Anträge auf Eintragung von Satzungsänderungen werden durch die zuständigen Rechtspfleger häufiger beanstandet als gemeinhin angenommen. Das beruht meist nicht auf dem Inhalt der geänderten Satzungsklauseln, sondern auf immer wiederkehrenden Verfahrensfehlern. Das nachstehende Beispiel aus der Praxis beleuchtet einige typische Verfahrensfehler.
Die Satzung
Der Unternehmerverband vertritt Inhaber und kleinere und mittelständische Unternehmen in ganz Deutschland. Ihm gehören rund 20.000 Mitglieder an. Mitglieder des Verbandes können Einzelpersonen, Handelsgesellschaften und Verbände werden, die den Verbandszweck fördern wollen. Zur Mitgliederversammlung trifft die Verbandssatzung unter anderem die folgenden Bestimmungen:
„Die Einladung zur Mitgliederversammlung hat spätestens einen Monat vor der Versammlung zu erfolgen. Sie kann in einem Vereinsorgan, das allen Mitgliedern zugeht, veröffentlicht werden. Anträge zur Mitgliederversammlung müssen spätestens acht Tage vorher bei der Geschäftsstelle eingehen.“
„Jedes Mitglied hat eine Stimme. Mitgliedsvereine haben zwei Stimmen. Die Stimmabgabe erfolgt durch das persönliche Mitglied oder den von der juristischen Person oder dem Verein benannten Vertreter. Jedes Mitglied darf höchstens zwei weitere Mitglieder vertreten.“
Einladung und Verlauf der Mitgliederversammlung
Rechtzeitig vor Beginn der Mitgliederversammlung wird die Einladung mit vollständiger Tagesordnung an die Mitglieder versandt. Diese enthält auch den Text einer Satzungsänderung für das Wahlverfahren. Zur Tagesordnung gehen noch am Abend des letzten Tages der dafür vorgesehenen Frist Änderungs- und Ergänzungsanträge ein. Da die Versendung dieser Anträge an die Mitglieder so kurz vor der Mitgliederversammlung technisch nicht mehr möglich ist – das nächste Mitteilungsblatt erscheint erst in zwei Monaten, ein Versand kann den Zugang der Änderungsanträge nicht garantieren – beschließt der Vorstand, die Änderungs- und Ergänzungsanträge zur Satzung zu Beginn der Mitgliederversammlung an die Teilnehmer auszuhändigen.
Am Tag der Mitgliederversammlung stellt sich bei der Registrierung der Mitglieder heraus, dass
- einige Mitglieder sowohl persönlich, als auch als Vertreter einer GmbH und als Vertreter eines Vereins erscheinen. In dieser Eigenschaft haben sie von insgesamt sechs weiteren Personen jeweils zwei Vollmachten erhalten. Es stellt sich weiter heraus, dass einige Mitglieder Gäste mitgebracht haben, die dem Verband noch nicht beigetreten sind. Den Gästen werden keine Stimmkarten ausgehändigt.
- Nach Abschluss der Registrierung begrüßt der Vorsitzende die Teilnehmer und führt sofort in die Tagesordnung ein.
- Im Hinblick auf das Wahlverfahren bestimmt der Vorsitzende sodann, dass keine der anwesenden Personen mehr als fünf Stimmen auf sich vereinigen darf. Er begrün det dies damit, dass in der letzten Mitgliederversammlung unbeanstandet genauso verfahren worden sei. Nach diesem Wahlverfahren wird dann auch abgestimmt.
- Turnusmäßig stehen in der Mitgliederversammlung Vorstandswahlen an. Aus der Mitte der Versammlung werden verschiedene Personen vorgeschlagen. Diese Personen werden nach dem vom Vorsitzenden bestimmten Wahlverfahren mit teilweise knappen Mehrheiten gewählt. Später stellt sich heraus, dass ein gewähltes Vorstandsmitglied nicht anwesend war, ein anderes neu gewähltes Vorstandsmitglied zwar anwesend, jedoch nicht Mitglied des Vereins ist.
- Ein Teilnehmer der Mitgliederversammlung fechtet die Vorstandswahl an. Der Rechtspfleger verweigert die Eintragung aufgrund der Ausführungen des anfechtenden Mitglieds.
Was ist schief gelaufen?
Bei dieser Mitgliederversammlung sind eine Reihe von Verfahrensfehlern gemacht worden, die sich nach der Devise „Wo kein Kläger, da kein Richter“ bei einer harmonisch verlaufenen Mitgliederversammlung wahrscheinlich nicht ausgewirkt hätten. Es war hier jedoch damit zu rechnen, dass unzufriedene Mitglieder die Ergebnisse der Mitgliederversammlung anfechten würden. Was haben die Verantwortlichen verkehrt gemacht?
1. Die Satzungsregelung, nach der Anträge zur Mitgliederversammlung noch acht Tage vor der Versammlung gestellt werden können, schafft regelmäßig einen Anfechtungsgrund. Anträge, über die in der Mitgliederversammlung entschieden wird, müssen den Mitgliedern nämlich vor der Versammlung in der Weise bekannt gegeben werden, dass sie die Möglichkeit der Meinungsbildung haben. Bei der vorgefundenen Satzungsregelung ist dies schon technisch nicht möglich, so dass das formal von der Satzung geforderte Verfahren die Begründung der Nichtigkeit bereits in sich trägt.
Zu empfehlen ist daher eine Satz-ungsbestimmung, die Änderungs- und Ergänzungsanträge bis höchstens vier Wochen vor dem Versammlungstermin zulässt. Danach sollte eine ordnungsgemäße Bekanntgabe der Anträge ohne großen Aufwand möglich sein.
2. Auf die Eröffnung der Versammlung muss die Feststellung der ordnungsgemäß erfolgten Einladung und der Beschlussfähigkeit der Versammlung folgen. Letzteres kann auch unmittelbar vor der Abstimmung oder der Wahl erfolgen, was sich vor allem bei länger dauernden Versammlungen empfiehlt, bei denen die Zahl der tatsächlich im Versammlungsraum anwesenden Mitglieder ständig wechselt. Im Anschluss hieran ist ein Versammlungsleiter zu bestimmen, sofern er sich nicht aus der Satzung selbst ergibt. Schließlich muss noch ein Schriftleiter bestimmt werden. Widerspricht ein Teilnehmer der Bestimmung, muss abgestimmt werden. Wünscht einer der Teilnehmer geheime Wahl, muss auch insoweit geheime Wahl stattfinden.
3. Der Vorsitzende oder der Versammlungsleiter kann das Wahlverfahren nur dann bestimmen, wenn dies in der Satzung ausdrücklich vorgesehen ist. Auch dann ist es ihm jedoch verwehrt, die Stimmrechte entgegen der Satzungsregelung zu begrenzen.
Da in dem Beispielsfall eine natürliche Person sowohl als Mitglied „für sich selbst“, als auch als Vertreter einer juristischen Person oder eines Vereins kommen kann, vereint er die auf die jeweiligen Personen entfallenden Stimmrechte in seiner Person. In dem Beispiel hätte das Mitglied insgesamt zehn Stimmen (eine Stimme plus zwei Vertretungsstimmen als persönliches Mitglied, eine plus zwei Vertretungsstimmen als Vertreter der GmbH, zwei plus zwei Vertretungsstimmen als Vertreter eines Mitgliedsvereins). Die Beschränkung auf fünf Stimmen in einer Person war daher unzulässig. Da die Vorstandswahlen mit sehr knappen Mehrheiten erfolgten, kann der die Beschlüsse anfechtende Teilnehmer leicht darstellen, dass die Wahl anders ausgefallen wäre, hätte der Vorsitzende die Stimmrechte nicht beschränkt. Wahlergebnisse sind nur dann anfechtbar, wenn der Fehler beim Wahlverfahren zu einem abweichenden Ergebnis geführt hätte.
4. Ein zur Wahl vorgeschlagenes Mitglied muss nicht anwesend sein. Er muss jedoch für den Fall der Wahl seine Bereitschaft erklärt haben, das Amt, in das er gewählt worden ist, auszuüben.
5. Grundsätzlich können auch Nichtmitglieder in den Vorstand eines Verbandes gewählt werden; dies ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Satzung eine entsprechende Klausel enthält (beispielsweise in Fällen, in denen der Geschäftsführer, der nicht dem Verband angehört, Kraft Satzung zum Vorstand gehört).
Das Beispiel zeigt, wie durch Unkenntnis des Satzungsrechts nicht nur eine Mitgliederversammlung „platzen“, sondern auch das Vertrauen in den Verband nachhaltig erschüttert werden kann.