Immer wieder stellt sich in der Praxis die Frage, ob ein Verband gezwungen werden kann, weitere Mitglieder aufzunehmen. Grundsätzlich ist der Verband frei, seinen Zweck und Aufgabenbereich selbst festzulegen. Damit darf der Verein grundsätzlich auch bestimmen, wen er unter welchen Voraussetzungen als Mitglied aufnehmen möchte. Allerdings gibt es von der Regel der Aufnahmefreiheit einige wichtige Ausnahmen, von denen insbesondere Berufs- und Wirtschaftsverbände betroffen sind.
Aufnahmeanspruch aufgrund von Selbstbindung
Der Verein kann sich einzelvertraglich - etwa durch einen Vorvertrag oder einen Vertrag zugunsten Dritter - verpflichten, einen beitrittswilligen Interessenten aufzunehmen. Dies hat schon das Reichsgericht festgestellt (RGZ 106, 120/126). Einen Aufnahmeanspruch kann auch die Satzung begründen. Allerdings räumen Satzungen im allgemeinen auch dann keinen Anspruch auf Aufnahme in den Verband ein, wenn der Bewerber die Aufnahmevoraussetzungen erfüllt (BGH NJW 1985, 1214/1215).
Allerdings kann eine Verbandssatzung durchaus einen Anspruch auf Aufnahme in den Verband vorsehen. Dies muss sich dann jedoch unzweideutig aus dem Satzungstext ergeben, beispielsweise durch die Formulierung: „Bei Vorliegen der Aufnahmevoraussetzungen hat der Bewerber Anspruch auf Aufnahme in den Verband.“ Der Bundesgerichtshof hat wegen der Ungewöhnlichkeit eines Aufnahmeanspruchs die Verbandsklauseln insoweit aber auserordentlich zurückhaltend ausgelegt. (BGHZ 101, 193/200).
Verbreiteter ist dagegen die Regelung der Rechtsnachfolge in den Verbandssatzungen. Hier wird dem Rechtsnachfolger häufig ein Sonderrecht (§ 35 BGB) eingeräumt, mit dem er die Aufnahme in den Verband begehren kann. Verbreitet sind auch Klauseln, wonach der Rechtsnachfolger oder Geschäftsnachfolger ohne weiteres mit dem Eintritt des Nachfolgefalls Verbandsmitglied wird. Allerdings hat der BGH auch in diesen Fällen einen förmlichen Beitritt für erforderlich gehalten (Bundesgerichtshof NJW 1980, 2708).
Gesetzlicher Aufnahmeanspruch
Von großer praktischer Bedeutung sind dagegen die gesetzlichen Ansprüche auf den Beitritt zu Verbänden. § 27 Abs. 1 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (Kartellgesetz) bestimmt hierzu:
„Wird die Aufnahme eines Unternehmens in eine Wirtschafts- oder Berufsvereinigung abgelehnt, so kann die Kartellbehörde auf Antrag des betroffenen Unternehmens die Aufnahme in die Vereinigung anordnen, wenn die Ablehnung eines sachlich nicht gerechtfertigte ungleiche Behandlung darstellt und zu einer unbilligen Benachteiligung des Unternehmens im Wettbewerb führt. Wirtschaftsvereinigungen im Sinne dieses Gesetzes sind auch Gütezeichengemeinschaften.“
Dieser kartellrechtliche Aufnahmeanspruch hat mehrere Voraussetzungen, die gleichzeitig erfüllt sein müssen, damit der Aufnahmeanspruch durchgeht.
Es muss sich um Wirtschaftsvereinigungen, das heißt um freiwillige, auf der Grundlage des Privatrechts organisierte Verbindungen von Unternehmen eines Wirtschaftszweiges handeln, die nicht nur Einzelzwecke im Interesse ihrer Mitglieder verfolgen, sondern eine umfassende Wahrnehmung und Förderung der gemeinsamen unternehmerischen Wirtschaftsinteressen ihre Mitglieder bezwecken.
Berufsvereinigungen sind Unternehmenszusammenschlüsse einer Branche, deren Zweck der Schutz und die Förderung der gemeinschaftlichen Berufs- und Wirtschaftsinteressen einschließlich gemeinsamer sozialer Interessen ist.
Ein kartellrechtlicher Aufnahmeanspruch besteht nur, wenn Unternehmen im Sinne des Kartellrechts Mitglieder sind. Allerdings wird die unternehmerische Betätigung weit ausgelegt. Es kann sich um natürliche oder juristische Personen oder nicht rechtsfähige Personenvereinigungen auf dem Gebiete des Güterabsatzes mit Waren oder Dienstleistungen handeln.
Keine Vereinigungen im Sinne von § 27 Kartellgesetz sind Verbände, deren Zweck ausschließlich auf die Interessen ihrer Mitglieder in arbeitsrechtlicher Hinsicht beschränkt sind, also Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften.