Verbändereport AUSGABE 7 / 2008

Compliance in Verbänden

Pflicht oder Kür?

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Im Folgenden soll kurz dargestellt werden, welche Aufgabe ein Compliance-Management im Verbandswesen haben kann oder welche grundlegenden Schritte notwendig sind, einer solchen Aufgabe gerecht zu werden:

Die ARAG-Rechtsprechung als Anstoß für eine Compliance-Diskussion

Nach der sogenannten ARAG-Entscheidung des Bundesgerichtshofs aus dem Jahre 1997 folgte ein grundsätzlicher Sinneswandel in Bezug auf die Geltendmachung von Haftungsfällen in Unternehmen. In der Entscheidung hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass etwa für Aufsichtsgremien eines Unternehmens im Grundsatz eine Verpflichtung besteht, erkannte Pflichtverletzungen der Geschäftsleitungsorgane auch zu verfolgen und hier Schadensersatzansprüche für das Unternehmen durchzusetzen. Nur in Ausnahmefällen (zum Beispiel Rufschäden für das Unternehmen selbst) kann hiervon abgesehen werden. Verfolgen Aufsichtsorgane entsprechende Haftungslagen in Unternehmen nicht, begehen sie selbst eine Pflichtverletzung mit den entsprechenden Konsequenzen. Gerade der letztgenannte Umstand darf als die eigentliche psychologische Triebfeder für die nach der ARAG-Entscheidung aufgekommene Haftungsdiskussion in Unternehmen verstanden werden. Gerade in gewerblichen Unternehmen — zunehmend aber auch in Verbänden — verfolgen Aufsichtsorgane festgestellte Pflichtverletzungen der Leitungsorgane, sei es mit der Konsequenz der Abberufung, sei es mit der Konsequenz der Geltendmachung von Schadensersatzzahlungen.

Von daher ist die Frage, ob ein Compliance-Management für Geschäftsleitungsorgane Pflicht oder Kür ist, eigentlich mehr rhetorischer Natur.

Was ist Compliance?

In der wörtlichen Übersetzung bedeutet „Compliance“ „Einhaltung“ oder „Befolgung“ von rechtlichen Normen. Im hier verstandenen Sinne verbirgt sich hinter dem Begriff die Gesamtheit aller Maßnahmen eines Verbandes, die darauf abzielen, das rechtmäßige Verhalten des Verbandes selbst, seiner Organmitglieder und Mitarbeiter im Hinblick auf alle rechtlichen Normen (Verbote und Gebote) zu gewährleisten. Die hierzu gebotenen vorbeugenden Organisationsmaßnahmen dienen also im Ergebnis dazu, dass im Verband Rechtsnormen eingehalten werden und weiterhin spätere Haftungsfälle vermieden werden.

Eine ausdrückliche Rechtspflicht für die Einführung eines Compliance-Systems existiert nicht. Zwar gibt es gerade für Kapitalgesellschaften Normen, die entsprechende Verpflichtungen beinhalten. Für Verbände sind diese jedoch jedenfalls direkt nicht anwendbar, sodass keine gesetzliche Vorgabe existiert, ein solches Compliance-Management in einem Verband einzuführen. Vor dem Hintergrund der nach der oben zitierten ARAG-Rechtsprechung des Bundesgerichtshof jedoch gestiegenen Inanspruchnahme von Organen für deren Pflichtverletzungen, wozu auch das sogenannte Organisationsverschulden zählt, greift der reine Verweis auf eine nicht existierende gesetzliche Verpflichtung zur Einrichtung solcher Compliance-Systeme allerdings zu kurz.

Allgemeine Anforderungen an die Organisation des Verbandes

Neben den unten noch darzustellenden speziellen Risikolagen von Verbänden gibt es allgemeine organisatorische Anforderungen, bei denen das „Verbandswesen“ der gewerblichen Wirtschaft weitgehend entspricht.

Zunächst und grundlegend für das Compliance-Management ist die Einführung einer nicht nur auf dem Papier existierenden Organisation des Verbandes mit klaren Zuständigkeiten insbesondere hinsichtlich der Delegation von Aufgaben auf Mitarbeiter. Dies beginnt bei der Geschäftsordnung in Verbänden, wo mehrere Leitungsorgane tätig sind. In dieser Geschäftsordnung verteilen die Leitungsorgane Zuständigkeiten unter sich. Hierbei ist zu beachten, dass die Geschäftsordnung jedenfalls einer Zustimmungserklärung des Verbandes selbst für ihre Wirksamkeit bedarf.

Weiterhin sollten für die dann in der Praxis existierende Delegation von Aufgaben auf Mitarbeiter in der Verbandsgeschäftsstelle klare Zuständigkeitsregelungen getroffen werden. Diese Zuständigkeiten müssen auch mit dem jeweiligen Mitarbeiter — ggf. per Anweisung — „vereinbart“ werden, das heißt, sowohl auf der Leitungsebene als auch auf der Mitarbeiterebene muss klar sein, wer für welche Aufgaben im Verband zuständig ist. Naturgemäß muss es auch Systeme geben, die eine laufende Kontrolle solcher Zuständigkeiten sicherstellen, sodass zumindest in gewissen zeitlichen Abständen stichprobenartig die Einhaltung von entsprechenden Zuständigkeitsregelungen (auch Unterschriftenregelungen!) sicher gestellt ist.

Fehlen solche klaren Zuständigkeitsregelungen mit den Mitarbeitern der Geschäftsstellen der Verbände, so kann den Leitungsorganen ein sogenanntes Organisationsverschulden angelastet werden mit dem Inhalt, schon durch mangelnde organisatorische Vorgaben oder ungenaue Zuständigkeitsregelungen Fehler gerade heraufbeschworen zu haben.

Des Weiteren gehört es zur ordnungsgemäßen Organisation unter dem Gesichtspunkt der Compliance, Handlungsanweisungen und Maßnahmenkataloge beim Auftauchen bestimmter Risikolagen oder Schäden einzuführen. Mit solchen Maßnahmenkatalogen verhindert man, dass etwaig entstandene Risiken zunächst „abtauchen“ und damit in einem Zeitraum bei den Vorständen der Verbände unerkannt bleiben, wo sie eigentlich noch beherrschbar sind.

Naturgemäß schützen auch die besten und umfangreichsten Organisationsanweisungen und Organisationshandbücher nicht vor willentlichen Pflichtverletzungen und vor Untreueverhalten oder sonstigen vorsätzlichen Akten. Wer Rechtsnormen verletzen und Schaden herbeiführen will, lässt sich auch durch Organisationshandbücher nicht davon abhalten. Aus Sicht des Geschäftsleitungsorgans haben solche dokumentierten Anweisungen jedoch den klaren Vorteil, dass zumindest der Vorwurf einer blauäugigen Unorganisiertheit eines Verbandes nicht auftreten kann.

Insoweit werden also als Mindestanforderungen an eine ordnungsgemäße Compliance-Organisation festgestellt: Ausarbeitung eines Organisations- und Pflichtenheftes mit Zuständigkeiten, Unterschriftenregelung, Vertretungsregelungen und Meldepflichten oder Berichtspflichten. Informationsveranstaltungen für die Mitarbeiter der Geschäftsstelle einerseits über die Organisation, andererseits jedoch auch über die wesentlichen einzuhaltenden Pflichten und sensiblen Bereiche im Verband.

Einrichtung eines Überwachungssystems, das heißt in Großverbänden mitunter sogar Schaffung eines sogenannten Compliance-Beauftragten, der bei direkter Anbindung an die Leitungsorgane die Einhaltung der Rechtsnormen in Verband prüft. Festlegung von Disziplinarmaßnahmen bei Verstoß gegen Rechtsnormen. Bericht über das Compliance-Management gegenüber Aufsichtsgremien und Mitgliederversammlungen.

4. Verbandsspezifische Bereiche

Das Verbandswesen und hier insbesondere die steuerbefreiten oder gemeinnützigen Verbände werden sehr stark durch die restriktiven steuerlichen Anforderungen geprägt. Nicht zuletzt der UNICEF-Fall hat gezeigt, dass gerade der sensible Bereich der Spendenakquise und der Mittelverwendung neben den steuerlichen Risiken auch ganz erhebliche sonstige wirtschaftliche Risiken für den Verband darstellen, sodass die Einhaltung der steuerlichen und insbesondere der Spendenorm-Vorschriften für Verbände eine starke Bedeutung hat.

Gerade im Bereich der Spendengenerierung, Bescheinigung und Verwendung der Spendenmittel muss höchste Sorgfalt aufgewandt werden, sollten die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter laufend über die sich wandelnden Anforderungen des Spendenrechts informiert werden.

Ein weiterer Prüfungspunkt bei Verbänden sollte — und auch dies als Lehre aus dem UNICEF-Fall — der Bereich der Kosten der Geschäftsstelle und der Führung des Verbandes, insbesondere aus dem Ehrenamt, sein. In vielen Verbänden treibt etwa der Begriff der „Aufwandspauschale“ gefährliche Blüten. Hier werden Zahlungen an Organe geleistet, die sowohl unter dem Stichpunkt des Verstoßes gegen Ehrenamtsparagrafen der Satzung als auch steuerrechtlich und sozialversicherungsrechtlich unnötige Angriffsflächen bieten.

Insbesondere bei Wirtschaftsverbänden sollte das Augenmerk auf eine sogenannte kartellrechtliche Compliance gelegt werden. Viele Geschäftsleitungsorgane von Wirtschaftsverbänden sind sich im Unklaren darüber, welche Sachverhalte im eigenen Verband eigentlich kartellrechtssensibel sind. Der gesamte Bereich von Absprachen zwischen Verband und Mitgliedern oder der Mitglieder untereinander wie Foren des Verbandes (Arbeitskreise etc.) berührt grundsätzlich kartellrechtssensible Bereiche und sollte auch wegen der drakonischen Strafen im Kartellrecht permanent geprüft und durchleuchtet werden.

Insgesamt dürfte zumindest bei Verbänden ab einer gewissen wirtschaftlichen Größenordnung das Thema eines ordnungsgemäßen Compliance-Managements an Bedeutung gewinnen. Die besondere Motivation von Verbandsorganen zur Einführung eines Compliance-Systems wurde bereits dargestellt. Der Verband schuldet aber auch seinen Mitgliedern eine permanente Prüfung und damit Rechenschaft über die Verwendung der vom Verband generierten Mittel. Insoweit kann man die Einführung von Compliance-Systemen auch als ein Moment der Mitgliedergewinnung oder Mitgliederbindung ansehen. (RW)

Hinweis der Redaktion: Ralf Wickert wird zu selbigem Thema im Rahmen des 3. Forum für Vereins- und Verbandsrecht am 17. und 18. November 2008 in Düsseldorf referieren.

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Autor/in

Ralf Wickert

ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuer- und Arbeitsrecht. Er ist Gesellschafter der Dornbach GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft mit den Tätigkeitsschwerpunkten gesellschaftsrechtliche, arbeits- und steuerrechtliche Beratung von Unternehmen und Verbänden. Autor mehrerer Fachbücher, u. a. des Praxishandbuches Verbandsrecht und des Praxishandbuches Datenschutz in Verbänden.

http://www.dornbach.de

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