Mediation ist eine Methode zur Konfliktlösung, bei der ein neutraler Dritter als Vermittler eingeschaltet wird. Mediation ist in Deutschland noch nicht selbstverständlich, gewinnt aber auch in der Verbandsarbeit an Bedeutung. Jörg Schmitt beschreibt, wie Mediation in der verbandlichen Praxis eingesetzt werden kann.
Mediation in der verbandlichen Praxis
Ein Verband will sich auf der regionalen Messe darstellen und mit guten Aktionen Aufmerksamkeit in der Presse und Öffentlichkeit bekommen. Der fünfköpfige Vorstand, der Geschäftsführer und ehrenamtlich engagierte Mitglieder haben in der Vorbereitung zunehmend Probleme bei der Zusammenarbeit. Die Vorbereitung hat sich aufgrund wichtiger Ereignisse immer wieder verschoben oder hatte neben dem Tagesgeschäft in den letzten Monaten wenig Raum. Der Messetermin rückt nun näher und die Zeit drängt.
Der Geschäftsführer übernimmt das Messekonzept der letzten Jahre und erarbeitet einen detaillierten Maßnahmenplan. Er möchte die Sache schnell voranbringen und wichtige Aufgaben an die Mitglieder delegieren. Die Mitglieder waren mit dem letzten Messeauftritt nicht zufrieden. Sie bringen jetzt neue Ideen vor, wie sie die Verbandsarbeit an praktischen Beispielen lebendig darstellen können. Der Vorstand möchte dieses Mal professioneller erscheinen und den Messestand optisch aufwerten. Dazu hat er schon Kontakte mit einem externen Dienstleister aufgenommen. Das erste Vorbereitungstreffen mit allen Beteiligten führt zu heftigen Auseinandersetzungen:
Der Geschäftsführer möchte „mit pfiffigen Aktionen werben und keine amateurhaften Auftritte mehr“ erleben. Die Vorstandsmitglieder haben „keine Lust, jede Entscheidung über Investitionen mit den Mitgliedern auszudiskutieren“, denn das mache den Vorstand handlungsunfähig. Die Mitglieder erkennen „zentralistische Strukturen, die sich von der Ursprungsidee der Verbandspolitik entfernen“. Im Verlauf des Treffens verhärten sich die Positionen. Der Ton wird rauer und persönliche Vorwürfe fallen. Das Treffen wird ohne nennenswerte Ergebnisse abgebrochen.
Ein Vorstandsmitglied erkennt an dieser Situation grundlegende Probleme der Zusammenarbeit. Er schlägt allen Beteiligten vor, einen externen Mediator hinzuzuziehen. Beim ersten telefonischen Kontakt drängt das Vorstandsmitglied nach Lösungsvorschlägen. Der Mediator signalisiert aber, dass er nicht als Lösungsexperte agiert, sondern als Vermittler, der die Konfliktparteien darin unterstützt, den Konflikt zu klären und eigenverantwortlich eine gemeinsame Lösung zu entwickeln. Der Vorstand, der Geschäftsführer und die Mitglieder signalisieren ihre Bereitschaft, an einer Mediation teilzunehmen.
Anwendungsbereiche von Mediation
Mediation ist sowohl in persönlichen Streitfällen als auch in Gruppenkonflikten anwendbar. Weite Verbreitung hat das Mediationsverfahren bei der Regelung von Scheidungsangelegenheiten oder bei Mietkonflikten gefunden. Im öffentlichen Bereich werden vor allem Konflikte in Planungsprozessen zwischen Verwaltung, Bürgerinitiativen und Wirtschaftsverbänden lösungsorientiert mit Mediation bearbeitet. Zunehmend kommt Mediation in Unternehmen, Organisationen und Verbänden zum Einsatz, denn ungelöste Konflikte führen zu hohen Verlusten der Produktivität, Qualität, Motivation und Arbeitsbeziehung - und führen letztendlich zu höheren Kosten.
Ablauf einer Mediation
Eine konstruktive Konfliktlösung wird durch den strukturierten Ablauf der Mediation ermöglicht. Die Konfliktparteien haben Gelegenheit, ihre Sichtweise des Konfliktes darzustellen. Darüber hinaus werden die Hintergründe und Interessen hinter den oft starren Positionen heraus gearbeitet. Der Mediator hat kein Interesse an einem bestimmten Ausgang des Verfahrens und auch keine Entscheidungsbefugnis. Er schafft eine offene Atmosphäre, sichert eine gleichberechtigte Kommunikation und wahrt die Vertraulichkeit. In diesem Rahmen entwickeln die Konfliktparteien ein Verständnis und eine Akzeptanz für die Interessen des anderen. Erst danach entwickeln und verhandeln die Parteien Lösungen und treffen konkrete Vereinbarungen.
Mediation ist ein klar strukturierter Ansatz im Konfliktmanagement. Das Verfahren ist sinnvoll, wenn folgende Voraussetzungen dafür gegeben sind:
- alle Konfliktparteien in die Vermittlung miteinbezogen werden,
- es einen neutralen Mediator gibt, der von allen Beteiligten akzeptiert wird,
- eine vertrauliche Gesprächsebene gewährleistet ist,
- alle Beteiligten freiwillig teilnehmen und
- die Bereitschaft zur Einigung vorhanden ist.
Zurück zum Konflikt im Verband …
Wir erinnern uns: In der Vorbereitungstreffen gab es Krach zwischen dem Vorstand, dem Geschäftsführer und den ehrenamtlichen Mitgliedern. Schon in der nächsten Woche wird ein erster Gesprächstermin mit allen Beteiligten vereinbart. Die Anwesenheit des Mediators wirkt bereits als Katalysator in der verhärteten Kommunikation. In einem ersten dreistündigen Gespräch stellen die einzelnen Konfliktparteien ihre Sicht des Problems dar. Die Spannungs- und Konfliktfelder kommen deutlich heraus.
Der Mediator ermutigt die Beteiligten dazu, die festgefahrenen Positionen in den Hintergrund zu stellen, um sich stattdessen auf die eigenen Interessen zu konzentrieren. Im Verlauf der Mediation werden das fehlende gegenseitige Vertrauen, der mangelnde Respekt und die Wertschätzung füreinander angesprochen. Den Mitgliedern ist beim Messeauftritt zudem wichtig, dass sie aktiv an Planungs- und Entscheidungsprozessen beteiligt werden und nicht nur Ausführende sind. Auch der Geschäftsführer braucht ein Vertrauen und zwar in seine aktive Steuerungsfunktion. Er wünscht sich, dass Kritik. am Messeauftritt des letzten Jahres offen und direkt – nicht erst nach einem Jahr – angesprochen wird. Der Vorstand möchte das Image des Verbandes aufwerten und ist interessiert an einer professionellen Arbeit – auch der Ehrenamtlichen.
So gelingt es, ein direktes und konstruktives Gespräch wieder herzustellen. Darüber hinaus erkennen die Konfliktparteien, in welchen „Teufelskreis“ sich beide in ihrer Kommunikation immer wieder verstricken. Nach einem dreistündigen Gespräch ist der Konflikt zur Zufriedenheit aller geklärt, und es kommt es schließlich zu einer Übereinkunft:
Die Vorbereitung des Messeauftritts hat in den nächsten Wochen Priorität.
- Alle Beteiligten stellen sich feste Termine für die Vorbereitung ein.
- Der Mediator übernimmt für die nächsten Treffen die ziel- und ergebnisorientierte Moderation.
- Der Vorstand holt sich von drei externen Dienstleistern Angebote für eine Aufwertung des Messestandes ein. Eine Entscheidung wird gemeinsam getroffen.
- Für die Ehrenamtlichen werden im kommenden Jahr Fortbildungen angeboten, um sie im Bereich der „Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ sowie im „Projektmanagement“ zu schulen.
Warum Mediation? Weil sie einen guten Erfolg zeigt!
Das Verfahren der Mediation spart Zeit, Energie und Kosten. Es ist unbürokratisch, schnell und im Gegensatz zu juristischen Verfahren vertraulich. Mediation entwickelt tragfähige Lösungen, fördert eine verständnisvolle Kommunikation und stärkt das Vertrauen in die eigene Kompetenz zu selbständigen Entscheidungen. Sie leistet einen Beitrag zur Konfliktkultur im Verband. Und vor allem bietet die Mediation die Chance, nach einer Klärung und Vermittlung wieder konstruktiv miteinander umzugehen. Die Mediation zeigt einen neuen und erfolgreichen Weg zur Konfliktklärung im Verbandswesen. Gehen muss jeder selbst.