Verbändereport AUSGABE 3 / 2011

Lobbyismus allein reicht nicht

Eine Gesprächsreihe mit Experten: Albrecht von der Hagen, ASU

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Seit Gründung der Verbände weiß man: Wer beachtet werden will, muss über die Bande der Öffentlichkeit spielen. Lobbyismus allein reicht nicht. Was immer wieder auf den Prüfstand gehört, sind die Methoden der Kommunikation. Wie können Verbände im Kampf um Aufmerksamkeit besser punkten? Diese Frage stand im Zentrum eines Interviews mit Albrecht von der Hagen, dem Hauptgeschäftsführer des Verbandes Die Familienunternehmer – ASU. Die Fragen stellte Henning von Vieregge.

Verbändereport: Vom Kommunikationschef zum Chef, vom Verbändeverband BDI zum Personenverband DIE FAMILIENUNTERNEHMER — ASU. Da haben Sie vor zwei Jahren einen interessanten Karriereschritt gemacht. Beides sind Wirtschaftsverbände. Aber die Unterschiede sind doch beträchtlich, oder?

VON DER HAGEN: Inhaltlich vertreten Familienunternehmer ihre Positionen noch klarer, ordnungspolitisch präziser. Sehr groß ist der Unterschied aber nicht, denn im BDI-Präsidium geben Familienunternehmer den Ton an. Den Unterschied machen die Mitglieder: Beim BDI sind es die wichtigsten deutschen Branchenverbände. Die sind zu einem beträchtlichen Teil selbst in Fachverbände gegliedert — und dann kommen erst die Unternehmen. Bei DIE FAMILIENUNTERNEHMER sind die Unternehmer direkte Mitglieder — und das über alle Branchen hinweg.

VERBÄNDEREPORT: Aus der Arbeitsgemeinschaft Selbständiger Unternehmer wurden nach Amtsantritt von Präsident Patrick Adenauer DIE FAMILIENUNTERNEHMER — ASU mit verbandsungewöhnlicher Farbgebung. Wie kam es dazu?

VON DER HAGEN: Marketing-Leute sagen: Der Marktführer würde blau als Farbe bevorzugen. Herr Dr. Adenauer hat damals alles nebeneinander legen lassen, was so an großen Verbänden unterwegs ist. Unsere Präsidiumsmitglieder kamen zu dem Ergebnis, die ASU fällt unter all diesen anderen blauen Logos gar nicht auf, zumal sehr viele Verbände mit drei Buchstaben antreten. Unser Magenta ist nun ein Alleinstellungsmerkmal unter den Wirtschaftsverbänden.

VERBÄNDEREPORT: Was hat die Neupositionierung, die sich vor allem in der Namensumbenennung ausdrückt, gebracht?

VON DER HAGEN: Die Resonanz, die wir hier im politischen Berlin haben, von Politikern bis zu den Journalisten, ist phänomenal. Bei ASU musste oft erklärt werden, wen dieser Verband vertritt. Jetzt ist mit dem Verbandsnamen jedem klar, wer unsere Mitglieder sind.

VERBÄNDEREPORT: Die Umbenennung gibt es seit vier Jahren, Sie sind seit zwei Jahren Geschäftsführer. Was sind Ihre Akzente?

VON DER HAGEN: In der politischen Kommunikation braucht es, und das ist fast die Ergänzung zu dem neuen Auftritt, noch ein paar neue zusätzliche Wege. Wenn ein Thema auf die politische Agenda kommen soll, reicht es eben nicht, Vieraugengespräche zu organisieren, Dossiers zu schreiben, gute volkswirtschaftliche Argumente zu haben. Wir machen inzwischen eine sehr intensive Kampagnenarbeit. Wenn wir ein Thema auf die Agenda setzen oder setzen wollen, dann bringen wir dazu auch Unternehmer auf die Straße. Immer mit dem Ziel, dass das über die Medien zu einem politischen Ereignis aufgebaut wird.

VERBÄNDEREPORT: Wie kann man verhindern, dass ungewohnte Methoden nicht lächerlich wirken?

VON DER HAGEN: Wir kriegen natürlich niemals so viele Unternehmer auf einen Platz zu einer Demonstration wie Gewerkschaften zum 1. Mai, sondern wir werden immer nur in kleinen Zahlen antreten können. Aber nehmen wir Greenpeace: Die machen bei ihren Aktionen selten etwas mit Tausenden von Mitgliedern. Es sind eher kleine, spektakuläre Aktionen. Da haben wir uns gesagt, das können wir auch. Es kommt darauf an, symbolhafte Bilder anzubieten, die für Journalisten interessant sind, um ein Thema erklären zu können.

VERBÄNDEREPORT: Ein Beispiel?

VON DER HAGEN: Wir sind am Vorabend des 1. Mai mit Familienunternehmern vor das Brandenburger Tor gezogen, um für bessere Politik für mehr Arbeitsplätze zu werben. Wir haben riesige Stühle vor das Brandenburger Tor gestellt. Die symbolisierten unbesetzte Arbeitsplätze. An diese Stühle haben wir einige wichtige Botschaften geschrieben. Und wir haben den Pariser Platz umgetauft in „Arbeitsplatz“.

VERBÄNDEREPORT: Wie macht man einen Verband kampagnenfähig?

VON DER HAGEN: Indem man zuerst mal mit den Mitarbeitern untersucht: Was sind die Hauptbotschaften, die wir transportieren wollen? Wie ist das Zusammenspiel von Inhalten und Symbolen? Wo sind die Anlässe, zu denen man das bringen kann? Wie wirkt das auf Journalisten? Wie mobilisiert man die Mitglieder, bei so etwas mitzumachen? Wie macht man ihnen Mut, sich auf die Straße zu trauen und in das Gespräch mit den Bürgern zu gehen?

VERBÄNDEREPORT: Wer nach außen besser kommunizieren will, braucht starke interne Kommunikation, lerne ich daraus.

VON DER HAGEN: Die ist der Schlüssel zum Erfolg. Die wird durch die Architektur unseres Büros beflügelt. Wir haben ein Großraumbüro. So entstehen ganz neue Ideen über Zurufe. Bei uns gibt es keine Umlaufmappen, sondern persönliche Gespräche.

VERBÄNDEREPORT: Nehmen Sie auch externe Gesprächspartner dazu?

VON DER HAGEN: Machen wir! Als wir die ersten Kampagnen dieser Art auf die Schiene bringen wollten, haben wir uns sehr intensiv mit Experten zusammengesetzt: Wie spitzt man zu? Wie knapp muss eine Botschaft sein? Welche Art von Bildern benötigen die Medien? Mittlerweile holen wir Experten erst dazu, wenn es um die Umsetzung geht. Die Grundlinien liefern wir jetzt selber bis hin zu den Slogans.

VERBÄNDEREPORT: Wer ist in diesem Fall „wir“?

VON DER HAGEN: Wir heißt die Mitarbeiter des Verbandes. Wenn wir die Dinge so weit vorangetrieben haben, dass wir sagen, so könnte es funktionieren, dann stimme ich die Kampagne in den Führungsgremien des Verbandes ab, dann sind die Unternehmer dran. Und die geben dann aus ihrer Erfahrung, aus ihrem Gefühl für Marketing, sehr guten Input.

VERBÄNDEREPORT: Solche Gremien muss man erst einmal haben, die Ideen nicht glattbügeln wie hessische Bürgerhäuser, Durchschnittsware, wo alles Spannende weg ist.

VON DER HAGEN: Da habe ich das große Glück, dass durch die Repositionierung des Verbandes in der Mitgliedschaft insgesamt bereits Verständnis dafür herrschte, der Verband müsse anders antreten als in der Vergangenheit. Die erste Kampagne, die wir machten, wurde sehr sorgfältig betrachtet, vielleicht sogar etwas misstrauisch. Es war klar, die erste Sache musste einigermaßen erfolgreich werden, damit die Mitglieder diese Linie weiterverfolgen.

VERBÄNDEREPORT: Können Verbände von NGOs lernen?

VON DER HAGEN: Eine NGO sind wir auch. Aber viele Umwelt- oder Sozial-Lobby-Gruppen sind deutlich weiter. Das hängt auch ein bisschen an deren Strukturen. Die haben es etwas einfacher in ihrer Mitgliedschaft, solche Dinge auf den Weg zu bringen. Unternehmer wollen von Politikern im Vieraugengespräch nicht wegen ihrer Verbandskommunikation angegangen werden. Niemand möchte politischen Flurschaden.

VERBÄNDEREPORT: Das ist eine Merkwürdigkeit bei Politikern: Wenn man sie freundlich behandelt, wird man nicht beachtet. Wenn man sie unfreundlich behandelt, wird man kritisiert.

VON DER HAGEN: Wir haben deshalb das Prinzip der begrenzten Provokation.

VERBÄNDEREPORT: Wenn man den Pariser Platz in Arbeitsplatz umbe-nennt, ist das doch wahrscheinlich ein Straftatbestand?

VON DER HAGEN: In der Tat. Man darf nicht offizielle Straßenschilder austauschen. Wir haben einfach die offiziellen Schilder nachgebaut. Und das war kein Problem.

VERBÄNDEREPORT: Das ist ja das Interessante, dass sich solche Kampagnen nicht in erster Linie an das Publikum wenden, das da ist, sondern an die, die darüber berichten.

VON DER HAGEN: Man muss über Bande denken. Es geht nicht in erster Linie um die Zuschauer, die da sind. Es sind nicht einmal die Journalisten die eigentliche Zielgruppe, sondern es sind die Politiker. Die aber oft erst reagieren, wenn sie das Gefühl haben, dass eine hinreichend große Wählermenge alarmiert ist. Beispiel: Euro-Rettungsschirm. Wie verhindern wir, dass der zu weit aufgespannt wird? Da sind wir das erste Mal auf die sozialen Medien wie Facebook zugegangen, auch von NGOs lernend. Wir wollten Breitenwirkung einsetzen.

VERBÄNDEREPORT: Wie haben Sie das gemacht?

VON DER HAGEN: Wir haben elektronische Anzeigen auf wichtigen Nachrichtenportalen geschaltet. Wenn man diese Anzeigen anklickte, führte das zu einer speziellen Seite auf Facebook, wo unsere Botschaften etwas näher erläutert waren. Das führte dazu, dass wir in sehr kurzer Zeit 25.000 Besucher auf diese Seite geholt haben. Jetzt haben wir eigene Erfahrung und bauen das aus.

VERBÄNDEREPORT: Sie schaffen es auf diesem Weg, Verbandsthemen zu Themen der Bevölkerung zu machen.

VON DER HAGEN: Wir müssen zusätzlich zu den normalen volkswirtschaftlichen Argumenten den Punkt finden, bei dem ein Thema nicht nur den Unternehmer und den Fachpolitiker interessiert. Der Unternehmer, unser Mitglied, hilft uns dabei. Wenn er nämlich daran denkt, was seine Mitarbeiter bewegt, dann ist es nur noch ein ganz kleiner Schritt, unser Anliegen so aufzubohren, dass es tatsächlich für die Bürger allgemein verständlich wird und eher über den Bauch läuft als über den Kopf. Das haben wir von den NGOs gelernt. Wir müssen die Themen über den Bauch spielen, damit sie eine Breitenwirkung haben.

VERBÄNDEREPORT: Gleichwohl habe ich aber den Eindruck, wenn ich mir den Webauftritt angucke, der sehr aufgeräumt und klar ist ...

VON DER HAGEN: Da falle ich Ihnen sofort ins Wort: immer noch eine Schwachstelle und Baustelle für dieses Jahr!

VERBÄNDEREPORT: Na gut! Aber verglichen mit vielen anderen Verbänden können Sie immer noch zufrieden sein.

VON DER HAGEN: Neben Ideen kostet ein Relaunch auch Geld. Jetzt steht das Budget. Wir werden künftig auch mit Videobotschaften und Videos arbeiten.

VERBÄNDEREPORT: O.k! Dann wird der Auftritt noch besser. Mir fällt nur auf, dass Sie versuchen, den emotionalen Punkt zu finden, der anregt, weiterzulesen, aber dabei vermeiden zu platt zu sein. Ich könnte mir vorstellen, dass es Verbänden eher übel genommen wird als Parteien oder NGOs, wenn sie zu aufgeregt und konfliktorisch ihre Interessen vertreten. Kann das sein?

VON DER HAGEN: Übel genommen vielleicht nicht. Aber es macht es dann all denjenigen, mit denen wir ins Gespräch kommen wollen, zu einfach, unser Anliegen abzulehnen. Der inhaltliche Tiefgang ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass wir in den Ministerien auch wirklich ernst genommen werden.

VERBÄNDEREPORT: Traditionell spielen Meinungsumfragen eine Rolle in der Glaubwürdigkeitsdarstellung. Sind die nach wie vor wichtig?

VON DER HAGEN: Ja. Wir machen regelmäßig Umfragen unter unseren Mitgliedern. Es geht nicht nur um Konjunktur und Arbeitsplätze, es geht ganz stark um die Entwicklung am Kreditmarkt. Als das Thema Kreditklemme aktuell war, haben wir eine enorme Expertise aus der Mitgliedschaft abrufen können. Als unser Präsident bei dem großen Krisengipfel bei der Kanzlerin war, konnte er mit Fug und Recht sagen: Eine Kreditklemme ist in unserer Mitgliedschaft überhaupt nicht zu spüren. Solche Umfragen sind wichtig.

VERBÄNDEREPORT: Weil Politiker zwar die Meinung eines Präsidenten interessiert, aber wenn die unterlegt ist mit Empirie aus der Mitgliedschaft, dann hören sie aufmerksamer zu. Ebenso Journalisten. Ist das auch Ihre Erfahrung?

VON DER HAGEN: Das gilt für alle Zielgruppen. Teile der Umfrage veröffentlichen wir auch ganz regelmäßig.

VERBÄNDEREPORT: Haben Sie das alles beim BDI gelernt?

VON DER HAGEN: Sie spielen darauf an, dass ich etliche Jahre Kommunikationschef im BDI gewesen bin. Als ich mit den Kommunikationschefs der großen BDI-Mitgliedsverbände und der gro-ßen Industrieunternehmen gemeinsam die Kampagne „Deutschland - Land der Ideen“, die anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2006 startete, auf die Spur setzte, habe ich viel darüber gelernt, wie große Kampagnen funktionieren.

VERBÄNDEREPORT: Was ist vorbildlich an dieser Kampagne? VON DER HAGEN: Vor allem, dass die Politik sich mit Begeisterung draufgesetzt hat, weil die Kampagne in der Vermarktung Deutschlands nach draußen tatsächlich funktionierte. Das ist in der Tat positiv, Politik nicht nur nicht zu verschrecken, sondern manchmal eben auch Politikern die Möglichkeit zu geben, ein Thema positiv nutzen zu können.

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Autor/in

Henning von Vieregge

ist u. a. Buch- und Hörbuchautor, Blogger (www.vonvieregge.de), Lehrbeauftragter an der Universität Mainz sowie Verbändecoach. Von Vieregge war viele Jahre Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der Kommunikationsagenturen (GWA).

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