Im Januar 2004 hat das Bundesfinanzministerium den schon lange erwarteten Richtlinienentwurf (KStR 2003) vorgelegt, der die veralteten Körperschaftsteuer-Richtlinien 1995 ablösen soll (siehe VR Ausgabe 02/2004, Seite 56).
Die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V. (DGVM) hat die Möglichkeit wahrgenommen, zu diesem Entwurf aus Sicht der Berufsverbände kritisch Stellung zu nehmen. In ihrer Eingabe vom 2.3.2004 hat die DGVM sich auf die Regelungsbereiche beschränkt, die unmittelbar die Belange von Berufsverbänden tangieren. Im Zentrum steht dabei die Richtlinienregelung R 16, die den einschlägig bekannten Abschnitt 8 der bisherigen KStR 1995 ablösen soll. Im Gegensatz zu den bisherigen Richtlinien wird die Neufassung in einen Regelungsteil (R) und einen Hinweisteil (H) unterteilt. Letzterer enthält Hinweise auf Urteile des Bundesfinanzhofs, die die Finanzverwaltung für bedeutsam hält und daher den Finanzämtern verbindlich zur Befolgung vorschreibt. Zu der Richtlinienregelung R 16 gehört nunmehr also der Hinweisteil H 16. Beide Teile sind immer im Zusammenhang zu lesen, was die Verständlichkeit der neuen Richtlinien nicht eben erleichtert
Die DGVM hat bei der Prüfung des Entwurfs neben einigen erfreulichen Neuerungen (insbesondere der Regelung, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb „Rechtsberatung“ bei Berufsverbänden immer mit einem Null-Ergebnis anzusetzen ist) aber auch Schattenseiten festgestellt. Sie betreffen insbesondere die für die meisten Berufsverbände wichtige Frage, in welchem Umfang sie wirtschaftliche Geschäftsbetriebe unterhalten dürfen, ohne ihren steuerbefreiten Status als Berufsverband insgesamt einzubüßen. Wünschenswert erscheint aus Sicht der DGVM insbesondere eine Aussage zu der Frage, unter welchen Umständen die Finanzverwaltung davon ausgeht, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb dem Verband insgesamt ein wirtschaftliches „Gepräge“ gibt.
Auffallend ist aus Sicht der DGVM ferner, dass hinsichtlich des Umfangs zulässiger wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe eine störende Unabgestimmtheit zwischen der Regelung in R 16 und dem hierzu gehörigen Hinweisteil H 16 besteht. In H 16 sind insbesondere zwei völlig überholte BFH-Urteile aus den Jahren 1967 und 1970 zitiert, die den Rahmen für die Zulässigkeit wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe extrem eng ziehen. Sie stehen in offenkundigem Widerspruch zu R 16 Abs. 1 des Entwurfs. Die DGVM hat das BMF deshalb aufgefordert, den Hinweis auf diese BFH-Urteile ersatzlos zu streichen.
Der Volltext der DGVM-Eingabe ist nebenstehend zur allgemeinen Information abgedruckt.
Abzuwarten bleibt, ob und in welchem Umfang die Finanzverwaltung auf die Bedenken und Anregungen der DGVM eingehen wird. Eine mündliche Verbändeanhörung wird aller Voraussicht nach nicht stattfinden. Mit der endgültigen Verabschiedung der neuen KStR 2003 ist im Sommer 2004 zu rechnen.
Entwurf einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Körperschaftsteuer / Körperschaftsteuer-Richtlinien 2003 - KStR 2003 —
Sehr geehrte Damen und Herren,
die Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement - DGVM e.V. - ist ein Verband, der sich die Wahrung der allgemeinen Belange des Verbandswesens in Deutschland zum Ziel gesetzt hat. Zu diesen Belangen gehört insbesondere auch das steuerliche Umfeld, in dem Berufsverbände in Deutschland tätig sind. Dies vorausgeschickt, erlauben wir uns, zu den verbandssteuerlichen Regelungen des Entwurfs wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu R 16 Absatz 1 Satz 5:
Wir begrüßen, dass nunmehr die Richtlinien ganz allgemein klarstellen, dass die bloße Erwähnung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes in der Satzung die Steuerbefreiung eines Berufsverbandes nicht gefährdet. Die zeitweilig von einigen Länderfinanzverwaltungen vertretene gegenteilige Auffassung wurde zwar dem Vernehmen nach zwischenzeitlich nicht mehr aufrechterhalten, doch ist diese Änderung in der Praxis nicht allen Finanzämtern bekannt geworden. Die Aufnahme des neuen Satzes 5 dient daher der nötigen bundeseinheitlichen Rechtsanwendung.
2. Zu R 16 Absatz 1 Satz 6:
Nach diesem neu eingefügten Satz ist die Steuerbefreiung eines Berufsverbandes "gefährdet", wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Geschäftsführung die wirtschaftliche Tätigkeit dem Verband das Gepräge gibt.
Diese vorgesehene Regelung veranlasst uns zu folgenden Anregungen:
a. Begriff der Gefährdung
Aus dem Wortlaut "ist ... gefährdet" schließen wir, dass Fälle denkbar sind, in denen - trotz eines wirtschaftlichen Gepräges - die Steuerbefreiung des Berufsverbandes als solche bestehen bleibt. Gegenüber der bisherigen engeren Fassung der KStR (A. 8 Abs. 1 Satz 8 KStR 1995) sehen wir darin eine begrüßenswerte Flexibilisierung.
Nach der vorgesehenen Neufassung soll den Finanzämtern offenbar ein gewisser Beurteilungsspielraum hinsichtlich der Frage eingeräumt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein wirtschaftliches Gepräge die Steuerbefreiung des Verbandes als solche nicht beeinträchtigt. Dabei werden die Maßstäbe, anhand derer dieser Beurteilungsspielraum durch die Finanzämter ausgefüllt werden soll, jedoch nicht erläutert. Angesichts dieses Mangels befürchten wir, dass die Finanzämter in der Praxis bei der Zu- oder Aberkennung der Steuerbefreiung bundesweit uneinheitlich verfahren werden. Wir würden daher eine Präzisierung der Voraussetzungen begrüßen, unter denen - trotz wirtschaftlicher Prägung der Verbandstätigkeit - die Steuerbefreiung des Verbandes im übrigen gewährleistet bleibt.
b. Begriff des Gepräges
In der Praxis bereitet die Konkretisierung des in diesem Zusammenhang gebrauchten Begriffs "Gepräge" erhebliche Schwierigkeiten bei der Beurteilung gegebener Sachverhalte.
Dabei begegnet bereits der gedankliche Ansatz, dass eine wirtschaftliche Betätigung unter bestimmten Umständen zum Totalverlust der Steuerbefreiung nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 KStG führen kann, systematischen Zweifeln. Das KStG selbst sieht eine solche Rechtsfolge nicht vor. Möglicherweise nimmt die Finanzverwaltung in dieser Frage eine gedankliche Anleihe bei dem Gemeinnützigkeitsrecht, wo nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AO eine steuerbegünstigte Körperschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgen darf. Eine entsprechende Gesetzesvorschrift für Berufsverbände gibt es jedoch nicht.
Darüber hinaus hat die BFH-Rechtsprechung die Grenzen der Zulässigkeit wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe sogar bei den ansonsten starken gesetzlichen Restriktionen unterworfenen gemeinnützigen Körperschaften weit gezogen, indem sie entschied, dass eine Körperschaft nicht allein deshalb in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolge, weil sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und die unternehmerischen Aktivitäten die gemeinnützigen übersteigen (BFH, Urt. v. 15.7.1998 - I R 156/94 -, BStBl 2002 II 162).
Wir sind daher der Auffassung, dass der für das Steuerrecht der Berufsverbände gesetzlich nicht vorgesehene Begriff des "Gepräges" aus dem Richtlinienentwurf völlig entfernt werden sollte. Zumindest sollte in die Richtlinien in Anlehnung an das genannte BFH-Urteil folgende Regelung aufgenommen werden:
"Die Steuerbefreiung eines Berufsverbandes ist nicht bereits deshalb zu versagen, weil dieser einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb unterhält und die unternehmerischen Aktivitäten die typisch berufsverbandlichen Betätigungen übersteigen".
3. Zu H 16:
a. Ergänzungswunsch
Wir möchten allgemein anregen, in den Hinweisteil das BFH-Urteil vom 4.6.2003 - I R 45/02 -, BStBl 2003 II 891, aufzunehmen, weil es das aktuellste Urteil des BFH zur Definition des Begriffs "Berufsverband" darstellt. Dieses Urteil enthält darüber hinaus die allgemein wichtige Aussage, dass die Wahrnehmung von Allgemeininteressen in einem eng begrenzten Bereich ausreicht.
b. Streichungswunsch
Es wird gebeten, den Hinweis auf die am Ende des H 16 genannten veralteten BFH-Urteile (unter der Überschrift: Verlust der Steuerfreiheit) zu streichen. Diese Urteile sind zu einer überholten Gesetzesfassung des KStG ergangen, stehen im Widerspruch zu R 16 Abs. 1 Satz 6 des Entwurfs und sind geeignet, in der Praxis nur Verwirrung zu stiften.
Die BFH-Urteile in BStBl 1968 II 236 und 1970 II 528 beziehen sich auf eine veraltete Gesetzesfassung, in der die Steuerbefreiung für Berufsverbände wie folgt geregelt war (vgl. BGBl I 1975, 1935):
"Von der Körperschaftsteuer sind befreit ...
8. Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist. Unterhalten sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, der dem Verbandszweck dient, so sind sie insoweit steuerpflichtig. Dient ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht dem Verbandszweck, so ist der Berufsverband steuerpflichtig."
Die Unterscheidung in wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die dem Verbandszweck dienen/nicht dienen, ist durch die heutige Gesetzesfassung obsolet geworden. Die genannten Urteile sind daher unter dem aktuellen Rechtszustand gegenstandslos.
5. Zu R 44 Absatz 6:
Wir begrüßen ausdrücklich die neue Regelung, derzufolge das steuerliche Ergebnis aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb "Rechtsberatung" bei Berufsverbänden mit Null Euro anzusetzen ist. Dies deckt sich mit unserer praktischen Erfahrung. Entsprechendes gilt aber auch für andere Beratungsfelder, insbesondere die technische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Beratung. Wir regen daher an, die Regelung des Absatzes 6 auch auf die von Berufsverbänden ausgeübte technische, wirtschaftliche und wissenschaftliche Beratung auszudehnen. Wir sehen nämlich keinen sachlichen Grund, der eine Beschränkung auf die rechtliche Beratung rechtfertigen könnte.
Für eine Berücksichtigung unserer Anregungen wären wir dankbar. Zu weitergehenden Erläuterungen sind wir, sofern gewünscht, jederzeit gerne bereit.
Freundliche Grüße
Deutsche Gesellschaft für Verbandsmanagement e.V.
Rechtsanwalt Dr. Winfried Eggers
Mitglied des Vorstandes der DGVM