Verbändereport AUSGABE 7 / 2003

Musterprozess als Lobbyinstrument?

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Innovationen verändern nicht nur die Marktverhältnisse sondern haben auch immense Auswirkungen auf das Rechtsempfinden. So werden im noch relativ neuen Internet mediale Inhalte ohne Rücksicht auf den Jugendschutz oder das Urheberrecht verbreitet. Welche Handlungsmöglichkeiten hat ein Berufsverband? Welche Instrumente sind einsetzbar? Am Beispiel des Jugendschutzes im Internet werden die Reaktionen des Interessenverbandes des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V. (IVD) und sein Verfahren gegen das Internet-Auktionshaus ebay vorgestellt.

Internet: Neue Dimensionen und neue Probleme

Die Entwicklung des Internets zum Massenmedium in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre unterscheidet sich deutlich von der Einführung anderer Medien: Erstmals werden unzählige individuelle Inhalte trägerlos, also ohne Papier oder andere Datenträger, übermittelt. TV und Rundfunk, bislang die einzigen Medien mit einer trägerlosen Übermittlung, sind mit der begrenzten Anzahl von Programmen erheblich besser kontrollierbar und waren meist auf das Inland begrenzt. Das Internet kennt Ländergrenzen und nimmt somit auch keine Rücksicht auf kulturelle Gepflogenheiten.

Die neue Technik bzw. der Umgang mit ihr zeichnete sich zudem durch eine ungewohnte Überheblichkeit der Marktkräfte aus, die spätestens seit dem Zusammenbruch des "Neuen Marktes" einen Dämpfer erhalten hat. Die Internetbranche forderte und fordert auch heute noch Steuerprivilegien und die Freiheit, zu machen, „was für die Zukunft notwendig ist“. Die Politik ließ sich in der Hoffnung auf eine bessere Position in der Weltwirtschaft und neue Arbeitsplätze zumindest anfänglich recht willfährig vor den Karren dieser neuen Technologie spannen.

Es ist nicht verwunderlich, dass sich die Branchenpioniere um andere Dinge als den Jugendschutz kümmerten und Gesetzgebung und Rechtsprechung dem neuen Phänomen hinterherliefen. Einer breiteren Öffentlichkeit ist bislang kaum bewusst, dass insbesondere die Videotheken von den Folgen dieser Entwicklung stark betroffen sind, da sich ihr Geschäftsumfeld drastisch verändert hat:

Bisher gab es bewegte pornographische Bilder nur in Sex-Kinos, Porno-Shops und in Videotheken. Dort allerdings gut verschlossen vor Kindern und Jugendlichen. Indizierte Filme (1) wurden (von Kino und TV einmal abgesehen) fast nur in Erwachsenenvideotheken „gehandelt“ oder in Kaufhäusern unter der Ladentheke verkauft. Angebote verbotener Medien (2) gab es allenfalls über ausländische Versandhändler und Insiderzirkel.

Dies hat sich geändert. Mit dem Internet haben Anbieter indizierter und beschlagnahmter Medien neue Vertriebswege gefunden. Versandshops im Internet bieten diese und pornographische Produkte an jeder „Ecke“ an und in Internetauktionshäusern kann man – ein wenig Geduld vorausgesetzt - fast jeden beschlagnahmten Film finden.

Auswirkungen auf einen Berufsverband

Dem Interessenverband des Video- und Medienfachhandels in Deutschland e.V. (IVD), sind als Berufsverband der deutschen Videotheken etwa 80 % der 4.500 deutschen Videotheken angeschlossen. Bundesweit machen die Videotheken jährlich einen Umsatz von ca. 660 Mio. Euro. Die Vermietung von Filmen auf VHS-Band oder DVD ist ihr wichtigstes Geschäftsfeld.

Seit seiner Gründung Anfang der 80ziger Jahre hat der IVD in unzähligen Gesprächen, Schreiben und Artikeln die Kollegen auf die Notwendigkeit des Jugendschutzes verwiesen, sie vor Gefahren gewarnt und die Einkaufskooperationen des Marktes von einer Selbstverpflichtung überzeugt, auf den Einkauf ungeprüfter Ware zu verzichten.

Plötzlich hören die Videothekare, wenn Sie einen Film nicht an Jugendliche herausgeben wollen: "Im Internet bekomme ich doch auch alles." Nicht nur dass dem Videothekar unterstellt wird, dass er technisch nicht mehr auf der Höhe der Zeit sei, vor allem wird seine Gesetzestreue ad absurdum geführt. Filme, die er nicht führen darf werden von anderen auf scheinbar legalem Weg vertrieben. Proteste einzelner Videothekare mussten im Nichts verhallen. Hier war der IVD als Berufsverband gefordert.

Handlungsmöglichkeiten von Verbänden

Ein Verband hat verschiedene Möglichkeiten, auf eine solche Situation zu reagieren. Will er sich ohne Aktivitäten des Problems erwehren, kann er die Ungleichbehandlung akzeptieren oder das Problem herunterspielen. Aufwendiger ist die Einforderung gleicher Rechte oder gleicher Pflichten.

Herunterspielen

Die Hoffnung, dass sich das Problem von selbst löst und man deshalb besorgte Mitglieder besänftigen könne, ist unsinnig. Die Nachfrage nach jugendgefährdenden Medien lässt sich nicht leugnen und wird auch weiterhin bestehen bleiben. Es ist müßig darauf zu warten, dass die Mitbewerber bzw. ihre Verbände die Angelegenheit regeln. Sie haben das Thema Jugendschutz in der Regel vernachlässigt. Auch die schon länger bestehende Selbstkontrolle der Internetwirtschaft, die FSM, ist (noch) so gestaltet, dass sie bei wirklichen Problemen wirkungslos ist. Der Markt wird es also nicht richten.

Die Hoffnung, dass der Gesetzgeber den Markt regelt, ist erheblich berechtigter, als ein Hoffen auf die Marktkräfte. Erfahrungsgemäß dauert dies aber deutlich länger als die Geduld von Verbandsmitgliedern währt.

Ungleichbehandlung akzeptieren

Wenn sich ein Verband eines großen Marktproblems nicht annimmt, wird man - in der Regel zu Recht - an seiner Existenzberechtigung zweifeln. Ergo wäre Aufgeben ein kontinuierlicher Selbstmord eines Verbandes.

Gleiche Rechte wie andere fordern

Die Verbände der Internetindustrie fordern fast ausschließlich ein uneingeschränktes Internet. Beim Verband der Provider, Eco, rangiert Jugendschutz als Arbeitskreisthema mit der Bezeichnung "Jugendschutz/Gefahrabwehr- Haftungsfragen der ISP". Der nach eigenen Angaben größte Verband der Internetwirtschaft, der dmmv, hat sich - von der recht unwirksamen FSM [Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia Dienstanbieter] einmal abgesehen - erst im letzten Jahr mit dem Jugendmedienschutz beschäftigt. Noch Ende 2001 versprach er im Rahmen des verhandelten Staatsvertrages: „Der dmmv wird sich auch im weiteren Verfahren gegen staatliche Einflussnahmen und Regulierungen der Inhalte aussprechen.“.

Diesen Vorbildern folgend, hätte auch der IVD für die Videohändler die völlige Freigabe ihres Geschäftsbereiches fordern und sich gegen jegliche staatliche Beaufsichtigung wenden können. Damit würde der IVD sich aber gegen den Jugendschutz stellen, d.h. gegen die eigene Satzung verstoßen und jegliche Glaubwürdigkeit verlieren.

Gleiche Pflichten fordern

Bei dieser Variante müsste sich der IVD dafür einsetzen, dass der Jugendschutz auch im Internet verwirklicht wird. Angesichts internationaler Angebote und einer Rechtslage, die Internetunternehmen anscheinend bevorteilt, ein schwieriges Unterfangen mit der Gefahr, völlig zu scheitern. Aufgrund seines satzungsgemäßen Einsatzes für den Jugendschutz hat sich der Verband für die letztgenannte Variante entschieden.

Instrumente

Ein Verband hat ein bestimmtes Instrumentarium, mit dem er seine Ziele erreichen kann. Dies sind Lobbyarbeit, Öffentlichkeitsarbeit und der Rechtsweg (Strafrecht, Zivilrecht).

Die für die Lobbyarbeit benötigte Unterstützung schien nicht erreichbar. Als der IVD sich entscheiden musste, in welcher Form er gegen die Ungleichbehandlung vorgehen sollte, ging es um den Kampf einer kleinen Branche gegen eine solche mit revolutionären Zukunftsaussichten. Dementsprechend gering war auch das Interesse der Öffentlichkeit an internetkritischen Meldungen.

Deshalb beschränkte sich der IVD zuerst auf den rechtlichen Weg und bediente sich dabei zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfahren, da jede Variante unterschiedliche Vor- und Nachteile hat: Eine Strafanzeige ist für den Anzeigenden wenig arbeitsintensiv und risikolos, dafür ist er im Ergebnis aber sehr von der Arbeit der Ermittlungsbehörden abhängig, die in vielen Fällen auch noch Verschulden nachweisen müssen, aber auch bessere Ermittlungsmöglichkeiten haben. Ein zivilrechtliches Vorgehen gegen Gewerbetreibende führt meist zu recht schnellen Ergebnissen, das finanzielle Risiko trägt aber der Verband.

Ob für den Täter die strafrechtliche oder zivilrechtliche Verfolgung schwerwiegender ist, lässt sich schwer beurteilen. Das Strafrecht sieht eine Haftstrafe vor und bei Hausdurchsuchungen wird das illegale Material beschlagnahmt. Im Zivilrecht folgt die Strafe zeitnaher und die Kosten für ein Einstweiliges Verfügungsverfahren sind in den meisten Fällen nicht zu vernachlässigen. Bei Abwägung aller Faktoren bevorzugt der IVD das zivilrechtliche Verfahren.

Musterverfahren / Internetauktionen

In Anbetracht der vielfältigen Probleme (Pornographie, rechtsradikale, strafrechtlich verbotene Medien, etc.) beschränkt man sich vorwiegend auf den Kampf gegen indizierte und beschlagnahmte Filme und Spiele, die körperlich auf deutschen Internetseiten angeboten werden. Der Handel mit diesen Produkten findet insbesondere im Versandhandel und in Internetauktionshäusern statt.

Der Versandhandel ist – in der Regel mit Einstweiligen Verfügungen- recht leicht zu bekämpfen, da ein Angebot indizierter und beschlagnahmter Medien im Internet verschiedenen Regelungen des Jugendschutzes, unter anderem dem Werbeverbot, dem Verbot des Versandhandels, dem Verbot eines öffentlichen Angebotes, etc. widerspricht. Auch aus Sicht des Teledienstgesetzes (TDG) gibt es hier keine Haftungseinschränkung, da es sich in der Regel um eigene Inhalte handelt, d.h. die Inhaber der Internetseiten sind auch diejenigen, die die Ware körperlich anbieten. Keines der etwa 20 Verfahren wurde gegen den IVD entschieden.

Dagegen ist der Handel über Internetauktionshäuser nur schwer in den Griff zu bekommen. In einem Internetauktionshaus haben Verkäufer die Möglichkeit, ihre Angebote zu versteigern. Dazu gibt der Verkäufer die Daten des Produktes und den Mindestpreis in ein Formular ein. Die interessierten Kunden können es dann mit einer einfachen Suchabfrage finden und ersteigern. Sollte das Produkt einmal nicht vorrätig sein, kann bei einigen Auktionshäusern ein Suchagent beauftragt werden, eine eMail zu senden, wenn das gesuchte Produkt wieder im Angebot ist. Indizierte und beschlagnahmte Schriften werden seit Anfang 2000 in größeren Umfang in Internetauktionshäusern angeboten.

Deshalb hat der IVD im September 2000 das damalige Internetauktionshaus e-hammer wegen des Vertriebs gewaltverherrlichender und volksverhetzender Schriften abgemahnt. Noch während des Einstweiligen Verfügungsverfahrens hat sich e-hammer zum Einbau entsprechender Filter entschieden, um illegale Angebote zu verhindern. (3)

Ebenso erfolgreich – allerdings in einer Mischung aus Gerichtsverfahren und PR – gingen im Herbst 2000 zwei französische Verbände, nämlich die „Liga gegen Rassismus und Antisemitismus“ und die „Französische Vereinigung der jüdischen Studenten“ gegen yahoo vor, da französischen Bürgern auf den Internetseiten von yahoo Nazi-Devotionalien angeboten wurden.

Das Gericht war nach Anhörung mehrerer Experten überzeugt, dass es bei etwa 90% der Zugriffe auf das Internet auch möglich wäre, die Nationalität des Users festzustellen. Dementsprechend wurde yahoo dazu verurteilt, binnen 3 Monaten französischen Bürgern solche Angebote nicht mehr zugänglich zu machen. Auch durch den wachsenden öffentlichen Druck beschloss Yahoo daraufhin, Anfang Januar 2001, durch eine Filtersoftware diese Angebote generell zu unterbinden. (4)  Die Mischung von Rechtsverfahren und PR ist jedoch, wie das folgende Beispiel zeigt, kein Erfolgsgarant.

IVD ./. ebay

In Deutschland hat sich inzwischen ebay eindeutig als größtes Internetauktionshaus etabliert. Bei ersten Kontakten im Sommer 2000 behauptete ebay mit dem BKA, der FSM unter anderem in Kontakt zu stehen und nach Lösungswegen für die Problematik zu suchen. Kontrollen, insbesondere nach dem e-hammer-Verfahren zeigten, dass sich die illegalen Angebote in Grenzen hielten.

Mitte 2001 beschwerten sich IVD-Mitglieder zunehmend über indizierte und beschlagnahmte Produkte bei ebay. Die daraufhin vom IVD veranlasste Abmahnung wurde erwartungsgemäß nicht unterschrieben. In dem darauf folgenden Rechtsverfahren wurde zwar eine Einstweilige Verfügung gegen ebay erlassen, allerdings im Widerspruchsverfahren im November 2001 aufgehoben. Seitdem darf ebay mit Duldung des Landgerichtes Potsdam indizierte und beschlagnahmte Medien anbieten lassen.

Da diese Angebote auch freiwillig nicht massiv unterbunden wurden, reagierten auch andere Stelle:

Ein Bericht des ZDF-Magazins frontal21 im Januar 2002 machte den Vertrieb rechtsradikaler Schriften über ebay publik. Dieser verheimlichte jedoch, dass ebay die illegalen Angebote wider besseren Wissens seit eineinhalb Jahre zuließ und erreichte damit, dass sich ebay als Opfer darstellen konnte. Die Tagespresse nahm das Thema auf. Der Bericht führte dann zu einer kurzzeitigen Verbesserung bei der Löschung illegaler Angebote.

Ein Gespräch mit der Bundesprüfstelle im Frühjahr 2002 führte zu keinerlei Erfolg.

Fünf Tage nach Erfurt überprüfte der IVD das Angebot im Computerspielbereich noch einmal stichprobenartig und fand über 80 indizierte und 8 beschlagnahmte Video- bzw. Computerspiele.

Das Rechtsverfahren IVD . /. ebay wurde inzwischen in der Hauptsache vor dem Landgericht Potsdam verhandelt. Am 10. Oktober 2002 wies das Landgericht Potsdam (51 O 12/02) die Hauptsacheklage des IVD in einem Urteil mit erheblichen handwerklichen Mängeln zurück. Der IVD hat gegen diese Entscheidung Berufung vor dem Brandenburgischen OLG eingelegt.

Fazit

Ein Musterverfahren bindet Kräfte und birgt ein finanzielles Risiko, welches vor den Mitgliedern gerechtfertigt werden muss. Verfahren, die nur die Verbandsinteressen in den Vordergrund stellen, schädigen das Branchenimage in der Öffentlichkeit. Aussichtslose Verfahren, also der berühmte Kampf gegen Windmühlen, sind meist wenig imagefördernd, können aber bei den Mitgliedern den Eindruck erwecken, dass man zumindest alles versucht habe.

In dem beschriebenen Verfahren geht der IVD gegen einen Sachverhalt vor, der allgemein nicht für gut erachtet wird, da der Schutz der Jugend ein hohes verfassungsrechtliches Gut ist. Die Aktivitäten des IVD sind umso wichtiger, da die Internetanbieter aufgrund der geringerer Anforderungen im TDG strafrechtlich kaum angreifbar sind. Der Sachverhalt muss somit zivilrechtlich geklärt werden. Ein Weg der den Jugendschutzbehörden in der Regeln nicht möglich ist.

Alles in allem hat sich das Engagement für den IVD gelohnt:

Aus Sicht der Mitglieder geht der Verband gegen sie betreffende Ungerechtigkeiten vor. Fast alle Marktteilnehmer stehen deshalb auch weiterhin hinter ihrem Verband, der statt die wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen, sie selber in die Pflicht nimmt.

Die Presseberichterstattung ist neutral bis positiv. Der Öffentlichkeit wird das Bild vermittelt, dass sich auch Medienanbieter um den Jugendschutz kümmern.

Politiker der SPD und CDU lassen sich regelmäßig über das Verfahren informieren und unterstützen die Haltung des IVD durch eigene Erklärungen. 

Jugendschützer, die häufig von Endverbrauchern Beschwerden über den mangelnden Jugendschutz bei Internetauktionen erhalten, lassen sich regelmäßig über das Verfahren informieren, so z.B. auf der Jahrestagung der Bundesprüfstelle. Berufsbedingt hoffen sie auf ein im Sinne des Jugendschutzes günstiges Verfahrensergebnis. 

Die durch dieses Verfahren gewonnenen Kontakte im Bereich Jugendschutz wären anders kaum zu erreichen gewesen. Der IVD engagiert sich trotz des (vorläufig) verlorenen Verfahrens auch weiterhin für den Jugendschutz und stärkt somit intern und extern seine Glaubwürdigkeit.

ZUR RECHTSLAGE VON INTERNETAUKTIONEN

Unter Rechtsexperten ist es unstrittig, dass ebay verpflichtet ist, illegale Angebote zu löschen, wenn diese ebay genau benannt werden. Strittig ist, ob solche Angebote verhindert werden müssen. Dazu ist zu untersuchen, ob die illegalen Angebote als eigene Inhalte von ebay zu betrachten sind (§ 8 TDG - Teledienstegesetz) oder ob ebay von diesen Angeboten Kenntnis hat und deshalb verpflichtet ist, diese zu unterbinden (§ 11 TDG).

Zur Frage des eigenen Inhaltes

Für eigene Inhalte haftet auch der Teledienstanbieter:

„§ 8 TDG Allgemeine Grundsätze

(1) Diensteanbieter sind für eigene Informationen, die sie zur Nutzung bereithalten, nach den allgemeinen Gesetzen verantwortlich“

Zudem haftet der Anbieter, wie die Gesetzesbegründung verdeutlicht, auch für Inhalte, die er sich zu eigen macht: „Dabei gehören zu den eigenen Informationen auch Informationen Dritter, die sich der Diensteanbieter zu eigen macht.“

Ein typischer Anbieter eigener Inhalte ist der Versandhändler, der die eigene Ware auf der eigenen Internetseite anbietet. Ein typischer Anbieter fremder Informationen ist der Service Provider. Ein Service Provider stellt den Kunden auf Rechnern, die ans Internet angeschlossen sind, Platz auf der Festplatte zur Verfügung (Webspace) und sorgt dafür, dass dieser Webspace über die Internetadresse erreichbar ist. Was sich genau auf diesem Webspace befindet, weiß er in der Regel nicht.

Zur Einordnung der Tätigkeit von ebay muss genauer betrachtet werden, was ebay mit solchen Angeboten macht:

  • ebay übernimmt die Daten für die Rechnungsstellung.
  • ebay informiert u.U. Dritte über das neue Angebot.
  • ebay nimmt das Angebot so auf, dass es bei Sucheingaben leicht zu finden ist.
  • Sobald jemand an dem Angebot interessiert ist, wird es ihm unter dem ebay-Logo angeboten.
  • ebay setzt unter jedes Angebot einen Copyright-Vermerk zu Gunsten ebays.
  • ebay unterstützt den Versteigerungsprozess mit einem Bietagenten.
  • ebay informiert die Beteiligten über den Ausgang der Versteigerung.

Die gewaltigen Unterschiede zwischen Angebot und Leistung von ebay und denen eines Service Providers sind eindeutig. Unstrittig ist aber auch, dass die Produkte selber nicht von ebay verkauft werden. Es ist aber keineswegs unsinnig anzunehmen, dass sich ebay die Inhalte zur Förderung des eigenen Unternehmenszweckes zu eigen macht.

Zur Frage der Kenntnis und der daraus folgenden Haftung

In der bis Ende 2001 gültigen Fassung des TDG musste definiert werden was „Kenntnis“ im Sinne des Gesetzes ist. Der Begriff „Kenntnis“ ist in diesem Zusammenhang juristisches Neuland und hat sogar einen erfahrenen Professor dazu verführt, innerhalb eines Jahres zwei völlig unterschiedliche Rechtsansichten zum Begriff der Kenntnisnahme bei Internetauktionen zu veröffentlichen.

Mit der Neufassung des TDG wurde der Begriff der Kenntnis allerdings erweitert:

„§ 11 TDG Speicherung von Informationen

Diensteanbieter sind für fremde Informationen, die sie für einen Nutzer speichern, nicht verantwortlich, sofern

1.     sie keine Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information haben und ihnen im Falle von Schadensersatzansprüchen auch keine Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird, oder ...

Aus der Gesetzesbegründung wird deutlich, dass der Anbieter strafrechtlich nur für die Kenntnis haftet, zivilrechtlich aber auch dann, wenn Tatsachen oder Umstände bekannt sind, aus denen die rechtswidrige Handlung oder die Information offensichtlich wird.

Durch die Vielzahl der teilweise gleichen gerügten Verstöße, das Rechtverfahren und die Presseberichterstattung muss ebay das Problem hinreichend bekannt sein, so dass solche Angebote verhindert werden müssen.

Leider hat das Landgericht Potsdam in seinem Urteil die Neufassung des TDG bei der Untersuchung dieser Frage nicht berücksichtigt.

Fußnoten:
1) Medien, die von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften indiziert werden und deshalb nicht mehr öffentlich beworben werden dürfen.

2) Medien deren Vertrieb durch Gerichtsbeschluss verboten wird, z.B. wegen volksverhetzenden oder gewaltverherrlichenden Inhalten.

3) Im Rahmen des e-hammer –Verfahrens hat der IVD auch ein Vorgehen gegen die eigentlichen Verkäufer getestet. Die Erfahrungen mit der Staatsanwaltschaft bei einer Großanzeige von über 100 Fällen waren allerdings wenig ermutigend. Das zivilrechtliche Verfahren setzt Grenzen, da – zumindest theoretisch – in jedem Fall geklärt werden müsse, ob das Angebot des Verkäufers schon als gewerbsmäßiges Verkaufen oder nur als Privatverkauf zu betrachten ist. 

4) Einige Tage später wurde dann bekannt, dass Yahoo die geographische Identifizierung der User – deren Möglichkeit yahoo in dem Verfahren noch energisch bestritten hatte – nutzen wollte, um Rechte für Internet-Direktberichte von der Olympiade zu erhalten.

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Autor/in

Jörg Weinrich

ist Diplom-Ökonom, PR-Berater und Fachkraft für Datenschutz. Als Geschäftsführer des Interessenverbands des Video- und Medienfachhandels und Leiter des Arbeitskreises Rechtewahrung im Internet des Bundesverbandes der Dienstleistungswirtschaft beschäftigt er sich seit vielen Jahren mit Rechtsverletzungen im Netz und dem Lobbying.

http://www.ivd-online.de/

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