Verbände report : Herr Dr. Richmann, eins der heiß diskutierten Themen auf dem Energiemarkt ist zur Zeit das geplante neue Energiewirtschaftsgesetz (EnWG). Geht die Reise Ihrer Ansicht nach da in die richtige Richtung?
Nein! Wenn das novellierte EnWG nicht noch in entscheidenden Details verändert wird, werden wir kaum zu mehr Wettbewerb auf den Strom- und Erdgasmärkten in Deutschland kommen. Wettbewerbsfähige Energiepreise hierzulande werden dann weiter ausbleiben, und die Existenzgefährdung der noch bestehenden 660.000 Arbeitsplätze in den energieintensiven Unternehmen wird weiter zunehmen. Die im EnWG-Entwurf derzeit vorgesehene weitgehende Kostenorientierung der Preise ist Gift für den Wettbewerb.
Verbände report : Was schlagen Sie stattdessen vor?
Im Monopolbereich der Energienetze muss ein „Als-ob-Wettbewerb“ die Preiskontrollfunktion des Marktes übernehmen. Wir begrüßen daher die im EnWG vorgesehene Korrektur der Kosten und Preise durch ein Vergleichsmarktkonzept. Allerdings hängt die Wirksamkeit dieses Konzeptes von seiner konkreten Ausgestaltung ab, hier ist im EnWG noch einiges offen. Darüber hinaus ist eine Kombination des Vergleichsmarktkonzepts mit einer Anreizregulierung unverzichtbar. Nur einer Anreizregulierung, die Effizienzsteigerungen bei Errichtung und Betrieb von Netzen belohnt und Ineffizienzen bestraft, kann es gelingen, die derzeit hohen Netzpreise der Monopolunternehmen zu senken. In diesem Punkt bleibt der Gesetzentwurf viel zu vage. Nach unserer Ansicht brauchen wir dringend eine flexible und durchsetzungsfähige Regulierungsbehörde mit Gestaltungs- und Entwicklungsspielräumen. Wir brauchen ein lernendes System, um schnell, marktgerecht und bedarfsorientiert eine Entwicklung und Anpassung des EnWG-Regelwerks vorzunehmen – das können weder Gesetz- noch Verordungsgeber.
Verbände report : Ebenso umstritten ist das Erneuerbare-Energien-Gesetz...
In der Tat, und auch hier sehen wir klare Defizite. Den grundlegenden konzeptionellen Fehler sieht der VIK in der Förderung durch garantierte Festpreise nach dem Prinzip der Bedürftigkeit. Das schafft eine Dauersubventionsmentalität und Ineffizienzen. Das führt unserer Ansicht nach letztendlich dazu, dass mit den eingesetzten finanziellen Mitteln weniger Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wird, als es bei effizientem Mitteleinsatz möglich wäre. Darüber hinaus ist mittlerweile wissenschaftlich erwiesen, dass das Nebeneinander von EEG und Emissionshandel volkwirtschaftlicher und klimapolitischer Unsinn sind. Auch hieraus hat der Gesetzgeber bisher leider noch keine Konsequenzen gezogen.
Verbände report : Ihr Verband gehört zu den traditionsreichen Verbänden im Land. Skizzieren Sie bitte einmal einige Ihrer bedeutendsten Erfolge als Interessenvertretung für Ihre Branche.
Der VIK wurde 1949 als Interessenvertretung der Energiekunden und Stromeigenerzeuger gegründet. Neben unserer, den jeweiligen Fragestellungen der Zeit angepassten, Mitgliederberatung, hat der VIK sich schon sehr früh für die Öffnung des deutschen Energiemarktes eingesetzt. Natürlich war unsere Arbeit immer pragmatisch an den Erfordernissen und Möglichkeiten der jeweiligen Zeit ausgerichtet, und die Liberalisierung der Energiemärkte war viele Jahre nur ein Thema für die ferne Zukunft. Aber auch in dieser Zeit ist es gelungen Vereinbarungen – wie die „Verbändevereinbarung zur stromwirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Elektrizitätsversorgung und der industriellen Kraftwirtschaft“ – mit den Energieversorgern zu schließen, die energieintensiven Unternehmen eine Existenz in Deutschland ermöglicht haben.
Die von uns lange geforderte Öffnung des Strom- und Erdgasmarktes 1998 und 1999 hat dann im Prinzip das längst überfällige Ende des Monopolmarktes von Leitungsgebundenen Energieträgern gebracht. Leider nur im Prinzip, da sich, bedingt durch das enge Oligopol der Energieanbieter, bisher dauerhaft kein echter Wettbewerb in diesen Märkten entwickelt hat.
Verbände report : Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für die Zukunft?
Die große Herausforderung wird es sein, diesen noch fehlenden Wettbewerb bei Strom und Erdgas zu entfachen. Wir hoffen noch auf das wahrscheinlich im kommenden Jahr in Kraft tretende neue Energiewirtschaftsgesetz. Es ist – wie bereits zuvor gesagt – noch offen, wie es abschließend ausgestaltet sein wird. Die Befürchtung, dass auch mit einem neuen Energiegesetz die großen Energieunternehmen den Markt – auch bei der Preisgestaltung – beherrschen werden, ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Unsere Arbeit konzentriert sich daher derzeit darauf, ein wettbewerbsförderndes Energiegesetz für Deutschland zu erreichen. Wenn dies geschafft, ist werden wir der großen Herausforderung eines echten Wettbewerbs um Strom- und Erdgaskunden erheblich näher gekommen sein.