Verbändereport AUSGABE 2 / 2012

Redaktionsarbeit ist Teamwork

Neue Serie: die Verbandszeitschrift

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Verbandszeitschriften gehören nach wie vor als festes Kommunikationselement in die Verbändelandschaft. Nach innen sind sie Informationsquelle für Mitglieder und tragen zu deren Bindung bei. Nach außen liefern sie Fachinformationen und wirken als PR-Instrument. Doch wie jedes andere Medium muss auch die Verbandszeitschrift regelmäßig auf den Prüfstand bzw. bedarf sie einer Weiterentwicklung, beispielsweise im Hinblick auf redaktionelle Vielfalt, das Design und die Einbindung der Leserschaft. Mit diesem Beitrag starten wir eine kleine Serie rund um das Thema „Die Verbandszeitschrift heute und morgen“.

Themensuche für Verbandszeitschriften: Klare Strukturen und kreative Denkansätze

Eine Publikation lebt von ihren Themen. Das gilt für eine regionale oder überregionale Tageszeitung ebenso wie für ein politisches Wochenmagazin – oder eben für eine Verbandszeitschrift. Denn die meisten Leser entscheiden bereits nach einem schnellen Blick auf Titelseite und Inhaltsverzeichnis, ob sie sich näher mit dem Heft in ihren Händen auseinandersetzen oder es rasch wieder beiseitelegen. Dem Themenangebot sowie der damit verbundenen Themensuche und -auswahl in der Redaktionssitzung kann also gar nicht genug Bedeutung beigemessen werden. Die Themenrecherche bildet den Startschuss für eine neue Ausgabe der Zeitschrift – ganz unabhängig davon, ob sie wöchentlich, monatlich oder halbjährlich erscheint. Die Erscheinungsweise hat zwar Einfluss auf die Aktualität der Themen, nicht aber auf deren Qualität.

Gute Themenauswahl zeigt Leserschaft, dass sie verstanden wird

Entscheidend für die Themensuche sind zwei Dinge: Die Redaktion muss sich sowohl in „ihrer“ Materie auskennen als auch wissen, welche Interessen die Zielgruppe hat, was sie beschäftigt, wie sie tickt. Denn die Leser möchten sich sowohl in ihrem Magazin wiederfinden („Das hat mich schon lange interessiert. Schön, dass ich dazu weitere Infos bekomme!“) als auch ihren Horizont erweitern („Aha, das wusste ich noch gar nicht – interessant!“). Dazu bedarf es nicht zwangsläufig einer zeit- und kostenintensiven Analyse der Leserschaft. Vielmehr kann das eigene Medium genutzt werden, um Feedback oder auch Verbesserungsvorschläge zu erbitten. Ein dem Magazin beigelegter Multiple-Choice-Fragebogen ist schnell auszufüllen, zeigt den Lesern, dass ihre Meinung geschätzt wird und ein Dialog mit der Redaktion erwünscht ist. Gleiches gilt für eine Leserbefragung via Internet.

Die Redaktionssitzung

Die Redaktionssitzung dient nicht der Themensuche, sondern der Themenfindung. Hier bringt jedes Redaktionsmitglied seine bereits in groben Zügen vorrecherchierten Geschichten auf den Tisch und stellt sie zur Diskussion. Um diese nicht ausarten zu lassen, sind klare Spielregeln sinnvoll. Neben einer verbindlichen Agenda und einem vorab definierten zeitlichen Rahmen sollte feststehen, welche Ziele die Sitzung hat:

  • Eine grobe oder eine konkrete Themenfestlegung?
  • Werden auch Ideen zur Bebilderung jeder Geschichte besprochen?
  • Können schon Redakteure festgelegt werden?
  • Sollen bereits Textlängen festgehalten werden?

Grundsätzlich gilt: Je konkreter und verbindlicher das Output dieser Sitzung ist, desto effektiver lässt sich weiterarbeiten. Ein Kurzprotokoll, das im Anschluss allen Teilnehmern zugeht, vermeidet Verständigungsprobleme. Darin sollten Verantwortlichkeiten, Aufgaben und Deadlines klar festgehalten werden. Ganz gleich, ob die Texte von einer hauptamtlichen Vollzeitredaktion selbst verfasst werden, ob eine externe Agentur beauftragt oder ehrenamtliche Verbandsmitglieder die Textarbeit übernehmen: Eine Redaktion ist ein Team, das nur erfolgreich sein kann, wenn jeder Mitspieler seinen Auftrag kennt und erfüllt.

Die Basisarbeit

In annähernd jedem Bereich gibt es Themen, an denen niemand vorbeikommt. Beispielsweise wird 2012 kein Fußballmagazin ohne einen Beitrag zur Fußball-Europameisterschaft erscheinen, 2011 konnte keine Publikation aus dem Energiebereich die Ostsee-pipeline Nord Stream ignorieren. Die Basisarbeit bei der Themensuche besteht also darin, das eigene Verbandsumfeld kontinuierlich zu beobachten: Was wird derzeit diskutiert? Wie wird es hier wohl weitergehen, wie wird der Stand der Dinge in etwa am Erscheinungstermin unserer Zeitschrift sein? Welche Hintergrundinfos sind zu diesem Thema relevant und könnten die Leser interessieren? Der Unterschied zwischen einem ordentlichen und einem großartigen Verbandsmagazin ist häufig genau hier, in der Basisarbeit zu finden: Ein ordentliches Magazin liefert alle auf den ersten Blick wichtigen Informationen zu einem Thema. Eine großartige Zeitschrift riskiert den zweiten Blick über den Tellerrand hinweg: Welche Randgeschichten bietet das Thema, gibt es Figuren oder Teilaspekte, die detaillierter herausgearbeitet und beschrieben werden können? So kann ein Thema, zu dem schon fast alles gesagt ist, das aber aus Gründen der Relevanz trotzdem behandelt werden muss, ganz neu, spannend und eventuell auch „menschelnd“ aufgerollt werden.

Checkliste: Was muss bis zur Redaktionssitzung geleistet werden?

  • Kontinuierlich die Augen offen halten, um die Topthemen des Verbandsumfeldes zu kennen.
  • Wie und was haben andere Medien zu diesen Themen berichtet?
  • Welche Personen spielen bei einem bestimmten Thema eine Rolle? Wie sind diese zu erreichen? Möglicherweise Ansprechpartner bereits kontaktieren, um deren Bereitschaft zur Teilnahme abzuklopfen.
  • Aspekte rund um das Kernthema, die von Bedeutung sein könnten, recherchieren. Und sich dabei stets die Frage stellen: Warum sind diese Gesichtspunkte so wichtig?

Die Pflicht

Viele Zeitschriften haben feste Rubriken, in denen sich die Mitglieder eines Verbandes wiedersehen möchten. Ob Jubiläen und Glückwünsche oder Berichte und Service-Angebote aus regionalen Unterverbänden – diese Rubrik strotzt nicht vor Kreativität, dient jedoch der persönlichen Bindung der Verbandsmitglieder zu ihrem Magazin und zum Verband. Wichtig ist hier neben einer ansprechenden Gestaltung der meist eher kurzen Texte eine konsequente Auswahl der Informationen anhand eines transparenten und nachvollziehbaren Kriterienkatalogs. So werden Diskussionen sowohl innerhalb der Redaktion als auch mit den zuliefernden Verbandsmitgliedern vermieden.

Checkliste: Was muss bis zur Redaktionssitzung geleistet werden?

  • Sammeln, sammeln, sammeln: Ideal ist, ein E-Mail-Postfach einzurichten oder ein Stichwort für handschriftliche Zusendungen festzulegen. Damit ist sichergestellt, dass alle Zusendungen für diese Rubrik im korrekten Posteingang landen – so hat das Chaos keine Chance.
  • Streng sein: Wenige Verantwortliche (zu viele Köche ...) sollten anhand des Kriterienkatalogs eine konsequente Auswahl der Themen treffen.
  • Zeitnah nach dem Posteingang mögliche Zusatzinfos oder Bildmaterial erfragen. So kann diese Rubrik nach Möglichkeit bereits nach der ersten Redaktionssitzung weitgehend abgeschlossen und die Konzentration auf die anderen Themen gerichtet werden.

Die Kür

Hier kann sich eine Redaktion kreativ ausleben und Agenda Setting betreiben: Sie kann ein Thema auf den Plan rufen, das vorher keines war, eigene Schwerpunkte setzen, Diskussionen anstoßen. Auch hierzu ist ein umfassendes Umfeld-/Branchenwissen nötig, denn nichts ist unangenehmer, als ein bereits abgehaktes Thema als neu zu verkaufen. Das bedeutet allerdings keineswegs, dass ein „altes“ Thema hier nicht aus einer neuen Perspektive betrachtet, mit frischen Informationen versehen oder von interessanten oder gar provokanten Experten kommentiert werden kann. Die Kunst der Kür besteht nicht zwangsläufig darin, das Rad neu zu erfinden, sondern vielmehr darin, ihm einen neuen Dreh zu geben. Ein gutes Kür-Thema bietet dem Leser nicht nur einen Mehrwert: Es löst einen „Aha-Effekt“ aus (siehe roter Kasten).

Checkliste: Was muss bis zur Redaktionssitzung geleistet werden?

  • Vorbereitung einer klaren Begründung: Warum ist das Thema (nun wieder) spannend?
  • Intensive Recherche: Was wurde von wem zu dem Thema bereits berichtet und gesagt?
  • Welche Experten haben sich dazu geäußert, von wem blieb eine erwartete Stellungnahme bisher aus? Möglicherweise bereits erste Kontaktaufnahme zu den Ansprechpartnern.

Ganz gleich ob Kür, Pflicht oder Basisarbeit: Die Themensuche ist ein fortlaufender und spannender Prozess. Um dabei nicht den Überblick zu verlieren, ist es hilfreich, alle Ideen immer gleich den idealerweise im Heft vorhandenen Rubriken zuzuordnen. Denn sie bieten nicht nur dem Leser, sondern auch der Redaktion Orientierung und sollten daher keinesfalls aufgeweicht werden. Daher ist es auch hier sinnvoll, schriftlich festzulegen, welche Eigenschaften eine Rubrik hat und welche Themen hier stattfinden könnten. Für alle Mitglieder einer Redaktion gilt dann, permanent die Augen und Ohren offen zu halten, um Input zu sammeln. Gleichermaßen allerdings müssen sie auch kontinuierlich prüfen, abwägen und ausrangieren, damit ihr Pool an Themenideen nicht überläuft. 

Hinweis: Im nächsten Verbändereport geht es weiter mit dem nächsten redaktionellen Schritt: der Texterstellung. 

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Autor/in

Daniel Günther

arbeitete zunächst als freier Journalist, bevor es ihn zum Radio und später in die PR zog. Seit 2005 ist er Inhaber der Agentur DIALOG Public Relations mit Sitz in Bremen und Berlin, Verleger verschiedener Zeitschriften und seit 2009 Dozent für PR an der Universität Bremen. Die verbandliche Kommunikationswelt kennt er durch jahrelanges Engagement in verschiedenen Organisationen.

http://www.dialog-pr.de

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