht auf der rechtspolitischen Anerkennung ihres Wirkens für die allgemeinen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder als ein Wirken im Interesse der Allgemeinheit. Der Verband muss sich somit auf die allgemeine Förderung seiner Mitglieder (zum Beispiel durch Schaffung besserer wirtschaftlicher und sozialer Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Betätigung seiner Mitglieder) beschränken.

Es verstößt gegen den so definierten Charakter eines Berufsverbandes, wenn er den Erwerb oder die wirtschaftlichen Belange seiner Mitglieder direkt, nicht nur allgemein im oben angegebenen Sinne fördert.

Nach diesen Grundsätzen ist der Kläger nicht als Berufsverband im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG anzusehen, denn er nimmt weder nach Satzung noch nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung die aus der unternehmerischen Tätigkeit der Einzelhändler erwachsenen ideellen und allgemein wirtschaftlichen Interessen wahr.

Aufgabe des Klägers ist es nach seiner Satzung allein, den lauteren Wettbewerb innerhalb des Einzelhandels zu fördern und den Einzelhandel, so weit er von den berufsständischen Verbänden vertreten wird, gegen unlauteren Wettbewerb anderer Wirtschaftsstufen zu schützen. Der Kläger hat selbst vorgetragen und unter Hinweis auf die Satzung des Einzelhandelsverbandes AE. V. deutlich gemacht, dass durch die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs Zweck und Aufgabe des Einzelhandelsverbandes A e.V. erfüllt wird, der darin besteht, die wirtschaftlichen, beruflichen und sozialen Interessen des gesamten Einzelhandels im räumlichen Geltungsbereich wahrzunehmen und zu fördern und seine Mitglieder zu betreuen. Im Ergebnis hat der Einzelhandelsverband AE. V. einen einzelnen, eng begrenzten Tätigkeitsbereich, nämlich die Wahrnehmung der wirtschaftlichen Interessen jedes einzelnen Mitglieds ausgegliedert und rechtlich verselbständigt. Damit erfüllt der Kläger aber nicht die Aufgaben eines Berufsverbandes im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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