Verbändereport AUSGABE 6 / 2004

Satzungspraktikum: Die Entlastung in Verbänden

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Zu den üblichen Regularien der Mitgliederversammlungen zählt die Entlastung von Vorstand und Geschäftsführung. Welche Voraussetzungen muss sie erfüllen und worin bestehen die Rechtswirkungen? Diesen Fragen geht der heutige Beitrag nach.

Rechtsgrundlagen

Anders als bei den handelsrechtlichen Gesellschaften ist die Entlastung in Vereinen nicht gesetzlich geregelt. Für die Handelsgesellschaften finden sich diese Vorschriften in den § 119 Abs. 1 Nr.3 Aktiengesetz, § 46 Nr. 5 GmbH-Gesetz und § 37 Abs. 2 und § 48 Abs. 1 Genossenschaftsgesetz. Die vereinsrechtliche Entlastung findet daher ihre Rechtsgrundlage in der Satzung. Satzungen können die Entlastung vorsehen, müssen es aber nicht. Bei der Prüfung der Voraussetzungen und Wirkungen der Entlastung können allerdings die genannten handelsrechtlichen Vorschriften sowie die dazu ergangene Rechtsprechung herangezogen werden.

Wirkung der Entlastung

Eine wirksame Entlastung beinhaltet den Verzicht des Verbandes und Vereins auf die Geltendmachung von Schadensersatz- und Bereicherungsansprüchen sowie auf Kündigungsrechte gegenüber den Entlasteten, soweit diese dem Entlastung erteilenden Organ bekannt waren oder bekannt sein mussten. Allerdings tritt diese Wirkung nur bei verzichtbaren Ansprüchen ein. Unverzichtbar sind beispielsweise die Ansprüche der Gläubiger wegen Insolvenzverzögerung gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 BGB, der folgenden Wortlaut hat: „Wird die Stellung des (Insolvenz-) Antrags verzögert, so sind die Vorstandsmitglieder, denen ein Verschulden zur Last fällt, den Gläubigern für den daraus entstehenden Schaden verantwortlich; sie haften als Gesamtschuldner.“

Wem kann Entlastung erteilt werden und wer kann Entlastung erteilen?

Üblicherweise wird dem Vorstand und der Geschäftsführung Entlastung erteilt. Der Verband ist aber autonom, in der Satzung auch andere Gremien zu bezeichnen, denen in der Mitgliederversammlung Entlastung erteilt werden soll. Dies kann beispielsweise eine Aufsichtrat (Verwaltungsrat) oder auch ein Verbandsausschuss sein. Desgleichen ist der Verband nicht darin beschränkt, in seiner Satzung Einzelentlastung für alle Vorstands- oder Aufsichtsratmitglieder oder Entlastung en bloc (etwa für den gesamten Vorstand) vorzusehen. Wird aus der Mitte der Versammlung Einzelentlastung beantragt, hängt die Zulässigkeit von der entsprechenden Satzungsklausel ab: Wird darin zwingend die en-bloc-Entlastung vorgeschrieben (was selten vorkommen dürfte), dann wäre der Antrag nur zulässig und begründet, wenn nachvollziehbare Gründe für eine Einzelentlastung vorliegen. Ein solcher Grund kann beispielsweise vorliegen, wenn bei einem mehrköpfigen Vorstand die Vorstandsmitglieder in unterschiedlicher Weise Verantwort für einen Vorgang tragen (so Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, Rnr. 1535a; weitergehend Lange/Weidmüller/Metz, Genossenschaftsgesetz, § 43 Rnr. 85: „Unentziehbares Mitgliedschaftsrecht, Einzelabstimmung über Entlastung zu verlangen.“)

In den meisten Fällen sieht die Satzung vor, dass für die Entlastung die Mitgliederversammlung zuständig ist. Aufgrund der Satzungsautonomie ist es aber auch möglich, die Entlastung dem Aufsichtsrat oder einem sonstigen Verbandsgremium zuzuweisen.

Voraussetzung der Entlastung

Damit die Entlastungswirkung für einen bestimmten Zeitraum eintreten kann, muss das Entlastungsorgan über die wesentlichen Fakten ins Bild gesetzt worden sein. Dies erfolgt üblicherweise durch den Geschäfts- oder Rechenschaftsbericht des Vorstandes. Ist dieser im Wesentlichen vollständig und zutreffend, dann bewirkt die daraufhin erteilte Entlastung die oben beschriebenen Forderungs- und Kündigungsverzichte. Umstände, die dem Entlastungsorgan nicht bekannt waren, werden von dem Forderungsverzicht nicht erfasst.

Abstimmverbote

Bei der Abstimmung dürfen diejenigen, denen Entlastung erteilt werden soll, nicht mitstimmen, da vereinsrechtlich niemand „Richter in eigener Sache“ sein darf. Bei en-bloc-Abstimmung über die Entlastung des Vorstandes darf also kein Vorstandsmitglied abstimmen; bei Einzelentlastung des Vorstandes darf nur das jeweiloige Mitglied nicht abstimmen.

Anfechtung der Entlastung

War die Entlastung aus formellen oder materiellen Gründen unwirksam, kann sie gerichtlich angegriffen werden. Formell ist eine Entlastung beispielsweise unwirksam, wenn sie satzungswidrig nicht in der Tagesordnung enthalten war, Materiell kann sie unwirksam sein, wenn alle für die Entlastung stimmenden Mitglieder grobe Pflichtwidrigkeiten der Entlasteten kannten und sie nur für die Entlastung stimmten, umandere Vereinsmitglieder mit dem Ausschluss von Ersatzansprüchen zu schädigen (Reichert a.a.O., Rdn. 1539). Die Klage bei dem zuständigen Landgericht richtet sich in diesen Fällen auf Feststellung der Unwirksamkeit der Entlastung; klagebefugt ist jedes Vereinsmitglied (Reichert a.a.O. Rnr. 1539 b)

Entlastungsklage

Denjenigen, denen die Entlastung satzungswidrig verweigert worden ist, steht ebenfalls eine Klagemöglichkeit zur Verfügung. Richtige Klageart ist in diesen Fällen die Verpflichtungsklage zur Abgabe einer organschaftlichen Willenserklärung gemäß § 894 ZPO (OLG Hamburg, Betriebsberater 1960:; Seite 996).

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