Verbändereport AUSGABE 7 / 2008

Bedenken bei der Umsetzung leistungsorientierter Bezahlung

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Nicht wenige Verbände orientieren sich bei der Besoldung an den Tarifen des öffentlichen Dienstes (TVöD). Zunehmend werden bei diesen Organisationen im Rahmen des Umset-zungsprozesses zur leistungsorientierten Bezahlung nach dem TVöD von vielen Beteiligten Bedenken geäußert. Basis dieser Bedenken sind zum Teil schlechte Erfahrungen mit zum Teil viele Jahre zurückliegenden Versuchen, ein erfolgreiches System leistungsorientierter Bezah-lung im öffentlichen Dienst zu etablieren; zum Teil sind aber auch logische Überlegungen oder auch Analysen konkreter Arbeitsplätze die Basis der Skepsis. Diese Bedenken müssen ernst genommen werden.

Eine immer wieder vorgetragene Problematik ist: Lässt sich Leistung im öffentlichen Dienst überhaupt messen? Nutzt man die Grundlagen der Messtheorie, so lassen sich folgende Aussagen machen: Nicht die Leistung selbst, sondern Beurteilungsmerkmale (Eigenschaften) der Leistung lassen sich messen. Es muss daher eine Einigung erfolgen, welche Variablen konkret stellvertretend für die Leistung gemessen werden. Dabei ist auf Relevanz der Variablen und auf Praktikabilität zu achten. Dies ist ein methodisches Problem; allerdings steht der öffentliche Dienst damit nicht allein. Jeder, der etwas messen will, muss diese Entscheidung fällen. Dies bedeutet in der Praxis, dass eine durchschnittliche Bearbeitungszeit oder eine Fehlerquote stellvertretend für die Leistung gemessen wird.

Zielvereinbarungen nach TVöD

Nach TVöD stehen die Zielvereinbarung und die systematische Leistungsbewertung als Methoden zur Verfügung. Konkrete Kriterien (systematische Leistungsbewertung) und Ziele müssen in der Berufspraxis der Vielfalt der Problem- und Arbeitsbereiche entsprechen. Die Bandbreite reicht von Zielen wie der Steigerung von Zinserträgen, dem Erarbeiten eines Dokumentationssystems, der Verbesserung der innerbehördlichen Kommunikation bis hin zu Kriterien wie Zuverlässigkeit, Ressourcen sparen oder Flexibilität. Immer muss geklärt werden, ob Zinserträge, benötigte Zeit oder ausformulierte Qualitätskriterien stellvertretend für die erbrachte Leistung stehen. Dieses Vorgehen ist durchaus auch in der wissenschaftlichen Praxis üblich und hat sich bewährt. Zwar werden nicht alle Aspekte der Leistung gemessen; durch eine kluge Auswahl relevanter Merkmale entsteht jedoch ein sinnvolles Maß, das Basis der gewünschten Veränderungen werden kann.

Willkür und ungerechte Verteilung

Ein weiteres Problemfeld ist die Erwartungshaltung: Das Geld wird willkürlich oder ungerecht verteilt. Es ist gut belegt, dass Menschen keine perfekten Messinstrumente sind. Dies gilt auch für Vorgesetzte im öffentlichen Dienst. Um Willkür zu vermeiden und Ungerechtigkeiten zu minimierenn sind daher die Gütekriterien einer Leistungsmessung zu beachten. Es ist sinnvoll, das eigene Urteil zu prüfen. Dabei sind die Fehlerquellen sozialer Wahrnehmung zu berücksichtigen. Normalerweise akzeptieren wir unsere Sinneseindrücke, ohne uns darüber weitere Gedanken zu machen. Dies gilt auch für die soziale Wahrnehmung. Wir sehen einen Menschen und es laufen Beurteilungsprozesse ab, die uns nur zum Teil bewusst werden. In der Sozialpsychologie werden zahlreiche Effekte beschrieben, die deutlich machen, dass es zahlreiche Gefahren für fehlerhafte Beurteilungen gibt: Vorurteile, der erste Eindruck, der letzte Eindruck, der Hofeffekt, Selbstbezug und Ähnlichkeit, der Hierarchieeffekt, der Benjamineffekt.

Eine Möglichkeit ist, das eigene Urteil mit dem Urteil anderer zu vergleichen. Sollten deutliche Beurteilungsunterschiede bestehen, so macht es Sinn, wenn die unterschiedlichen Beurteiler ihre Kriterien und Verfahren offenlegen und diskutieren. Wenn eine Angleichung der Kriterien und Verfahren möglich ist, wird dies die Objektivität der Beurteilung erhöhen. Eine weitere Möglichkeit ist, eine Vereinheitlichung der Bewertungskriterien und des Bewertungsablaufs im Vorfeld durch entsprechende Vereinbarungen zu schaffen. Hier können vergleichbare Beispiele und Checklisten helfen. Dies kann bei der Umsetzung des TVöD zentral begleitet werden. Die betriebliche Kommission sollte daher dauerhaft ein System des Qualitätsmanagements etablieren.

Umgang mit Leistungsträgern

Der Umgang mit Leistungsträgern bei Zielvereinbarungen ist ein weiteres Problemfeld. Bei Topleistern wird kein Verbesserungspotenzial gesehen. Eigentlich sollte hier alles bleiben, wie es ist. Hinzu kommt, dass bei Personen, die bisher wenig geleistet haben, die Gefahr gesehen wird, dass diese durch das deutlich größere Verbesserungspotenzial nun noch für bisherige Schlechtleistungen belohnt werden.

Um diesem Problemfeld gerecht zu werden, sollte gesehen werden, dass jeder, unabhängig von der in der Vergangenheit erbrachten Leistung, die Chance haben muss, an der Ausschüttung des Leistungstopfes teilzunehmen. Basis der zu vereinbarenden Ziele sollte daher das Leistungspotenzial sein. Dabei ist vor allem bei Behinderten das zum Teil eingeschränkte Leistungspotenzial zu beachten. Wenn ein Leistungsträger sein Leistungspotenzial zugunsten des Arbeitgebers voll ausschöpft, so muss dieser Leistung auch die höchste Punktzahl entsprechen. Dies sollte allerdings nicht bedeuten, dass das Suchen nach Verbesserung und Flexibilität damit ausgeschlossen ist. Zusätzlich gilt, dass bei einem Abfallen der Leistung kein Bonus für vergangene Leistungen angerechnet werden darf. Für Personen mit bisher geringerer Leistung bedeutet dies, dass in dem Fall, in dem Motivationsmangel Basis der geringen Leistung war, eine größere Veränderung zum Erreichen der Maximalpunktzahl notwendig ist. Da aber auch schon eine mittlere Leistungssteigerung zu mehr Punkten und in aller Regel zu mehr Geld führt, kann auch eine Zwischenstufe die Motivation steigern.

Die Umsetzung der leistungsorientierten Bezahlung ist ein Prozess, der einer mehrjährigen Einführungsphase bedarf. Auch nach dieser Phase ist eine Pflege des Systems notwendig, um die gewünschten Effekte zu sichern. Bei diesem Prozess sollte weiterhin auf die Kommunikation von Management und Arbeitnehmervertretern gesetzt werden, um die zum Teil berechtigten Bedenken auszuräumen.

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