Nicht nur Industrieunternehmen oder öffentliche Einrichtungen haben täglich mit einer ungeheuren Papier- und Informationsflut zu kämpfen, sondern oder gerade auch Verbände. Intelligente Extranet-Systeme sollen helfen, diese Flut zu kanalisieren. Mit ihrer Hilfe lassen sich Informationen und Dokumente ordnen, gliedern, bearbeiten, personalisieren und gezielt verteilen. Der folgende Artikel beschreibt am Beispiel der Arbeitgeberverbände Bochum die Arbeitsweise einer Extranet-Lösung.
Die Arbeitgeberverbände Bochum (AGV) bestehen aus drei Einzelverbänden: dem Westfälischen Arbeitgeberverband für die Chemische Industrie e.V., dem Arbeitgeberverband der Eisen- und Metallindustrie e.V. und dem Arbeitgeberverband Ruhr Lippe. Zusammen umfassen diese rund 300 Mitgliedsunternehmen mit über 67.000 Beschäftigten.
Zu den Dienstleistungen der AGV Bochum gehören regelmäßige Rundschreiben, die bis Ende 2002 drei Mal pro Monat per Briefpost verschickt wurden. Die Inhalte der teilweise sehr umfangreichen Rundschreiben richten sich mit speziellen Informationen aus Bereichen wie der Tarif-, Sozial- oder Gesellschaftspolitik an ganz unterschiedliche Abteilungen in den Mitgliedsunternehmen, etwa die Personalabteilung oder die Geschäftsleitung. Deshalb mussten die Dokumente in den Unternehmen aufwändig nach Empfängern sortiert, vervielfältigt und intern verteilt werden. Als wichtig eingestufte Dokumente wurden in den einzelnen Unternehmen anschließend in Papierform archiviert, um bei Bedarf wieder auf die Informationen zugreifen zu können.
Diese Art der Informationsverarbeitung war sowohl für die Verbände als auch für die Unternehmen umständlich, teuer und zeitraubend. Aus diesem Grund suchte die AGV Bochum nach einer Möglichkeit, die Mitgliederinformationen künftig via Internet elektronisch bereit zu stellen. "Wir wollten sowohl den Informationsfluss als auch das Auffinden der Informationen vereinfachen", erklärt Bernd Brucker, Sprecher der AGV Bochum. Ziel sei es gewesen, den Mitgliedsunternehmen einen effektiveren, schnelleren und einfacheren Zugriff auf verbandsspezifische Informationen zu ermöglichen. Außerdem sollte der AGV Bochum den kompletten Ablageservice für die Mitglieder übernehmen, so dass Verbandsinformationen, Dokumentenvorlagen, Anmeldeformulare für Veranstaltungen oder Statistikbögen bei Bedarf jederzeit von einem zentralen Server über das Internet abgerufen werden können.
Durch die Entscheidung für eine Lösung auf der Basis der Internet-Technologie ist über jeden gängigen Internet-Browser der Zugang zu dem System möglich, das mit Passwörtern gegen unautorisierte Zugriffe geschützt wird. Da sich die Rundschreiben inhaltlich unterscheiden und verschiedene Zielgruppen ansprechen, musste die Administration des Systems unbedingt eine differenzierte Vergabe von Benutzerberechtigungen erlauben. Damit kann gewährleistet werden, dass die Mitarbeiter in den Mitgliedsunternehmen nur die Informationen abrufen können, die für sie relevant sind.
Auf der anderen Seite sollte die neue Lösung einfach zu bedienen sein, damit auch im Umgang mit dem PC weniger versierte Mitarbeiter schnell damit arbeiten können. "Wir haben großen Wert auf Benutzerfreundlichkeit gelegt, weil Dreimann-Betriebe ebenso zu unseren Kunden zählen wie Großunternehmen mit 15.000 Mitarbeitern und das PC-Know-how sehr unterschiedlich ist", erläutert Bernd Brucker. Zudem sollten sich die elektronischen Rundschreiben in ihrer äußeren Form nicht von den bisher gewohnten Dokumenten unterscheiden. "Wir wollten, dass die Nutzer eine Grundstruktur finden, die sie bereits aus der Papierwelt kennen", so Brucker weiter. Man entschied sich deshalb dafür, die Rundschreiben in dem weit verbreiteten PDF-Format einzustellen, während Dokumentenvorlagen im jeweiligen Originalformat (Excel, Word, PowerPoint) abrufbar sind.
Vor dem Hintergrund der genannten Anforderungen kamen für die AGV Bochum fünf Lösungen in Frage. Darunter war auch Lotus Notes, das in der Verbandslandschaft sehr weit verbreitet ist. Gegen Notes sprachen allerdings die hohen Kosten, die nach Angaben von Bernd Brucker doppelt so hoch gewesen wären wie für die Extranet-Lösung extraWEB der Aachener Osthus GmbH, die den Zuschlag bekam. Die Osthus GmbH ist ein der Open Source-Philosophie verpflichteter Anbieter von innovativen, webbasierten IT-Systemen. Die Lösungen für die Gestaltung und Optimierung von Geschäftsprozessen werden mit den Technologien J2EE, .NET und PHP4 realisiert. Zum Einsatz kommen sie bei Verbänden sowie Firmen aus der verarbeitenden Industrie, dem Maschinenbau, der Chemie und dem Gesundheitswesen.
Bei der Entscheidung für extraWeb spielte neben dem laut Brucker "sehr guten Preis-Leistungsverhältnis" das schlüssige und einfache Konzept eine große Rolle. Außerdem sei es für die AGV Bochum wichtig gewesen, dass die Extranet-Lösung dank einer PlugIT genannten Technologie modular erweiterbar ist.
Nach den Vorstellungen der AGV Bochum sollte das Extranet innerhalb von drei Monaten einsatzfähig sein. Dieser Termin konnte tatsächlich eingehalten werden, da laut Brucker bei der Realisierung keine größeren Komplikationen auftraten. Seit Anfang 2003 haben die 300 Mitgliedsunternehmen Zugriff auf das Extranet der AGV Bochum. Davon machen mittlerweile über 200 Gebrauch, rund 500 Personen nutzen den neuen Service regelmäßig. "Die meisten sind sehr zufrieden, wir haben ein durchweg positives Feedback", resümiert Bernd Brucker. Nur noch fünf Nutzer beziehen die Rundschreiben weiterhin in der bisher gewohnten Papierform.
In der Praxis funktioniert die Erstellung elektronischer Rundschreiben folgendermaßen: Eine Schreibkraft stellt Artikel über die verschiedensten Themen in der Regel als PDF-Datei ins Extranet ein, gegebenenfalls mit Anlagen. Täglich gegen 16 Uhr generiert das System automatisch Info-Mails, in der die Dokumente mit direkten Links aufgeführt sind. Sofern er für das Dokument berechtigt ist, erhält der Benutzer also eine E-Mail, dass im Extranet neue Artikel eingestellt worden sind, und kann auf jeden Artikel über einen Link und die Eingabe von Benutzername und Kennwort zugreifen.
Einen Grund für die hohe Akzeptanz des Extranet-Systems sieht Dr. Torsten Osthus, Geschäftsführer des Anbieters, in der einfachen Benutzung: "Der Anwender sieht nur noch "seine" Informationen beziehungsweise das für ihn sinnvolle Wissen und arbeitet mit diesem."
Möglich wird dies durch eine differenzierte Zugangsverwaltung, mit der die Inhalte des Extranets von den Einzelverbänden über die Mitgliedsfirmen bis auf die Ebene der Mitarbeiter in den einzelnen Unternehmen heruntergebrochen und personalisiert werden können. Die Benutzerverwaltung übernehmen Mitarbeiter in den Mitgliedsunternehmen, die Benutzernamen und Passwörter erhalten und damit ihrerseits neue Benutzer mit vier verschiedenen Berechtigungsstufen anlegen können. Aus der Sicht der AGV Bochum bietet dieses Verfahren einen enormen Vorteil, weil die Verwaltung und Pflege von Hunderten Benutzern durch die AGV entfällt. Aber auch die Unternehmen profitieren davon, da Daten nach Mitarbeiterwechseln und Neueinstellungen auf diese Weise schnell und flexibel eingerichtet und geändert werden können.
Neben den PDF-Dokumenten haben Nutzer im Extranet Zugriff auf Dokumentenvorlagen im Original-Dateiformat. Das bietet den Mitgliedsunternehmen viele Vorteile. So können Vertragsmuster, Entgeltübersichten und neue Ausbildungsvorschriften in den betreffenden Office-Anwendungen direkt geöffnet, bearbeitet und ausgedruckt werden. Über eine leistungsfähige Suchfunktion können die Nutzer in der Datenbank nach einem oder mehreren Begriffen abhängig vom Zeitraum oder Themengebiet recherchieren. Die gewünschten Informationen werden so schnell und effizient gefunden.
Mit dem Statistikmodul, das inzwischen von mehreren Verbänden eingesetzt wird, lassen sich online Fragebögen ausfüllen und die Ergebnisse direkt abfragen. Dabei erstellt der für die Statistik verantwortliche Mitarbeiter in einer Administrationsoberfläche des Extranets einen Fragebogen. Nachdem der Fragebogen online gestellt ist, können sich die Mitgliedsfirmen an der Befragung beteiligen. Der Clou: Zwischenergebnisse können jederzeit eingesehen werden und zwar nur von den an der Befragung beteiligten Unternehmen.
Neben der reinen Information, also dem elektronischen Versand der Rundschreiben und dem Zugriff auf Dokumentenvorlagen sowie Statistiken im Original-Dateiformat bietet das Extranet der AGV Bochum auch Interaktion. Mitarbeiter der Mitgliedsunternehmen können sich über Veranstaltungen des Verbandes informieren und sofort anmelden. Um die Mitglieder mit eilbedürftigen Informationen zu erreichen, können diese via Newsletter versendet werden.
Als technische Plattform für das Extranet hat sich die AGV Bochum für eine Betriebssystem unabhängige Open-Source-Lösung entschieden, die frei von Lizenzkosten ist. Die Daten und Dokumente sind in einer SQL-Datenbank abgelegt, die kostenlos zur Verfügung steht. Das Extranet-System selbst wird auf einem gemieteten Webserver bei einem externen Provider gehostet und von Osthus betreut. Dort erfolgt auch die Datensicherung, die aufgrund der umfangreichen, im System gespeicherten Daten inzwischen von zentraler Bedeutung ist.
Bernd Brucker ist überzeugt, dass die gesamte Dienstleistung der AGV Bochum mit der Extranet-Lösung bedeutend an Qualität gewonnen hat. "Wir können jetzt Informationen gezielt verteilen beziehungsweise abrufen." Ein weiterer wichtiger Aspekt sei, dass alle Informationen über einen Zeitraum von zwei Jahren gespeichert werden und von den Mitgliedern abgerufen werden können. "Dabei haben wir weniger Arbeitsaufwand und ein wesentlich besseres Archiv." Als weiteren großen Vorteil nennt Brucker die Kosteneinsparungen durch das Extranet. "Unsere Kosten für Papier und Porto sind durch die Umstellung um über 35 Prozent zurückgegangen", so Brucker.
Aber nicht nur die Versandkosten entfielen, auch das gesamte Informationsmanagement via Extranet spare enorm Zeit und damit Geld. Die Suche nach Informationen, so der AGV-Sprecher, gehe jetzt um den Faktor zehn schneller, die gewonnene Zeit lasse sich effektiv nutzen. Für die Mitglieder "ist der Zugriff auf unsere Informationen einfach schneller, gezielter und unkomplizierter."
Das Extranet von Osthus ist nicht allein für den Einsatz im Bereich von Verbänden ausgelegt. "Auch Industriekunden profitieren von den Vorteilen einer Lösung wie extraWEB", meint Dr. Osthus. Und angesichts des guten Preis-Leistungsverhältnisses der Lösung amortisiere sich die Investition innerhalb weniger Monate * den Mehrwert für die Kunden nicht mitgerechnet.