Verbändereport AUSGABE 8 / 2001

Rücklagenbildung bei gemeinnützigen Verbänden - Möglichkeiten und Grenzen

Welcher Spielraum für die Bildung von Rücklagen besteht tatsächlich?

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Eine der meistgestellten Fragen bei gemeinnützigen Verbänden betrifft die Möglichkeit, Rücklagen zu bilden. Im Gegensatz zu den Berufsverbänden, bei denen mangels entgegenstehender steuerlicher Vorschriften ein weiter Spielraum für die Bildung von Rücklagen besteht, sind die Möglichkeiten bei gemeinnützigen Verbänden stark eingeschränkt.

1. Das Gebot zeitnaher Mittelverwendung: Auswirkungen auf die Rücklagenbildung

Im Gemeinnützigkeitsrecht gilt das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung. Es wird aus dem Gebot der Selbstlosigkeit (§ 55 AO) hergeleitet. Dieses Gebot wird allgemein so verstanden, dass gemeinnützige Verbände ihre Mittel zu gemeinnützigen Zwecken verwenden müssen, und zwar alsbald nach Zufluss dieser Mittel, also zeitnah. Als zeitnah gilt nach der Rechtsprechung der Steuergerichte auch noch die Verausgabung in dem gesamten Kalenderjahr, das dem Zufluss der Mittel folgt. Das bedeutet also konkret dass ein gemeinnütziger Verband beispielweise alle Mittelzuflüsse, die er im Kalenderjahr 2001 zu verzeichnen hatte, bis zum 31.12.2002 für die satzungsmäsigen gemeinnützigen Zwecke wieder ausgegeben haben muss. Verstöst er gegen dieses Gebot, droht ihm der Entzug der Gemeinnützigkeit.

Würde das Gebot der zeitnahen Mittelverwendung strikt einzuhalten sein, könnte ein gemeinnütziger Verband keine Mittel für größere Investitionen, zum Beispiel für den Bau eines Verwaltungsgebäudes, ansammeln. Dies hat auch der Gesetzgeber als unzweckmäßig anerkannt und daher in eng definiertem Rahmen einige gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung zugelassen. Es gibt daher in eingeschränktem Umfang auch bei gemeinnützigen Verbänden gewisse Möglichkeiten, Rücklagen auch über das Ende des Folgejahres hinaus, also längerfristig zu bilden. Erfreulicherweise hat der Gesetzgeber diese Möglichkeiten in den letzten Jahren erheblich ausgeweitet.

2. Die gesetzlich zugelassenen Rücklagen

Bei den gesetzlich zulässigen Rücklagen unterscheidet man zwischen

  • gebundenen Rücklagen allgemeiner Art,
  • gebundene Rücklagen in Gestalt von,
  • Kapitalbeteiligungsrücklagen,
  • freien Rücklagen.

a) Gebundene Rücklagen allgemeiner Art

Gebundene Rücklagen (§ 58 Nr. 6 AO) waren schon immer zulässig. Danach wird es als steuerlich zulässig angesehen, wenn ein gemeinnütziger Verband seine Mittel ganz oder teilweise einer Rücklage zuführt, soweit dies erforderlich ist, um seine steuerbegünstigten gemeinnützigen Zwecke nachhaltig erfüllen zu können. Bei den Mitteln, die einer gebundenen Rücklage zugeführt werden können, kann es sich sowohl um Mitgliedsbeiträge als auch steuerbegünstigt zugeflossene Spenden handeln.

Voraussetzung ist jedoch, dass diese Mittel für eine bestimmte Maßnahme angesammelt werden. Für die Durchführung dieser konkreten Maßnahme muss der Verband allerdings konkrete Zeitvorstellungen haben. Es würde also nicht ausreichen, für einen zunächst noch nicht konkret absehbaren Realisierungstermin bereits vorsorglich Gelder zurückzulegen. Der Wunsch nach Erzielung von Vermögenserträgen rechtfertigt ebenfalls keine Rücklagenbildung.

In der Praxis lässt sich aber feststellen, dass das zunächst so ehern dastehende Konkretisierungserfordernis doch vielfach relativiert wird. So wird im Fachschrifttum die Meinung vertreten, dass eine gebundene Rücklage auch dann zulässig ist, wenn für ein bestimmtes Vorhaben der genaue Realisierungszeitpunkt zwar noch nicht feststeht, jedoch die Durchführung in einem angemessenen Zeitraum glaubhaft und bei den gegebenen finanziellen Verhältnissen des Verbandes auch möglich ist. Das gilt grundsätzlich auch für die häufig vorkommenden sog. Spendensammelvereine. Diese dürfen die weiterzugebenden Mittel ebenfalls nur begrenzte Zeit behalten.

b) Kapitalbeteiligungsrücklagen

Kapitalbeteiligungsrücklagen (§ 58 Nr. 7 Buchst. b AO) sind eine Sonderform der gebundenen Rücklage. Diese Art der Rücklage gibt es seit 1986. Sie betrifft den Fall, dass (a) ein gemeinnütziger Verband als Gesellschafter an einer Kapitalgesellschaft beteiligt ist und (b) diese Gesellschaft eine Kapitalerhöhung vornimmt. Ohne die Möglichkeit einer Kapitalbeteiligungsrücklage wäre der Verband gehindert, an der Kapitalerhöhung teilzunehmen. Dies ginge zu Lasten seiner Beteiligungsquote. Um diesen unerwünschten Effekt zu vermeiden, wurde die Kapitalbeteiligungsrücklage geschaffen. Die Vorschrift betrifft aber nicht den Fall, dass ein gemeinnütziger Verband eine solche Beteiligung erst erwerben oder eine vorhandene Beteiligungsquote erweitern will.

Die naheliegende Frage, ob ein gemeinnütziger Verband eine solche Beteiligung überhaupt erwerben darf, wird durch § 58 Nr. 7 Buchst. b AO allerdings nicht beantwortet. Die Vorschrift unterstellt aber, dass eine solche Beteiligung für einen gemeinnützigen Verband generell zulässig sein kann.

c) Freie Rücklagen

Freie Rücklagen (§ 58 Nr. 7 Buchst. a AO) sind ebenfalls erst seit 1986 zulässig. Darunter werden Rücklagen verstanden, deren Mittel nicht für bestimmte Maßnahmen und auch nicht zeitnah zu verwenden sind. Es reicht aus, wenn diese Mittel irgendwann einmal im gemeinnützigen Bereich des Verbandes eingesetzt werden sollen. Eine solche Rücklagenbildung ist daher nicht zulässig, wenn diese Mittel in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb eingesetzt werden sollen.

Seit Anfang des Jahres 2000 ist die Bildung freier Rücklagen in weit größerem Umfang möglich als zuvor. Von den Überschüssen aus Vermögensverwaltung (also nicht aus den Einnahmen des Idealbereichs oder eines Wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs!) kann nun jährlich bis zu einem Drittel der freien Rücklage zugeführt werden. Darüber hinaus können ferner bis zu 10 Prozent der sonstigen Mittel des gemeinnützigen Verbandes der freien Rücklage zugeführt werden. Da diese Zuführungen jedes Jahr erneut zulässig sind, können auch gemeinnützige Vereine infolge dieser Summierung auf einige Sicht erhebliche freie Rücklagen bilden. Eine Nachholung für bereits abgelaufene Jahre ist allerdings nicht zulässig.

3. Sonstige Rücklagen

Neben den unter 2. genannten gesetzlichen Rücklagen lässt die Finanzverwaltung auch noch weitere Rücklagen zu. Diese betreffen jedoch nicht den Idealbereich des gemeinnützigen Verbandes, sondern (a) den Bereich der Vermögensverwaltung und (b) den Bereich des steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs. Im Falle (a) müssen die Mittel erforderlich sein, um die Kapitalanlage auf Dauer zu erhalten. Im Bereich der Vermögensverwaltung werden solche Rücklagen im allgemeinen nur geringen Umfang haben. Im Fall (b) müssen die in die sonstige Rücklage eingestellten Mittel bei vernünftiger kaufmännischer Betrachtung erforderlich sein, um den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf Dauer zu erhalten. In diesem Bereich kann u.U. erheblicher Rücklagenbedarf, zum Beispiel für betriebliche Investitionen, bestehen.

Die sonstigen Rücklagen dürfen jedoch nicht zur Finanzierung des ideellen Bereichs des Verbandes eingesetzt werden. Sie müssen aus dem Bereich der Vermögensverwaltung bzw. des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs stammen und dort auch wieder eingesetzt werden.

4. Buchmäßiger Nachweis der Rücklagen

Ein gemeinnütziger Verband kann nach den vorstehenden Ausführungen ggf. mehrere Rücklagen parallel bilden, weiterführen und ggf. auflösen. Die Voraussetzungen für die Bildung jeder einzelnen Rücklage müssen dem Finanzamt im einzelnen und gesondert nachgewiesen werden. Daher fordert die Finanzverwaltung, dass gemeinnützige Verbände alle Rücklagen in ihrer vereinsrechtlichen Jahresrechnung getrennt nach dem jeweiligen Rechtsgrund offen ausweisen. Damit soll dem Finanzamt eine leichte Kontrolle ermöglicht werden.

Soweit ein Verband keine Bilanz erstellt, kann es daher erforderlich werden, für den Zweck der Nachprüfung der Rücklagenbildung eine besondere Vermögensaufstellung zu fertigen. Eine entsprechende differenzierte Aufstellung ist auch nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs erforderlich (BFH BStBl 1979 II 496).

5. Auflösung von Rücklagen

Wurde eine Rücklage steuerlich zulässig gebildet, so führt ihre Auflösung nicht zur Gefährdung der Gemeinnützigkeit. Anders sieht es aber aus, wenn die Bildung der Rücklage steuerlich nicht zulässig war oder die Bildung (bei gebundenen Rücklagen) ursprünglich zwar rechtens war, die Rücklage aber nicht innerhalb angemessener Zeit zu dem vorgesehenen Zweck verwendet wurde. Im letzteren Fall sind jedoch steuerliche Nachteile nicht zu befürchten, wenn der gemeinnützige Verband nachweist, dass der vorgesehene Zweck - ohne eigenes Verschulden - nicht mehr realisiert werden kann.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.

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