Verbändereport AUSGABE 4 / 2010

Ein Rundgang durch das europäische Brüssel

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In Brüssel fühlt sich die Welt zu Hause. Politisch und menschlich. Wohl kaum eine andere Stadt in Europa ist kosmopolitischer, vielsprachiger und – auch – „zusammengezimmerter“. Touristen denken an den Grand Place, den, so sagt man, schönsten Marktplatz der Welt. Sie denken an Pralinen- und Schokoladenkunst. Das Atomium, Pommes frites und Tintin (sogar ein eigenes Museum führt Brüssel für Tim und Struppi!). Gleichsam taucht das EU-Parkett scheinbar überall auf: Betonbauten, bürokratisch anmutende Glaspaläste, Parlamentarier, Diplomaten und Verbandsvertreter. Genau genommen hat Brüssel zwei Standorte: auch Straßburg, den zweiten Sitz des EU-Parlaments. Die Stadt Brüssel als Schmelztiegel von französischem „Savoir Vivre“ und harter europäischer Politik. Ein Widerspruch? Nein!

Verbändereport leuchtet das einstige Wohnviertel, Quartier Léopold, nunmehr Europaviertel, aus und zeigt, wie Politik und Leben in Brüssel zusammengehören. Perfekt geeignet für einen ersten Überblick, schafft der stramme Wanderer den Spaziergang in nur knapp zwei Stunden. Wer mehr flaniert denn schreitet, dem bieten Cafés und Restaurants Müßiggang und Treffmöglichkeiten den ganzen Tag. Beamte, Abgeordnete, Unternehmens- und Verbandsvertreter tummeln sich in den Straßen und auf den Plätzen.

Place du Luxembourg und Europäisches Parlament

Das moderne Europaviertel nimmt eine etwa vier Quadratkilometer große Fläche zwischen Avenue des Arts und Jubelpark ein. Im Europaviertel leben knapp 20.000 Personen, tagsüber arbeiten etwa sechsmal so viele Personen dort. Ausgangspunkt ist die Metrostation Trône am östlichen Teil des Innenstadtrings. Direkt in der Rue du Luxembourg, an deren Ende bereits die Kuppel des Europäischen Parlaments auftaucht. Nach ein paar Schritten gelangt der Besucher an den Place du Luxembourg.

Parc Léopold

Dieser Platz wird auf der Ostseite vom EU-Parlament überragt, vor dem das alte Bahnhofsgebäude des Gare du Luxembourg steht. Rundherum ist der Platz gesäumt von älteren Häusern und Straßen-cafés. Wer zu Mittag speist oder ein intimes Hintergrundgespräch plant, trifft sich auf dem Place du Luxembourg. Oder – auf der südlichen Seite des Parlaments und des Parc Léopold – beim Maison Friterie Antoine auf dem Jourdanplein. Direkt am Ende des Marktplatzes findet sich die, so sagt man, beste Frittenbude der Welt. Jedenfalls, was die Qualität und Auswahl der Soßen anbelangt! Übrigens: Getränke sind beim Verkauf stets Mangelware. Jedoch mit Frittentüte bestückt, bieten die umliegenden Cafés Sitz- und weitere Bestellmöglichkeiten.

In Richtung Westen vom Place du Luxembourg abgehend bietet die Rue du Luxembourg Büros mit verschiedenen Unternehmensvertretungen auf. Unter anderem hat die Agentur Grayling dort Quartier bezogen und vertritt die Interessen der europäischen Saatgutindustrie oder das Centre for the New Europe, eine Denkfabrik, tagt dort.

Ein Stück weiter links am Hauptgebäude des Parlaments vorbei, tut sich der Parc Léopold auf: ein Park alter Miniaturschlösser und -paläste. Übrigens: Auf dem Weg am Parlamentsgebäude steht, ein wenig versteckt, ein Stück der Berliner Mauer!

Justus Lipsius und Charlemagne

Der Europäische Rat im Justus Lipsius ist nur wenige Hausnummern entfernt, in der Rue de la Loi. Zurzeit bietet er Platz für die halbjährlichen EU-Gipfel sowie regelmäßige Ratssitzungen und Ausschüsse. Fußläufig zum Europäischen Rat in der Rue de la Loi finden im Charlemagne Gebäude einige der Generaldirektionen der Europäischen Kommission ihren Platz. Die Rue de la Loi stößt nach Westen hin auf die Avenue des Arts, wo unter anderem die CIAA – Confederation of the Food and Drink Industries in the EU und der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) Quartier bezogen haben. Die Parallelstraße, Rue du Commerce, bietet Unterschlupf für zahlreiche verbandliche Vertretungen im Haus der Wirtschaft und Wissenschaft: Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) neben vielen anderen. Auch das Brüsseler Büro der Max-Planck-Gesellschaft und der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) finden sich dort ebenso wie Bundesverband der Deutschen Entsorgungswirtschaft e.V. (BDE) und der Verband der Automobilindustrie e.V. (VDA).

Residence Palace und Lex2000

Ein wenig vorgesetzt des Léopold Parks an der Ecke der Rue de la Verveine zur Chaussee d Etterbeck wird der Residence Palace derzeit umgebaut und soll ab 2012 Tagungsort des Europäischen Rates werden. Heute beherbergt das Gebäude das International Press Centre. Zugleich ist es auch Sitz zahlreicher Thinktanks, wie die Bertelsmann Stiftung, das European -Policy Centre (EPC), des Lisbon Council sowie des Transatlantic Business Dialogue (TABD). Sehr auffällig sind die sandsteinfarbenen Gebäude des Résidence Palace. In dem Luxusappartement-Hotel drehen in der Mittagspause gerne EU-Politiker im Swimmingpool ihre Runden. Direkt gegenüber steht das neue Büro-gebäude, das Lex2000.

Ganz in der Nähe, in der Avenue de Cortenbergh, nahm der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. (BDEW) in Brüssel seinen Sitz. In derselben Straße, nach außen wirkt sie dann ein wenig trist, haben die meisten Vertretungsbüros der EU-Mitgliedsstaaten sowie viele Unternehmensvertreter ihren Sitz. Der Chemieriese BASF, die französische Unternehmung Thales sowie der Energiekonzern E.ON residieren hier.

In Laufweite befindet sich der Sitz weiterer Denkfabriken: Friends of Europe und das Forum Europe sind hier genauso untergebracht wie die Security & Defence Agenda. Ihre Büros finden sich auf dem traditionellen Bibliotheksgebäude der Universität Brüssel, der Solvay-Bibliothek. Am westlichen Eck des Parks, direkt gegenüber dem Europäischen Parlament, residiert die bayerische Landesregierung in einem kleinen Schloss. Weitere bundesdeutsche Landesvertretungen verteilen sich auf das gesamte EU-Viertel.

Rond-Point Schuman und Parc du Cinquantenaire

Durch den Park hindurch geht es weiter zum Place Jean Rey, überqueren die Rue Belliard und stehen vor dem klobigen, mit fünf Innenhöfen und Hubschrauberlandeplatz ausgestatteten Bauwerk des Justus Lipsius, des Europarates. Kurzzeitig war hier die EU-Kommisssion untergebracht. Wir befinden uns am Rond-Point Schuman, im Herzen des EU-Viertels. Der Point bildet den Abschluss der Rue de la Loi in Richtung des Parc du Cinquantenaire. Im Regus Center befinden sich die Europabüros internationaler Firmen. Unter anderem Airbus, Intel, SAP, Dow Chemical oder des internationalen Computerverbands CompTIA. Nur wenig weiter residieren BP und Philip Morris.

Ein wenig weiter vom Rond-Point Schuman entfernt, finden sich die Büros von Unilever, BUSINESSEUROPE, der Dachverband der Industrie- und Arbeitgeberverbände in Europa, die Büros des European Services Forum ESF. Direkt gegenüber der Mitarbeiter von BUSINESS-EUROPE hat sich die Generaldirektion „Binnenmarkt und Dienstleistungen“ niedergelassen.

Die Rue de la Loi trennt vom Rond-Point Schuman ausgehend das Léopold-Quartier in einen Nord- und einen Südteil. Sie ist Hauptverkehrsachse und Sitz der EU-Kommission. Das 13 Stockwerke hohe Centre Berlaymont an der Rue de la Loi ist Herberge für die Kommissare und deren Abteilungen. Das Centre bietet Platz für die wenigsten der Mitarbeiter der Kommission. Weitaus die meisten befinden sich im Gebäude der General-direktionen.

Weiter in Richtung Osten liegt der Jubelpark (Parc du Cinquantenaire), der dem Arc de Triomphe vorgelagert ist. In den prachtvollen Nebengebäuden um den Park herum sind zahlreiche Museen untergebracht. Durch das belgische Militärmuseum gelangt man auf die Arkaden des Triumphbogens! Gleichzeitig bildet der Triumphbogen das östliche Ende des Europaviertels. Die westliche Grenze des Quartier d Europe bildet die Rue des Arts. Dort ist unter anderem das EU Committee of the American Chamber of Commerce (AmChamEU) untergebracht. Als Vertretung großer amerikanischer Konzerne liegt sie in unmittelbarer Nähe zur Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika in der Rue Zinner.

In knapp zwei Stunden Fußmarsch: einmal das euro-politische Brüssel. Doch eben nicht nur das. Gleichzeitig bietet das Europaviertel einen Blick ins euro-päische Räderwerk und einen Spaziergang durch das historische Brüssel, vorbei an den wichtigsten Gebäuden der Europäischen Union, dem Triumphbogen und das Squares-Viertel im Jugendstil. (TR)

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