Empirische gestützte Erkenntnisse zum Management von Verbänden sind in der Betriebswirtschaftslehre bis heute rar. Insbesondere neuere Arbeiten, die auf einer Befragung von Verbänden basieren, liegen kaum vor. Letztmalig wurde vom Seminar für Vereins- und Verbandsforschung (SVV) der TU-München im Jahr 1996 eine umfangreichere Untersuchung durchgeführt, deren Ergebnisse publiziert wurden. Das vorhandene Forschungsdefizit soll durch die nunmehr durchgeführte Erhebung in Teilbereichen verringert werden. Dabei wurde der Fokus auf die Wirtschaftsverbände in Deutschland gelegt, die zweifellos einen wesentlichen Teil der Verbändelandschaft in Deutschland darstellen.
Ziel der Befragung
Ziel der Untersuchung sollte es im Einzelnen sein, konkrete Hinweise auf die Probleme des Verbandsmanagement in Deutschland zu erhalten. Im Kern sollten dabei Ergebnisse zu den Bereichen Finanzierung sowie Verbandsorganisation gewonnen werden.
Methode und Stichprobe
Für diese quantitative Erhebung wurde ein vierseitiger Fragebogen entwickelt, der insgesamt 48 Fragen beziehungsweise Fragenkomplexe umfasst. Gegliedert ist er in die vier Bereiche: „Allgemeine Fragen zum Verband“, „Fragen zur Finanzierung“, „Fragen zur Organisation“ sowie „Persönliche Angaben“. Nach einem Testlauf im Rahmen des 7. Deutschen Verbändekongresses im Juli 2003 wurde der Fragebogen im November und Dezember 2003 an Wirtschaftsverbände in Deutschland verschickt.
Die Grundgesamtheit der Befragung umfasst alle Wirtschaftsverbände in Deutschland. Als Wirtschaftsverband werden dabei alle Verbände angesehen und definiert, die mit ihren Leistungen die eigenen Mitglieder bei der Erreichung erwerbs-, einkommens- und berufswirtschaftlicher Ziele unterstützen. Die Gruppe dieser Verbände ist sehr heterogen. Sie umfasst unter anderem Unternehmensverbände, Kammern, Berufsverbände und Gewerkschaften. Da viele der Probleme in den untersuchten Bereichen Finanzierung und Organisation vermutlich in Zusammenhang mit der Mitgliederentwicklung stehen, wurden Verbände, bei denen Zwangsmitgliedschaften bestehen, in diese Studie nicht mit einbezogen. Außerdem blieben Gewerkschaften unberücksichtigt.
Insgesamt umfasst die bereinigte Ausgangsstichprobe 4607 Wirtschaftsverbände in ganz Deutschland. Der Rücklauf (Nettostichprobe) beträgt 797 ausgefüllte Fragebögen, so dass sich die Ausschöpfungsquote auf rund 17,3 Prozent beläuft. Ob die anhand dieser Stichprobe gewonnenen Ergebnisse dem Anspruch der Repräsentativität genügen, kann aufgrund fehlender Kenntnisse über die Grundgesamtheit nicht festgestellt werden. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse Entwicklungslinien des Managements von Verbänden in den Bereichen Finanzierung und Organisation aufzeigen.
Im Rahmen dieser kurzen Zusammenfassung werden lediglich ausgewählte Ergebnisse der Studie präsentiert. Fragen, für deren Analyse die Erarbeitung eines umfassenderen theoretischen Rahmens erforderlich ist, werden hier nicht dargelegt. Die Darstellung der Ergebnisse ist demnach auch weitgehend deskriptiv. Eine Detailauswertung des Fragebogens sowie die weiterführende Interpretation der Ergebnisse werden im Rahmen weiterer wissenschaftlicher Arbeiten erfolgen.
Grunddaten der beteiligten Verbände
Das Feld der Wirtschaftsverbände ist sehr vielfältig, weshalb eine genauere Einteilung der 797 Wirtschaftsverbände, die an der Befragung teilgenommen haben, anhand ihrer verschiedenen Funktionen sinnvoll erscheint. Eine solche ist jedoch nicht ganz einfach, da viele Verbände, wie die Befragung ergeben hat, zugleich mehrere Aufgaben wahrnehmen. Berücksichtigt man diese Doppelfunktionen, so ergibt sich das in der folgenden Tabelle dargestellte Bild. Dabei gibt die Anzahl der Nennungen (erste Spalte) wieder, wie häufig die jeweiligen Verbandstypen angegeben wurden. Aufgrund der Mehrfachnennungen ist sie in der Summe höher als die Zahl der Verbände, die diese Frage beantwortet haben (gültige Antworten). Setzt man diese Summe aller Nennungen gleich 100 Prozent, so lässt sich die prozentuale Aufteilung der Antworten, wie sie in der zweiten Spalte dargestellt ist, ablesen. In der dritten Spalte wiederum wird die prozentuale Aufteilung basierend auf der Zahl der gültigen Antworten abgebildet. Hier ergibt sich aufgrund der Überschneidungen daher auch eine Summe, die höher als 100 Prozent ist.
(gA="793)"
Darstellung 1: Verbandstypen
Gut 57 Prozent der befragten Wirtschaftsverbände sind Branchen- und Fachverbände, weitere 38 Prozent Berufsverbände. Knapp 21 Prozent der Wirtschaftsverbände üben ausschließlich oder zusätzlich die Funktion eines Arbeitgeberverbands aus. Als sonstige Verbände verstehen sich zudem weitere 4 Prozent der Befragten.
Auch bei der Frage nach den Wirtschaftssektoren, in denen die Verbände agieren, kam es zu Mehrfachantworten, so dass davon auszugehen ist, dass viele Verbände sektorübergreifend tätig sind. Dies zeigt auch die Darstellung 2. Die größte Gruppe stellen hier mit 37,1 Prozent Verbände im Dienstleistungssektor, gefolgt von Industrieverbänden mit 22,6 Prozent. Sowohl Handels- als auch Handwerksverbände machen rund 15 Prozent der Nettostichprobe aus. Im landwirtschaftlichen Sektor agieren 7,8 Prozent der befragten Verbände. Relativ hoch ist zudem der Anteil sonstiger Verbände mit gut 13 Prozent. Hier kam es zu Nennungen wie beispielsweise „freie Berufe“ oder „öffentlicher Dienst“.
(gA="792)"
Darstellung 2: Wirtschaftssektoren der Verbände
Die Frage nach der Tätigkeitsebene ihres Verbands haben 786 Verbände beantwortet. Vorwiegend haben Bundesverbände (47,6 Prozent) und Landesverbände (45,5 Prozent) an der Erhebung teilgenommen. Die Regional-, Bezirks- und Kreisverbände stellen mit 6,9 Prozent lediglich eine kleine Gruppe. 628 der untersuchten Verbände gaben an, dass sie über hauptamtliche Mitarbeiter verfügen. Dies sind (bei 794 gültigen Antworten) 79,1 Prozent der Verbände. Zugleich bedeutet dies, dass jeder fünfte befragte Verband ausschließlich auf das ehrenamtliche Engagement seiner Mitglieder angewiesen ist.
Hinsichtlich ihrer Mitgliederstruktur ist zu erkennen, dass es sich vorrangig um Unternehmensverbände handelt. So entfielen bei der Frage, welche stimmberechtigte Mitgliedergruppe im Verband mehrheitlich vertreten ist, von 756 gültigen Antworten 366 auf Unternehmen und 259 auf natürliche Personen. Gefolgt werden diese von den Verbänden mit 75 und den öffentlichen Körperschaften mit 56 Antworten. Die Darstellung 3 verdeutlicht nochmals die prozentuale Aufteilung.
(gA="756)"
Darstellung 3: Art der Mitglieder der befragten Verbände
Die teilnehmenden Verbände entstammen den verschiedensten Größenklassen. So reichen die Angaben bezüglich der Anzahl an Mitgliedern von drei bis 180.000. Der Großteil der befragten Verbände (36,6 Prozent, gA="784)" nannte eine Mitgliederzahl, die zwischen 101 und 1.000 liegt. Die Anzahl der Mitglieder ist jedoch maßgeblich vom Mitgliedertypus abhängig; eine Auswertung sollte diesen daher berücksichtigen. Aufschluss über die Größe der teilnehmenden Verbände unterteilt nach der Art ihrer Mitglieder gibt die Darstellung 4. Hier ist zu erkennen, dass die Verbände mit sehr hohen Mitgliederzahlen vorrangig im Bereich der Personenverbände zu finden sind. Wirtschaftsverbände, zu deren Mitgliedern vor allem Verbände oder öffentliche Körperschaften zählen, verfügen nur in wenigen Fällen über mehr als 100 Mitglieder. Einzelne davon haben jedoch auch sehr hohe Mitgliederzahlen genannt. Hier scheint es denkbar, dass die antwortenden Verbände auch indirekte Mitglieder, sprich die Mitglieder ihrer Mitglieder, berücksichtigt haben. Die Unternehmensverbände weisen hauptsächlich zwischen 21 und 1000 Mitglieder aus.
Darstellung 4: Aufteilung der Verbände in Größenklassen, untergliedert nach Art der Mitglieder
Ebenfalls untersucht wurde, wie sich die Mitgliederbasis der Verbände in den letzten 10 Jahren verändert hat. Bei der Auswertung dieser Frage wurden nur Verbände berücksichtigt, die bis einschließlich 1994 entstanden sind. So können Verzerrungen ausgeschlossen werden, die zum Beispiel durch einen starken Mitgliederzuwachs direkt nach Neugründung eines Verbands entstehen. Insgesamt 675 Verbände, das heißt knapp 85 Prozent, erfüllen diese Voraussetzung. Ihre Antworten wurden ausgewertet.
Dabei ist, wie die untenstehende Abbildung zeigt, zu erkennen, dass Verbände mit Mitgliederverlust und -gewinn ebenso wie solche mit einer gleich bleibenden Mitgliederzahl ungefähr gleich stark vertreten sind. So gaben 37,3 Prozent an, dass sie einen Mitgliederverlust verzeichnen. Demgegenüber stehen 30,1 Prozent mit steigenden Mitgliederzahlen sowie 32,6 Prozent mit einer stagnierenden Mitgliederbasis.
Darstellung 5: Mitgliederentwicklung in den letzten 10 Jahren
Ergebnisse zur Finanzierung in Verbänden
Um einen ersten Überblick über die Struktur der Wirtschaftsverbände hinsichtlich der Höhe ihres Finanzbudgets zu erhalten, wurden insgesamt sieben Größenklassen gebildet, in welche sich die Verbände einstufen sollten. Basisjahr ist dabei das Jahr 2002. Bei der Analyse der Daten ist zudem zu berücksichtigen, dass mögliche Servicegesellschaften oder Dienstleistungs-GmbHs, hier als angegliederte Betriebe bezeichnet, nicht in dieses Budget einbezogen werden sollten.
Darstellung 6: Finanzbudgets der befragten Verbände
Die Auswertung zeigt, dass 32,3 Prozent aller Wirtschaftsverbände ein jährliches Finanzbudget von unter 100.000 Euro aufweisen. Daraus lässt sich schließen, dass jeder dritte Wirtschaftsverband einen äußerst geringen Finanzspielraum besitzt und damit in seinem Aktionsradius äußerst begrenzt sein dürfte. Das Gros der Wirtschaftsverbände, nämlich nahezu 65 Prozent, weist ein Budget zwischen 100.000 und 5 Mio. Euro auf, wobei eine relative Gleichverteilung in den vier Größenklassen auffällt. Lediglich 1,6 Prozent beziehungsweise 1,7 Prozent der untersuchten Verbände besitzen ein Budget von zwischen 5 und 10 Mio. und über 10 Mio. Euro jährlich. Diese wirtschaftlich sehr starken Verbände sind somit deutlich in der Minderheit.
Finanzierungsquellen
Stellt man die Frage nach den einzelnen Finanzierungsquellen der Verbände, so wird offensichtlich, dass bei nahezu allen die Mitgliedsbeiträge die wichtigste Säule der Finanzierung darstellen. Ohne auf die Gewichtung im Einzelnen einzugehen, zeigt sich darüber hinaus deutlich, dass bei mehr als der Hälfte der Verbände auch weitere Quellen einen Finanzierungsbeitrag leisten (Beiträge aus Fördermitgliedschaften, Spenden, Umlagen, Einnahmen durch entgeltliche Dienstleistungen sowie aus Kapital- und Immobilienerträgen, Messen und Ausstellungen oder aus Subventionen und sonstigen Quellen). Das Finanzierungsspektrum ist somit sehr breit gefächert und geht über die eigentliche Beitragsfinanzierung weit hinaus.
Darstellung 7: Finanzierungsquellen der befragten Verbände
Im Rahmen der Untersuchung zur Finanzierung von Wirtschaftsverbänden spielt die Frage, inwieweit dem Verband selbständige Betriebe (z.B. Service-GmbHs) angegliedert sind, eine wichtige Rolle. Knapp jeder dritte Verband (31,37 Prozent) besitzt, wie die Darstellung 8 zeigt, mindestens einen solchen Betrieb. Sie wickeln bestimmte Leistungen außerhalb des Verbandsbudgets ab und können damit wohl auch einen Teil zur Finanzierung des Verbands beitragen. Zwei Drittel (66,5 Prozent) der Verbände kommen demgegenüber offensichtlich ohne eine Dienstleistungs-GmbH aus.
Darstellung 8: Sind Ihrem Verband selbständige Betriebe angegliedert?
Bei der Frage nach der Anzahl der angliederten Betriebe ergibt sich das folgende, aus der Darstellung 9 ersichtliche Bild.
Darstellung 9: Anzahl der selbständigen Betriebe
65,5 Prozent gaben an, einen selbständigen angegliederten Betrieb zu führen, weitere 18,2 Prozent zwei solcher Betriebe. Immerhin noch 6,4 Prozent führen drei. Dass Verbänden mehr als drei eigenständige Service-GmbHs angegliedert sind, scheint jedoch die Ausnahme zu sein.
Geht man der Frage nach den einzelnen Leistungen nach, die von der jeweiligen Dienstleistungs- oder Service-GmbH angeboten werden, so bilden offensichtlich Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen den wichtigsten Bereich. Kaum weniger wichtig sind den Angaben zufolge jedoch auch die Organisation von Tagungen, Beratungsleistungen und Durchführung von Messen und Ausstellungen. Damit ergibt sich ein relativ dichter Strauß von Dienstleistungsangeboten, die außerhalb des eigentlichen Verbandsbudgets liegen.
Darstellung 10: Leistungen der selbständigen Betriebe
Auf die Frage, ob zukünftig Maßnahmen zur Verbesserung der Finanzkraft geplant werden, gaben 670 Verbände an, solche zu planen. 117 sehen demgegenüber keine vor; 10 Verbände machten zu dieser Frage keine Angaben.
Im Einzelnen sehen die Maßnahmen dabei wie folgt aus. Fast die Hälfte aller Antworten bezog sich auf die Gewinnung neuer Mitglieder; auf die Erweiterung entgeltlicher Dienstleistungen entfielen 24 Prozent aller Antworten. Immerhin noch 16,7 Prozent, bezogen auf alle gegebenen Antworten, können sich Beitragserhöhungen zur Stärkung der Finanzkraft vorstellen. Fusionen und sonstige Maßnahmen spielen eine eher untergeordnete Rolle. Hieraus wird deutlich, dass die Fokussierung der Wirtschaftsverbände zur Verbesserung der Finanzausstattung zwar vorrangig auf Neumitglieder gerichtet ist, aber offensichtlich auch durch spezielle Dienstleistungsangebote, beispielsweise im Bereich der Aus- und Weiterbildung, versucht wird, zu einer Verbesserung der Finanzsituation beizutragen.
Darstellung 11: Maßnahmen zur Steigerung der Finanzkraft
Gestellt wurde des Weiteren die Frage, inwieweit die Verbände zukünftig von sinkenden, steigenden oder gleich bleibenden Einnahmen ausgehen. Knapp 80 Prozent der Antworten entfielen dabei auf sinkend oder gleich bleibend, lediglich gut jede fünfte Antwort fiel positiver aus, das heißt nur etwa 20 Prozent der Wirtschaftsverbände erwarten, dass sich ihre Finanzsituation zukünftig besser gestalten wird. Auffallend ist jedoch, dass sich die optimistischen und pessimistischen Einschätzungen in etwa die Waage halten, selbst wenn ein leichtes negatives Übergewicht zu verzeichnen ist.
Darstellung 12: Entwicklung der Gesamteinnahmen der Verbände
Ergebnisse zur Organisation in Verbänden
Die Verbandsorganisation bildet den zweiten Schwerpunkt der von uns durchgeführten Befragung. Dabei ging es vorrangig darum, ihren Status Quo mit Problemfeldern und Verbesserungspotenzialen zu erfassen.
Immerhin fast jeder dritte befragte Verband (29,4 Prozent) gab an, dass er Probleme in der Organisation seines Verbands sieht, 70,6 Prozent der Verbände verneinten dies (bei 691 gültigen Antworten). Die große Zahl fehlender Antworten ist dadurch zu erklären, dass viele Verbände bei dieser Frage Probleme nannten, die nicht organisatorischer Art sind (wie: Finanzprobleme oder Mitgliederschwund) und daher auch nicht mit in die Auswertung aufgenommen wurden.
Des Weiteren wurde der Verbesserungsbedarf einzelner Bereiche abgefragt. Dabei wurden nicht nur Aspekte berücksichtigt, die zur klassischen Organisationsaufgabe zählen, sondern auch solche, die Randbereiche der Organisation darstellen und die Überschneidungen zu anderen Managementfunktionen, wie zum Beispiel der Personalwirtschaft oder dem Marketing, aufweisen. Es ist festzustellen, dass sich insbesondere in den „mitgliedernahen“ Bereichen und Aufgaben Verbesserungsbedarf offenbart. So geben 92,5 Prozent der Verbände an, dass Verbesserungsbedarf hinsichtlich des Informationsmanagements besteht, bezüglich der Mitgliederkommunikation sind es sogar 94,5 Prozent (gA="758" sowie gA="776)." Von diesen wiederum schätzen jeweils gut die Hälfte ihren Verbesserungsbedarf als hoch oder eher hoch ein, wie die folgenden Diagramme zeigen.
Darstellung 13: Beurteilung der Höhe des Verbesserungsbedarfes bei Informationsmanagement und Mitgliederkommunikation
Die Diskussion zu Mitgliederorientierung und –marketing, die derzeit vielerorts geführt wird, scheint somit brisanter denn je. Eine grundsätzliche Ausrichtung eines Verbands auf seine Mitglieder erfordert dabei jedoch nicht nur den Einsatz einzelner Marketinginstrumente, sondern hat häufig auch organisatorische Konsequenzen. Nur ein Beispiel ist hier die Optimierung der Organisationsstrukturen des Verbands hinsichtlich des Informationsflusses.
Weniger auffällig sind die Urteile zur der technischen Infrastruktur der Wirtschaftsverbände. Bei 740 gültigen Antworten sehen 85,5 Prozent von ihnen hier einen Verbesserungsbedarf. Mit 40,13 Prozent schätzt ihn der weit überwiegende Teil davon jedoch als eher gering ein. Als hoch oder eher hoch bezeichnen ihn demgegenüber lediglich gut 25 Prozent der Verbände mit Verbesserungsbedarf. Dies bestätigt auch die Ergebnisse früherer Erhebungen des SVV und bedeutet zugleich, dass zumindest die technischen Vorraussetzungen für eine reibungslose Mitgliederkommunikation und ein funktionierendes Informationsmanagement in den meisten Fällen gegeben scheinen.
Ein ähnliches Bild ergibt sich beim Prozessmanagement. Zwar stufen 84,2 Prozent (gA="733)" der Verbände das Prozessmanagement als verbesserungswürdig ein, nur rund ein Drittel davon beschreibt den Bedarf jedoch als hoch oder eher hoch. Dies mag unter Umständen daran liegen, dass ein Großteil der befragten Verbände lediglich über einen kleinen Stamm hauptamtlicher Mitarbeiter verfügt, so dass die Abwicklung eines Prozesses häufig in der Hand einer einzelnen Person liegt. Wie der Verbesserungsbedarf in diesen beiden Bereichen im Einzelnen eingeschätzt wird, ist auch aus der Darstellung 14 ersichtlich.
Darstellung 14: Beurteilung der Höhe des Verbesserungsbedarfes bei
Prozessmanagement und technischer Infrastruktur
Das Ehrenamt zählt zu den besonderen Charakteristika von Verbänden und stellt deren Management zunehmend vor große Herausforderungen. Daher wurden die Wirtschaftsverbände von uns auch gefragt, wie sie das Verbesserungspotenzial hinsichtlich des ehrenamtlichen Engagements und der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt in ihrem Verband beurteilen.
Zum ehrenamtlichen Engagement äußerten sich 770 der befragten Verbände. 702 von ihnen gaben an, dass dieses verbessert werden könnte. Dabei sehen mit rund 57 Prozent die meisten davon einen hohen oder eher hohen Verbesserungsbedarf. Auch im Rahmen der Organisationsgestaltung in Verbände könnten hier Maßnahmen ergriffen werden, die ein stärkeres ehrenamtliches Engagement nach sich ziehen. Ein Beispiel wäre die Schaffung oder der Ausbau von Projektstrukturen, die es den Mitgliedern verstärkt ermöglichen für begrenzte Zeiträume im Verband tätig zu werden.
Bezüglich der Frage nach der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt können selbstverständlich nur die 628 befragten Verbände in die Auswertung einbezogen werden, die angegeben haben, dass sie über hauptamtliche Mitarbeiter verfügen (siehe Punkt 2). Von diesen äußerten sich 29 nicht zu der gestellten Frage, so dass die Zahl der gültigen Antworten 599 beträgt. Verbesserungsbedarf bei der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt stellen davon knapp 80 Prozent fest. Die Defizite der Verbände sind im Vergleich zum ehrenamtlichen Engagement hier jedoch deutlich geringer. Nur gut ein Viertel der Wirtschaftsverbände mit Verbesserungsbedarf stuft diesen als hoch oder eher hoch ein. Dabei ist noch genauer zu untersuchen, ob sich die Urteile von Haupt- und Ehrenamtlichen bei dieser Frage wesentlich voneinander unterscheiden. Einen Überblick über die Antworten der Verbände hinsichtlich des Ehrenamts gibt die Darstellung 15.
Darstellung 15: Beurteilung der Höhe des Verbesserungsbedarfes beim ehrenamtlichen Engagement sowie der Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt
Berechnet man die Mittelwerte zu diesen Häufigkeitsverteilungen, lässt sich der Verbesserungsbedarf der einzelnen Gebiete auch miteinander vergleichen. Dabei wurde ein hoher Verbesserungsbedarf mit 1 bewertet und ein geringer mit 4; je niedriger das arithmetisches Mittel demnach ist, desto notweniger sind Verbesserungsmaßnahmen in diesem Bereich. Mit einem Mittelwert von 2,4487 führt das ehrenamtliche Engagement diese Rangfolge an, gefolgt von der Mitgliederkommunikation mit 2,4555. Anschließend sind das Informationsmanagement mit 2,5592 und die Prozessorganisation mit 2,8298 zu nennen. Weniger dringlich sind die technische Infrastruktur und die Zusammenarbeit von Haupt- und Ehrenamt mit Mittelwerten von 3,0521 und 3,0234.
Management und Organisation in erwerbswirtschaftlichen Unternehmen bedienen sich zahlreicher Hilfsmittel, um eine effektive und effiziente Leistungserstellung zu ermöglichen. Bei der Vielfalt möglicher Konzepte scheint es nicht verwunderlich, dass Wissenschaftler wie Praktiker, die sich mit Verbänden beschäftigen, die Frage aufwerfen, ob solche Instrumente auch für das Verbandsmanagement hilfreich sein können. Aus diesem Grund haben wir bei ausgewählten, gängigen Konzepten erfragt, ob diese bereits in Verbänden zum Einsatz kommen. Die Darstellung 16 liefert hierzu eine zusammenfassende Tabelle.
Darstellung 16: Nutzung von Managementkonzepten in Verbänden
Es wurde festgestellt, dass das Projektmanagement das am häufigsten genutzte Konzept ist. Fast die Hälfte (47,8 Prozent) der 797 befragten Verbände setzt dieses in ihrem Verband ein. An zweiter Stelle liegt das Vorschlagswesen für Mitarbeiter mit gut 35 Prozent. Nur rund 16 Prozent der Wirtschaftsverbände wenden dieses auch für ihre Mitglieder an. Wissens- und Qualitätsmanagement betreiben jeweils knapp 30 Prozent der befragten Wirtschaftsverbände. Über ein Beschwerdemanagement verfügen 17,6 Prozent. Die weiteren Konzepte scheinen für Verbände weitgehend bedeutungslos zu sein. Nur gut 7 Prozent der Befragten setzen Risikomanagement ein, die Balanced Scorecard sogar nur 2,1 Prozent. 2,6 Prozent der Verbände nannten sonstige Konzepte.
Veränderte Interessen und steigende Ansprüche seitens der Mitglieder führen ebenso wie sich verändernde politische Rahmenbedingungen zu einer neuen Situation für Wirtschaftsverbände. Dementsprechend war es für uns interessant zu erfahren, ob die Wirtschaftsverbände in Deutschland die Notwendigkeit sehen, sich dieser durch Reorganisation anzupassen. In den letzten fünf Jahren haben mit 31,17 Prozent knapp ein Drittel aller befragten Verbände grundlegende Reorganisationsmaßnahmen durchgeführt (bei 770 gültigen Antworten), wie auch die Darstellung 17 zeigt.
Darstellung 17: Durchführung von Reorganisationsmaßnahmen bei Verbänden in den letzten 5 Jahren
Hier bleibt genauer zu analysieren, worin diese Maßnahmen bestehen und warum sie durchgeführt wurden. Außerdem zeigt sich, dass nicht jede Reorganisation auch erfolgreich ist. Häufig werden die angestrebten Ziele nicht oder nur teilweise erreicht. Welche Konsequenzen sich hieraus für die Verbandsorganisation ergeben, soll im Rahmen weiterer Forschungsarbeit am SVV geklärt werden.
Ausblick und weitere Veröffentlichung der Ergebnisse
Diese Zusammenfassung der Ergebnisse gibt einen ersten kurzen Einblick in Fragen und Probleme des Verbandsmanagements in den Bereichen Finanzierung und Organisation. Es zeigt sich aber auch, dass einzelne Ergebnisse weitere Fragen aufwerfen. Eine Detailauswertung des Fragebogens wird im Rahmen von zwei Dissertationen erfolgen. Die Arbeitsthemen lauten „Wirtschaftsverbände als Netzwerkorganisationen – Gestaltung von mitgliederorientierten Strukturen und Prozessen“ sowie „Finanzierung von Wirtschaftsverbänden in Deutschland – Herausforderung und Gestaltungsmöglichkeiten“. In den Dissertationen wird versucht werden, detailliertere Erkenntnisse, beispielsweise durch spezielle Fallunterscheidungen einzelner Wirtschaftssektoren und Verbandstypen oder einer Selektion nach Größenordnungen, zu gewinnen. Zudem ist es unser Ziel, Erklärungsansätze für Einzelergebnisse zu finden und exemplarisch Lösungsvorschläge zu erarbeiten.