Verbändereport AUSGABE 4 / 2008

Befugnis zur Rechtsberatung und Prozessvertretung durch Verbände

Das neue Rechtsdienstleistungsgesetz birgt neue Möglichkeiten für Verbände

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Nach jahrelangen kontroversen Beratungen tritt am 1. Juli 2007 das neue Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) vom 12.12.2007, BGBl. I S. 2840, in Kraft. Es löst das alte Rechtsberatungsgesetz aus dem Jahr 1935 ab und bringt für Verbände einige positive Neuerungen.

Was ist eine „Rechtsdienstleistung“?

Rechtsberatung durch Verbände war in gewissem Umfang bereits nach bisherigem Recht zulässig. Das neue Recht weitet den Bereich des Zulässigen aus und definiert zunächst, was unter dem neuen Begriff der „Rechtsdienstleistung“ zu verstehen ist.

Als Rechtsdienstleistung gilt nach § 2 Abs. 1 RDG jede Tätigkeit in konkreten fremden Angelegenheiten, sobald sie eine rechtliche Prüfung des Einzelfalles erfordert. Rechtsdienstleistungen sind danach also nur solche, bei denen eine Subsumtion eines konkreten Einzelfalles unter rechtliche Vorschriften vorgenommen wird. Damit fallen allgemeine Auskünfte oder die Mitteilung eines Rechtsstandpunktes, den ein Verband in einer bestimmten Rechtsfrage einnimmt, nicht unter den Begriff der Rechtsdienstleistung. Solche Tätigkeiten unterliegen daher keinerlei allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen.

Welche Rechtsdienstleistungen dürfen Verbände künftig erbringen?

„Nun kommt er also, der ADAC-Paragraf“, schreibt ein aus der Anwaltschaft kommender Kritiker der neuen Regelung, der über die Neuregelung offenbar wenig erfreut ist. Das könnte ein Indiz dafür sein, dass man seitens der Anwaltschaft neue Konkurrenz durch Verbände befürchtet. Bei näherer Betrachtung der Neuregelung erscheint diese Befürchtung etwas übertrieben.

Die Beratungsbefugnisse für Verbände sind in § 7 RDG nunmehr wie folgt geregelt:

(1) Erlaubt sind Rechtsdienstleistungen, die

a. berufliche oder andere zur Wahrung gemeinschaftlicher Interessen gegründete Vereinigungen und ihre Zusammenschlüsse,

b. Genossenschaften, genossenschaftliche Prüfungsverbände und deren Spitzenverbände sowie genossenschaftliche Treuhandstellen und ähnliche genossenschaftliche Einrichtungen

im Rahmen ihres satzungsmäßigen Aufgabenbereichs für ihre Mitglieder oder die Mitglieder der ihnen angehörenden Vereinigungen oder Einrichtungen erbringen, soweit sie gegenüber der Erfüllung ihrer übrigen satzungsmäßigen Aufgaben nicht von übergeordneter Bedeutung sind.

Die Rechtsdienstleistungen können durch eine im alleinigen wirtschaftlichen Eigentum der in Satz 1 genannten Vereinigungen oder Zusammenschlüsse stehende juristische Person erbracht werden.

(2) Wer Rechtsdienstleistungen nach Absatz 1 erbringt, muss über die zur sachgerechten Erbringung dieser Rechtsdienstleistungen erforderliche personelle, sachliche und finanzielle Ausstattung verfügen und sicherstellen, dass die Rechtsdienstleistung durch eine Person, der die entgeltliche Erbringung dieser Rechtsdienstleistung erlaubt ist, durch eine Person mit Befähigung zum Richteramt oder unter Anleitung einer solchen Person erfolgt. § 6 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend.

(§ 6 Abs. 2 Satz 2 lautet: Anleitung erfordert eine an Umfang und Inhalt der zu erbringenden Rechtsdienstleistungen ausgerichtete Einweisung und Fortbildung sowie eine Mitwirkung bei der Erbringung der Rechtsdienstleistung, soweit dies im Einzelfall erforderlich ist.

Rechtsdienstleistungen durch Spitzenverbände

Um den vielfältigen Organisationsformen, die das Vereinsrecht zulässt, Rechnung zu tragen, wird klargestellt, dass auch Zusammenschlüsse von Vereinigungen und damit insbesondere ihre Spitzenorganisationen oder Spitzenverbände Rechtsdienstleistungen nicht nur für die ihnen unmittelbar angehörenden Personen oder Vereinigungen, sondern auch für alle Mitglieder der ihnen angeschlossenen Verbände erbringen dürfen.

Grenzen: Satzungsmäßiger Aufgabenbereich

Die Beratung von Mitgliedern gilt nicht uneingeschränkt für alle Rechtsbereiche, sondern muss im Rahmen des satzungsmäßigen Aufgabenbereichs des Verbandes bleiben. Deshalb darf, worauf die Gesetzesbegründung ausdrücklich hinweist, nicht etwa ein Mieterverein auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts beraten. Auch eine Ausweitung des Satzungszwecks auf die allgemeine Rechtsberatung aller Mitglieder wäre unzulässig, wie der Gesetzgeber meint. Er hat damit wohl die Fallgestaltung im Auge, dass ein Verband überwiegend allgemeine, nicht mit dem eigentlichen Satzungszweck zusammenhängende Rechtsdienstleistungen erbringt. Unklar bleibt jedoch, ob die Zulässigkeit von Rechtsdienstleistungen nur dann zu bejahen ist, wenn die Satzung die Rechtsberatung der Mitglieder ausdrücklich vorsieht.

Die Rechtsberatungsbefugnis der Berufsverbände bleibt laut Gesetzesbegründung gegenüber der bisherigen Regelung inhaltlich unverändert. Es wird lediglich der überkommene Begriff „berufsständisch“ durch die neue Formulierung ersetzt.

Eine wesentliche Neuerung besteht darin, dass den Berufsverbänden nunmehr solche sonstigen Vereinigungen gleichgestellt werden, die zur Wahrung gemeinsamer Interessen gegründet werden. Die Interessen müssen also nicht mehr spezifisch berufsständisch sein. Die Regelung gilt daher nun auch Vereinigungen mit gesellschaftlicher, sportlicher oder kultureller Zielsetzung. Damit wird beispielsweise auch dem ADAC die Rechtsberatung seiner Mitglieder zugestanden.

Die Beratungsbefugnis gilt jedoch nur für den Bereich satzungsgemäßer Wahrnehmung allgemeiner Gruppeninteressen. Erforderlich ist also ein über die (Individual-) Interessen des Einzelnen hinausgehendes Gemeinschaftsinteresse an der Beratungsleistung. Die Gesetzesbegründung nennt als Beispiel einer fehlenden Beratungsbefugnis einen Verein, bei dem jedes Mitglied mit seinem Beitritt lediglich durch die Bündelung der jeweiligen gleichlaufenden Einzelinteressen Nachdruck für die Durchsetzung seines Individualinteresses bezweckt, z.B. ein Verein von Kreditgeschädigten einer bestimmten Anlagegesellschaft. In der Praxis dürfte die Abgrenzung von Allgemeininteressen einerseits und der Bündelung von Individualinteressen im Einzelfall genauso schwierig sein wie im Steuerrecht.

Rechtsdienstleistungen durch verbandseigene Service-GmbHs zulässig

Bereits nach geltendem Recht war es zulässig, dass Verbände die ihnen erlaubten rechtlichen Beratungstätigkeiten durch eine in ihrem Alleineigentum stehende juristische Person (meist: GmbH) erbringen. Es reicht es nach dem Gesetzeswortlaut aus, dass diese Gesellschaft im „wirtschaftlichen“ Eigentum des Verbandes steht. Dabei ist unklar, was das Gesetz unter „wirtschaftlichem Eigentum“ versteht. Kein Problem besteht, wenn der Verband über die Mehrheit der Gesellschaftsanteile verfügt. Darüber hinaus dürfte „wirtschaftliches“ Eigentum z.B. bei einer Minderheitsbeteiligung gegeben sein, wenn die restlichen Anteile von anderen Verbänden mit ähnlicher oder gleicher satzungsmäßiger Zielsetzung gehalten werden.

Die Rechtsdienstleistungsgesellschaft muss nicht die engeren Anforderungen einer Rechtsanwaltsgesellschaft im Sinne der BRAO erfüllen. Fraglich ist, ob die Gesellschaft notwendigerweise auf die Erbringung von Rechtsdienstleistungen beschränkt ist oder auch andere Serviceleistungen erbringen darf. Die Gesetzesbegründung geht offenbar nur von „reinrassigen“ Beratungsgesellschaften aus, wenn sie sagt, dass eine solche Gesellschaft „naturgemäß regelmäßig ausschließlich rechtsdienstleistende Aufgaben hat“. Wieso naturgemäß? Wieso regelmäßig? Nach meiner Auffassung sollte auch ein Mix von Tätigkeiten zulässig sein, vorausgesetzt, die Beratungsqualität ist gesichert.

Beratungsqualität muss gesichert sein

Die Pflicht zur sachgerechten Mitgliederrechtsberatung wird in § 7 Abs. 2 RDG konkretisiert. Schwerwiegende Verstöße können nach § 9 Abs. 1 Satz 2 RDG zur behördlichen Untersagung der Beratungsbefugnis führen.

Verbände müssen sicherstellen, dass die Beratung unter Anleitung einer juristisch qualifizierten Person erfolgt. Der Beratende muss also kein Jurist sein! Je weniger die beratende Person juristisch beschlagen ist, desto stringenter muss die Aufsicht sein. Die Gesetzesbegründung ist in diesem Punkt allerdings sehr vage. Die Aufsichtspflicht sei eine im Sinne einer „Grundanforderung“ zu verstehende Pflicht, die - abhängig von der Organisationsstruktur der Einrichtung, der Qualifikation und Berufserfahrung der unmittelbar rechtsberatend tätigen Personen und der Art der zu erbringenden Rechtsdienstleistung - unterschiedliche Formen der Anleitung zulasse. Daher wird den Verbänden in der Praxis letztlich eine große Freiheit in der Gestaltung der Aufsicht durch eine juristisch qualifizierte Person eingeräumt.

Auch die Organisationsform muss stimmen

Das RDG stellt über das Anleitungserfordernis hinaus weitere Anforderungen hinsichtlich der personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung der beratenden Stelle. Dabei kommt es auf den Umfang der Beratungsleistungen an. Bei kleineren Verbänden, die nur gelegentlich Rechtsdienstleistungen erbringen, werden an die Ausstattung keine besonderen Anforderungen gestellt. Das Gesetz will letztlich nur verhindern, dass unseriöse Organisationen mit umfangreicher rechtsberatender Tätigkeit und minimaler Organisationsstruktur rein auf Geschäftemacherei ausgehen. In solchen Fällen soll das Fehlen einer hinreichenden Ausstattung zum Versagen der Beratungstätigkeit berechtigen.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.