Verbändereport AUSGABE 6 / 2004

Besteuerung von Berufskammern: Finanzämter prüfen verstärkt wirtschaftliche Betätigungen öffentlich-rechtlicher Verbände

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Seit der Bundesrechnungshof 2003 das bisherige, angeblich laxe Prüfungsverhalten der Finanzämter rügte, nimmt die Zahl steuerlicher Betriebsprüfungen bei öffentlich-rechtlichen Verbänden deutlich zu.

Im Jahr 2003 meldete die Wirtschaftspresse, dass der Bundesrechnungshof die Prüfungspraxis der Finanzämter beanstandet hat, soweit es um die Besteuerung der wirtschaftlichen Aktivitäten öffentlich-rechtlicher Institutionen geht. Im Focus stehen dem Vernehmen nach insbesondere die Industrie- und Handelskammern. Solche Kammern sind aufgrund ihres öffentlich-rechtlichen Status kein Besteuerungssubjekt, solange sie hoheitlich tätig sind. Wenn sie sich jedoch wirtschaftlich betätigen, ändert sich die Betrachtungsweise: sog. "Betriebe gewerblicher Art" von Körperschaften des öffentlichen Rechts werden besteuert, weil sie anderenfalls gegenüber konkurrierenden Privatunternehmen steuerlich begünstigt würden. Zur Vermeidung derartiger Wettbewerbsverzerrungen sieht § 4 KStG eine Besteuerung der Gewinne vor. Voraussetzung der Besteuerung ist jedoch, dass sich diese wirtschaftliche Tätigkeit innerhalb der Gesamtbetätigung der Körperschaft "wirtschaftlich heraushebt".

In der Praxis haben bisher viele öffentlich-rechtliche Körperschaften diesen steuerlichen Aspekten nicht genügend Aufmerksamkeit geschenkt. Die Finanzämter haben sich andererseits bisher um die Besteuerung dieser Körperschaften auch nicht sonderlich intensiv bemüht, so jedenfalls die Feststellungen des Bundesrechnungshofs. Das soll in Zukunft anders werden, meint der Bundesrechnungshof. Dieser Appell scheint nun Wirkung zu zeigen, und viele öffentlich-rechtliche Körperschaften werden von der fühlbar verstärkten Prüfungstätigkeit der Finanzämter anscheinend völlig überrascht.

Die Problematik betrifft keinesfalls nur die Industrie- und Handelskammern, sondern auch alle berufsständischen Selbstverwaltungseinrichtungen, wie beispielsweise Steuerberater-, Anwalts-, Notar-, Ärzte- oder Zahnärztekammern. Viele dieser Organisationen führen zur Fortbildung ihrer Mitglieder Seminare und ähnliche Veranstaltungen durch. Der Seminarbereich ist dem Vernehmen nach eines der beliebtesten Prüfungsfelder der steuerlichen Betriebsprüfungen. Die hieraus resultierenden Steuernachforderungen können im Einzelfall durchaus bedrohliche Ausmaße annehmen. Nachteilig wirkt sich zudem in der Praxis aus, dass das Rechnungswesen der betroffenen Berufskammern häufig nicht in der Lage ist, die entstandenen Gewinne im Nachhinein zuverlässig zu quantifizieren. In diesen Fällen schätzen die Betriebsprüfungsstellen die Gewinne, und es ist zu befürchten, dass diese Schätzungen der tatsächlichen Gewinnsituation der vergangenen Jahre nicht gerecht werden.

Diese besorgniserregende Entwicklung ist bisher noch nicht allgemein bekannt. Die Geschäftsleitungen öffentlich-rechtlicher Verbände und Institutionen sollten die Zeit nutzen, um zunächst eine interne Bestandsaufnahme zu machen und eine erste Risikoabschätzung vorzunehmen. Es wird in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Steuerberater zu prüfen sein, ob und in welchem Umfang noch Steuererklärungen für vergangene Jahre abzugeben sind. Dabei spielt die Verjährungsproblematik eine wichtige Rolle. Für die Zukunft wird – soweit noch nicht geschehen – für die Betriebe gewerblicher Art eine Buchführung einzurichten sein, die den steuerlichen Anforderungen gerecht wird. Als Alternative kommt eine Auslagerung wirtschaftlicher Aktivitäten in eine Service-GmbH in Betracht. (WE)

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