In seinem 2006 erschienenen Buch „Das Moses-Prinzip“ stellt der Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski das fünfte Gebot auf: „Hilf anderen, damit auch Dir geholfen wird. Nur Du allein kannst es, aber Du kannst es nicht allein.“ Sind wir also auf dem Weg zu einer altruistischen Gesellschaft oder sind wir in Wirklichkeit doch nur von Egoisten umgeben? Viele Hauptamtliche beklagen jedenfalls die mangelnde Aktivität ihrer Mitglieder. Der Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein wählte einen sehr pragmatischen Ansatz, junge ehrenamtliche Nachwuchskräfte dauerhaft einzubinden.
Pragmatisch deswegen, weil der Verband dort ansetzte, wo sich die „Jungen“ aufhielten und nicht davor zurück-schreckte, sich von alten Denkmustern – die auf den ersten Blick innovativ wirkten, jedoch bei genauerem Hinsehen ihre Wirkung nicht entfalteten – zu verabschieden.
Vor mehr als zehn Jahren wurde auf Landesebene ein ‚Junior Club‘ für junge Führungskräfte aus dem Kfz-Gewerbe gegründet. Ziel war es, den ehrenamtlichen Nachwuchs zu fördern und an den Verband zu binden. Das Treffen führte zu einem interessanten Erfahrungsaustausch über betriebswirtschaftliche Fragen und Belange des Managements von Kfz-Betrieben. Nach einer Anfangseuphorie verblieb jedoch nur ein harter Kern von etwa sechs Teilnehmern. Es schien so, als ob auch im Kfz-Gewerbe eine „Null-Bock-Generation“ heranwuchs. Doch weit gefehlt: Nicht generelles Desinteresse an ehrenamtlicher Arbeit führte zum vorübergehenden Schlaf des Junior Clubs, sondern das biedere und langweilige Veranstaltungsformat. Nach erfolgter Diagnose wagte der Verband 2001 einen konzeptionellen Neuanfang in der Nachwuchsförderung. Es wurde ein Veranstaltungskonzept entwickelt, dass den Vorstellungen der ‚Youngster‘ – nämlich einer Verbindung von Informationen, Entertainment und selbstverantwortlicher Gestaltung der Freizeit – entsprach. Im November 2001 wurde die ‚Herbstakademie‘ auf Sylt aus der Taufe gehoben. Die Veranstaltung wurde von knapp 50 Teilnehmern aus Schleswig-Holstein besucht. Inzwischen hat sie sich zum jährlichen Nachwuchs-Bundestreffen mit 300 Teilnehmern entwickelt!
Treffpunkt Sylt
Der ursprünglich gewählte Tagungsort, das Kaamp-Hüs in Kampen auf Sylt, wurde beibehalten, obwohl die genutzten Räumlichkeiten die Erweiterung auf mehr als 300 Teilnehmer im Rahmen des Bundestreffens nur schwer zuließen. Jedoch wurde der Veranstaltung hierdurch ein eigenes Profil verliehen. Zusätzlich sorgt die VIP-Insel für einen Image-transfer, der vom Management-Nachwuchs der Branche goutiert wurde. Viele Teilnehmer schätzen es, in der zur Verfügung stehenden Freizeit die Insel individuell zu erkunden. Eine stets attraktive Programmmischung aus ‚Freizeit und Lernen‘ führt zu einer hohen Akzeptanz und Identifikation mit dem Junior Club. Getreu dem Motto: lernen und den Spaß dabei nicht verlieren.
Die Auswahl der Themen und Referenten erfolgt vom Veranstalter jeweils mit größter Sorgfalt. Regelmäßig ergänzen fachfremde Experten, beispielsweise aus der Sozialforschung, den Neurowissenschaften oder anderen Wirtschaftsbranchen, das Branchenwissen der Kfz-Experten. Je nach Exzellenz des Redners werden Vortragszeiten von 20 Minuten bis zu einer Stunde vereinbart. Die Auswahl der Referenten stützt sich auf Empfehlungen aus erster Hand. Ausdrücklich verzichtet der Verband des Kfz-Gewerbes Schleswig-Holstein auf langatmige, verbandspolitisch geprägte Reden mit Selbstdarstellungscharakter.
Für einen hohen Spaßfaktor sorgt das abendliche Treffen in der alten Bootshalle von Gosch in List. Die Kombination aus gutem Essen, quirliger Kneipenatmo-sphäre und lockeren Gesprächen führt zu einer emotionalen Bindung an die Veranstaltung.
Der Verband zahlt
Da die meisten der Teilnehmer viel Zeit und Geld in ihre Aus- und Weiterbildung investieren müssen, ist es ein Anliegen des Verbandes, alle Leistungen der Veranstaltung kostenfrei anzubieten. Hiervon ausgenommen sind nur die Anreise und die individuelle Unterbringung. Ermöglicht wird dieses Angebot durch langjährige Partner des Kfz-Gewerbes. Dass das Konzept auch aus Sicht der Sponsoren aufgeht, belegt die Tatsache, dass bisher kein Sponsor sein Engagement aufgekündigt hat. Übereinstimmend berichten Sponsoren über einen hohen Imagetransfer für ihr Unternehmen. Dazu trägt bei, dass aus den Kernbereichen des Kfz-Gewerbes jeweils nur ein Partner auftritt. Die Sponsoren werden auf den speziell hierfür gestalteten Printunterlagen und auf den Bühnendisplays präsentiert. Jeder Partner erhält zudem die Möglichkeit, als „Pate“ für einen Vortrag oder ein Veranstaltungselement benannt zu werden.
Nach sieben erfolgreich durchgeführten Herbstakademien muss die Veranstaltung kaum noch aktiv beworben werden. Die Branchenmedien sorgen für eine dem Event entsprechende Vor- und Nachberichterstattung. Der Zentralverband des Deutschen Kfz-Gewerbes unterstützt das Juniortreffen sowohl mit finanziellen Zuwendungen als auch mit repräsentativen Auftritten des Präsidenten und des Hauptgeschäftsführers.
Seit 2006 lobt der Verband gemeinsam mit der Bank Deutsches Kfz-Gewerbe (BDK) zusätzlich einen Preis für junge Ehrenamtsträger aus, der im Rahmen des Jahrestreffens verliehen wird. Die Preisträger dürfen maximal 40 Jahre alt sein und müssen sich durch ihr besonderes ehrenamtliches Engagement in der Organisation des deutschen Kfz-Gewerbes auszeichnen. Dadurch wurde die Attraktivität des Junioren-treffens noch einmal gesteigert.
Fazit
Die Bereitschaft der Nachwuchskräfte in der Kfz-Branche, ehrenamtliche Verantwortung zu übernehmen, ist groß. In der Praxis zeigt sich jedoch, dass den Junioren ein persönlicher Anreiz geboten werden muss, um sie nachhaltig und erfolgreich in ehrenamtliche Aufgaben einbinden zu können.
Die Auseinandersetzung der Junioren mit den ehrenamtlichen Arbeitsfeldern hat gezeigt, dass die Aufgaben als Obermeister, Lehrlingswart oder Pressesprecher oft nicht klar definiert sind und es hin und wieder an dem notwendigen Rüstzeug fehlt. Neben der praktischen Einbindung der Junioren brachte insbesondere der informelle Austausch zwischen den ‚Jung-Ehrenamtlern‘ im Rahmen der Akademie derartige Defizite zutage und ermöglichte deren Behebung.
Als Ergebnis gibt der Zentralverband Deutsches Kfz-Gewerbe gemeinsam mit dem Landesverband Schleswig-Holstein das Buch „jung + engagiert – erfolgreiche Vorstandsarbeit in der Organisation des Kfz-Gewerbes“ heraus und zeigt damit auch, dass die ‚Expertise der Jugend‘ wertvoll und anerkannt ist.
Nicht nur die Außenwirkung steht für den Erfolg, Ehrenamtliche stärker einzubinden, auch lebt ein solches Projekt vom Engagement der Mitarbeiter in den Geschäftsstellen. Die Mitarbeiter haben einen hohen Anspruch an die professionelle Arbeit und eine hohe Beziehungs-orientierung bei der Umsetzung der Ziele. Nicht zuletzt deswegen ist die alljährliche Akademie so gut angenommen und in das gesamte Verbandsgeschehen eingebunden.