Verbändereport AUSGABE 6 / 2008

Veränderungsprojekte managen

Über Aufgaben, Rolle und Auswahl von Beratern

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Für viele Verbände ist Projektarbeit mittlerweile Alltag. Es handelt sich dabei größtenteils um Vorhaben, deren Anteil an bekannten und berechenbaren Aspekten überwiegt, wie beispielsweise bei der Planung eines Kongresses, einer Kampagne oder eines Umzuges. Die Durchführung von Veränderungsprojekten dagegen, wie beispielsweise eine neue strategische Ausrichtung oder ein Reorganisationsvorhaben, stellt auch Verbände vor besondere Herausforderungen, da offene, unbekannte und unberechenbare Determinanten vorherrschen.

Die Erfahrung in vielen Organisationen zeigt, dass die Ergebnisse vollständig in Eigenregie durchgeführter zentraler Veränderungsvorhaben die in sie gesetzten Erwartungen regelmäßig nicht erfüllen können. Eine externe Beratung soll und muss vor diesen Erfahrungen schützen und das Gelingen eines Veränderungsprojekts sicherstellen. Die Zusammenarbeit mit Beratern wird von zahlreichen Verbänden aus unterschiedlichen Gründen allerdings nach wie vor gescheut. An dieser Stelle soll ein Beitrag dazu geleistet werden, potenziellen Auftraggebern Sicherheit erstens bei der Entscheidung für oder gegen eine externe Unterstützung und zweitens bei der Auswahl eines Beraters zu bieten.

Beratung bezeichnet einen kommunikativen Austausch, der zum Ziel hat, eine Aufgabe oder ein Problem zu lösen oder sich der Lösung anzunähern. Ein Großteil von Problemen des Tagesgeschäfts wird aufgrund eigener Kompetenz der Mitarbeiter gelöst. Bei anderen Problemen werden Berufskollegen oder Bekannte um Rat gefragt, die bereits Erfahrung mit der infrage stehenden Problematik gesammelt haben. In der Tat lassen wir uns nahezu täglich extern „beraten“, um bei einem aktuellen Vorhaben oder einer bestimmten Fragestellung vorhandenes Wissen Dritter zu nutzen, Fehler oder negative Erfahrungen zu minimieren und so dem Vorhaben zu einem zügigen Abschluss und einem sicheren Erfolg zu verhelfen. Genau diese Zielstellung muss in besonderem Maß auch für ein Veränderungsvorhaben gelten, dessen Gelingen nicht selten erhebliche Relevanz für die erfolgreiche Entwicklung eines Verbandes hat.

Zielvorgabe

Das Gelingen eines Veränderungsprojektes definiert sich erstens über die Qualität der Projektergebnisse. Diesbezügliche Defizite liegen in der Regel nicht in fehlenden Fachkenntnissen einer Organisation begründet, sondern eher in einer unklaren oder ungenauen Zielstellung, einer nicht adäquaten Arbeitsweise, fehlenden Ressourcen oder unterschiedlichen Interessenlagen der Beteiligten. Eine Beratung hat die Aufgabe, alle Voraussetzungen für das Erreichen der angestrebten Qualität der Ergebnisse zu berücksichtigen bzw. sicherzustellen. Dies erfordert neben besonderen methodischen Fertigkeiten und kommunikativen Fähigkeiten Expertise im Projektmanagement. Insbesondere Kenntnisse der systemischen Projektarbeit sind unerlässlich. Eine systemische Herangehensweise stellt sicher, dass jederzeit alle Einflüsse auf die Projektarbeit berücksichtigt werden und Aus- und Wechselwirkungen beschlossener Veränderungen oder Maßnahmen auch auf Bereiche und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Blick bleiben, die vermeintlich nicht im Fokus des Projekts liegen.

Von gleicher Bedeutung für das Gelingen des Projekts ist zweitens die Akzeptanz, die sowohl für eine Veränderung an sich als auch für die erarbeiteten Ergebnisse im Verband gefunden werden muss. Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass das Projekt Chefsache ist. Ohne die aktive, fortgesetzte und plakative Unterstützung durch die Verbandsleitung wird dem Projekt seitens der Mitarbeiter nicht die nötige Relevanz zugeschrieben werden. Ferner sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter adäquat einzubinden. Denn im Rahmen eines solchen Vorhabens werden gegebenenfalls tradierte Ziel- oder Aufgabenstellungen und Arbeitsweisen hinterfragt oder neue Systemzusammenhänge geschaffen, die die Unternehmenskultur, gegebenenfalls sogar die Identität der Organisation berühren. Die erfolgreiche Implementierung einer noch so gut gemeinten, aber verordneten Entwicklung ohne die adäquate Berücksichtigung von Sichtweisen, Bedürfnissen und Wünschen aller Beteiligten ist daher zum Scheitern verurteilt.

Wesentlich für die Akzeptanz ist folglich die adäquate Gestaltung der Arbeits- und Beteiligungsprozesse. Diese zweite zentrale Aufgabe eines Beraters löst dieser insbesondere durch seine Kenntnisse und Erfahrungen des Veränderungsmanagements. Dies berücksichtigt die Tatsache, dass die Aufgabe der Projektverantwortlichen weit über das Bewältigen eines Sachproblems hinausgeht. Sie erfordert Vertrautheit mit der emotionalen Dynamik von Veränderungsprojekten und begreift die Kommunikation mit den Betroffenen als wesentlichen Teil der Aufgabenstellung.

Sofern in einem Verband Zweifel bestehen, ob Qualität und Akzeptanz der Ergebnisse eines Veränderungsprojektes auf Basis allein der eigenen Kompetenz sichergestellt werden können, kann die nachfolgende Tabelle zur Entscheidungssicherheit beitragen: Solange die dort beschriebenen Parameter die Situation in einem Verband widerspiegeln, ist die Wahrscheinlichkeit einer erfolgreichen Durchführung eines Veränderungsprojektes in Eigenregie gegeben. Je öfter die beschriebene Situation den Sachstand in der Organisation allerdings nicht beschreibt, desto nachhaltiger ist die Beauftragung eines qualifizierten Beraters für das Gelingen des Projekts zu empfehlen.

Zusammengefasst ist ein erfolgreicher Veränderungsprozess ohne externe Unterstützung umso schwerer sicherzustellen, je unklarer für den Verband Ursachen und Zielrichtung einer als notwendig erachteten Veränderung sind, je nachhaltiger das anstehende Projekt für die strategische Ausrichtung, die Strukturen und Prozesse und damit für die Identität und die Unternehmenskultur des Verbandes ist, je bedeutsamer das Vorhaben für die künftige Entwicklung oder gar die Zukunftsfähigkeit der Organisation erachtet wird und je höher die Wahrscheinlichkeit ist, dass die vorhandene Gesamtkompetenz zur Beantwortung aller mit dem Projekt verbundenen methodischen Anforderungen und inhaltlichen Gestaltungs- und Entscheidungsaspekte nicht ausreicht.

Die Rolle externer Berater

Über die grundsätzliche Rolle externer Berater und damit auch über die verbleibende Verantwortung und die Gestaltungsmöglichkeiten der beauftragenden Organisation bestehen durchaus noch Missverständnisse: Sofern es sich nicht um ein bei Verbänden kaum anzutreffendes Interimsmanagement handelt, berät ein Berater, er entscheidet nicht. Er unterstützt aufgrund seiner spezifischen Kenntnisse und Erfahrungen wesentlich den erfolgreichen Ablauf eines Projektes in einem Prozess, den der Auftraggeber bewusst eingeleitet hat oder einzuleiten gewillt ist. Der Berater nimmt eine neutrale Stellung ein und vertritt keine Spezial- oder Einzelinteressen. Ein Berater wird an keiner Stelle Entscheidungsvollmacht anstreben. Der Auftrag gebende Verband behält daher zu jedem Zeitpunkt die Entscheidungshoheit und Verantwortung über die Zielrichtung, den Verlauf und die erzielten Ergebnisse inklusive der damit einhergehenden und vom Berater aufzuzeigenden organisatorischen, personellen und finanziellen Auswirkungen.

Die Auswahl des Beraters

Der erste Schritt bei der Auswahl des Beraters wird im Verband geleistet: Die gründliche Vorbereitung des Vorhabens insbesondere mit Blick auf das Ziel der Beratung und die Einschätzung der eigenen fachlichen und technischen Ressourcen erleichtert die Suche, da deutlich wird, welche externen Kompetenzen und Erfahrungswerte besonders gefragt sind.

Für die Beratungsfelder Strategie/Unternehmensführung, Prozessmanagement und Reorganisation, Personalmanagement und Coaching, Interessenvertretung oder Marketing sollte sich der potenzielle Auftraggeber in der Folge die Frage beantworten, ob der Berater eine Branchenkenntnis für den Bereich der Verbände aufweisen sollte. Sofern das verneint wird, kann in Deutschland — als nach Großbritannien zweitgrößtem Beratermarkt in Europa — aus einer Unmenge von regionalen und überregionalen, großen und kleinen, spezialisierten und themenübergreifend arbeitenden Beratern gewählt werden. Sollte sich der Auftraggeber aus guten Gründen für einen Berater mit ausgewiesenen Kenntnissen in Bezug auf Verbände und deren Organisations- und Entscheidungsstrukturen aussprechen, reduziert sich der Kreis der potenziellen Auftragnehmer entscheidend.

Sofern interne Ausschreibungsregeln kein bestimmtes Verfahren vorgeben, kann der Auswahlprozess grundsätzlich im Rahmen einer unbeschränkten oder beschränkten (weil gezielten) Ausschreibung erfolgen. Erfahrungsgemäß spielen bei Verbänden allerdings Empfehlungen und eigene Erfahrungen eine ausschlaggebende Rolle. Für die konkrete Auswahl stehen dann Kriterien für Kopf und Bauch zur Verfügung. Und beiden Kategorien gebührt gleiche Wertschätzung. Da es sich bei den Titeln „Berater“, „Unternehmensberater“ oder „Verbandsberater“ um ungeschützte Titel mit allen Nachteilen für die Beteiligten handelt, ist zunächst die Angabe von Qualifikationen, der Berufs- und Branchenerfahrung sowie fachlicher und methodischer Expertise erheblich.

In jedem Fall ist ein ausführliches persönliches Gespräch mit dem oder den angesprochenen bzw. zur Auswahl stehenden Beratern unerlässlich. Zum einen dient es dem Auftraggeber festzustellen, ob der Berater die richtigen Fragen zum Projekt und seinen Hintergründen stellt und ob er eine klare und verständliche Sprache spricht. Vor allem aber ermöglicht es einzuschätzen, ob mit dem Berater eine vertrauensvolle Kooperation möglich sein wird. Denn Erfolgsfaktoren für die Durchführung eines Beratungsauftrages sind neben der Expertise unzweifelhaft das zugrunde liegende Vertrauen und die funktionierende „Chemie“ zwischen Verband und Berater.

Sofern das nicht zuvor erfolgt ist, sollte im Nachgang zum persönlichen Gespräch die Formulierung eines schriftlichen Angebots stehen. Dieses Angebot ist zentrale Basis (für eine gegebenenfalls vorzunehmende Entscheidung zwischen mehreren Beratern und) für eine vertragliche Vereinbarung. Inhalt eines Angebots sollten zumindest die Bausteine Aufgabenstellung und Ziel des Auftrages, Vorgehensweise und Arbeitsschritte, Honorar und Zahlungsbedingungen, Dauer der Beratung, Haftungsfragen und Regelungen zur vorzeitigen Kündigung sowie Fragen des Datenschutzes und des Urheberrechts sein.

Auf zwei mögliche Entscheidungskriterien bei der Wahl eines Beraters soll an dieser Stelle gesondert eingegangen werden: die Umsetzung von Projektergebnissen und die Kosten einer Beratung. Mit der Implementierung von in Veränderungsprojekten erarbeiteten Konzeptionen und Maßnahmen haben sich Berater lange Zeit kaum beschäftigt. Dass sich dies zunehmend ändert, bietet folgende Vorteile für den Auftraggeber: Erstens scheitern selbst die besten Projektergebnisse bei der Umsetzung in eigener Verantwortung, wenn hierfür die erforderlichen Kompetenzen fehlen. Denn auch für diesen Projektschritt gelten die gleichen, oben skizzierten fachlichen und methodischen Anforderungen. Zweitens bietet es ein Stück Sicherheit für die Beurteilung der Projektergebnisse zu wissen, der Berater hat die Aufgabe, die erarbeiteten Entwicklungsschritte auch umsetzen zu helfen.

Das Honorar von Beratern

Das Honorar von Beratern ist für viele Auftraggeber eine schwer einzuschätzende Größe. Tageshonorare der für Unternehmen tätigen Strategieberater der großen Beratungshäuser können zu Recht Kopfschütteln verursachen. Eine kompetente Beratung erfordert jedoch umfassende und fachübergreifende Kenntnisse, strategische und konzeptionelle Fähigkeiten, soziale Kompetenz, (Lebens-)Erfahrung sowie Netzwerk-Strukturen, die ansonsten im mittleren bis gehobenen Management größerer Organisationen repräsentiert sein sollten. Durchschnittliche Tagessätze erfahrener Berater bewegen sich daher bei einem angenommenen Einsatz von maximal 150 Tagen im Jahr in einem Bereich, der ein entsprechendes Jahresgehalt darstellt.

Die zweite Komponente zur Ermittlung und zum Vergleich der Beraterkosten ist die avisierte Anzahl der in Beratertagen dargestellten Dauer des Projekteinsatzes. Die Vereinbarung eines Pauschalbetrages für das gesamte Beraterhonorar ist in diesem Zusammenhang bei klar skizzierten Projektaufträgen nicht unüblich und verschafft dem Auftraggeber Budgetsicherheit.

Nicht jede bedeutsame Veränderung in einer Organisation benötigt eine externe Unterstützung. Eigene Erfahrungswerte und Kompetenzen können bei professionellem Einsatz ein entsprechendes Projekt erfolgreich gestalten. Bei tief greifenden oder umfangreichen strategischen, organisatorischen oder personellen Vorhaben allerdings stößt die verbandsinterne Expertise oftmals an ihre natürlichen Grenzen, die es im Interesse der Organisation zu erkennen gilt. In diesen Fällen ist die Unterstützung durch einen fachlich und persönlich geeigneten Berater für eine erfolgreiche Zukunft des Verbandes von zentraler Bedeutung.

 
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Autor/in

Dirk Günther

ist Geschäftsführer des Deutschen Hebammenverband e. V. Zudem berät er seit 2007 Verbände mit der Meilenstein! Beratungskanzlei.

http://www.meilenstein-beratung.de

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