Verbändereport AUSGABE 2 / 2011

Verbände entdecken die Marke

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Der Beginn der Entwicklungsgeschichte der Marke lässt sich zurückdatieren bis in die Zeit des ägyptischen Altertums, in der es bereits Eigentums-, Herkunfts- und Zunftzeichen gab, die als Vorläufer der heutigen Marke anzusehen sind. Eine systematische Markenführung ist jedoch erst mit dem Aufkommen des Marketinggedankens in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden.

Ausgangspunkt der modernen Markenführung bildeten die Märkte im Konsumgüterbereich, in denen die Marketingmethoden zunehmend verfeinert und die markenpolitischen Instrumente immer systematischer eingesetzt werden. Darauf aufbauend wurde in den letzten Jahrzehnten das Markenkonzept auch systematisch auf die Industrie- und Dienstleistungsmärkte übertragen und angepasst.

Während der Markenführung im kommerziellen Bereich somit seit Langem große Beachtung zukommt, wird im Nonprofit-Bereich — darunter fallen auch Vereine und Verbände — diese Thematik bisher eher stiefmütterlich behandelt. Die Notwendigkeit der Markenführung für Verbände ergibt sich jedoch nicht zuletzt durch die immer stärker wachsende Anzahl von nichtkommerziellen Organisationen, die um eine begrenzte Summe an öffentlichen und privaten Zuwendungen konkurrieren. Weiterhin ist es für die Akquisition und Bindung neuer Mitglieder notwendig, sich vom Wettbewerb zu differenzieren und ein eigenständiges Profil zu entwickeln.

Begriff und Ziele von Verbandsmarken

Eine Verbandsmarke kann als ein in der Psyche der Anspruchsgruppen verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Verband bzw. dessen Leistungen beschrieben werden. Die zugrunde liegende markierte Leistung muss dabei langfristig in gleichartigem Auftritt und in gleichbleibender oder verbesserter Qualität angeboten werden — eine Marke ist also ein spezifisches Leistungsversprechen.

Eine bekannte und vertraute Marke dient dem Kunden — bzw. hier: dem Mitglied — als wichtiger Indikator für die zu erwartende Leistungsqualität. Starke Verbandsmarken wirken somit als Vertrauensanker und helfen, das wahrgenommene Risiko zu reduzieren. Darüber hinaus trägt die Markierung von Angeboten aus Sicht des Verbandes zur Differenzierung gegenüber den anderen Anbietern und zur klaren Positionierung der Organisation bei. Vor dem Hintergrund, dass die Leistungen und Austauschprozesse im Verbandsbereich in der Regel komplexe Dienstleistungen darstellen, ergeben sich spezifische Problembereiche für das Markenmanagement, die im Dienstleistungsbereich generell sowie auch speziell im Verbandsbereich auftreten.

Eines der zentralen Merkmale einer Marke ist die ständig gleichbleibende oder verbesserte Qualität der markierten Leistung. Die Qualitätssicherung stellt aber bei nichtmateriellen Leistungen eine besondere Herausforderung dar. So ist es für einen Berufsverband wichtig, eine Beratungsleitung in konstanter Qualität durchzuführen. Während bei materiellen Gütern die Qualitätskonstanz durch das gleiche Herstellungsverfahren weitgehend gewährleistet werden kann, sind bei Verbänden beispielsweise lediglich Qualitätsstandards in Bezug auf die Ausbildung der Mitarbeitenden oder die Infrastruktur denkbar.

Eine weitere Schwierigkeit, die aus der Immaterialität der Verbandsleistungen resultiert, stellt die Markierung der erbrachten Dienste dar. So kann ein erfolgreiches Projekt eines Interessenverbandes nicht mit einem Markenlabel versehen werden. Demzufolge müssen alternative Markierungsobjekte gefunden werden, die für eine Kennzeichnung im physischen Sinne zur Verfügung stehen. Möglich ist die Markierung von Gebäuden oder Fahrzeugen des Verbandes sowie u. U. eine einheitliche, mit dem Markenlogo versehene Bekleidung für die Angestellten.

Insbesondere in jenen Teilbereichen des Verbandssektors, in denen eine Vielzahl von Organisationen mit ähnlichen Missionen in Konkurrenz zueinander stehen (z. B. Wohlfahrtsverbände), muss die Marke auf die Besonderheit der Leistung bzw. der Organisation aufmerksam machen. Allerdings ist gerade bei komplexen Leistungen der Mehrwert für die Anspruchsgruppen schwer in kurzer Form darstellbar. Um diesen aber dennoch möglichst eindeutig zu kommunizieren, kann das Markenmanagement auf verständliche Symbole und Zeichen zurückgreifen, wie das stilisierte Mikroskop und die DNA-Struktur des Bundesverband Deutscher Pathologen. Die Frage, ob eine einzelne oder mehrere Leistungen unter einer Marke geführt werden, nimmt eine Schlüsselposition im Rahmen der markenpolitischen Überlegungen eines Verbandes ein. Die Dachmarken- und Markenfamilienstrategie stellen zwei grundlegende markenstrategische Optionen dar.

Markenstrategien für Verbände

Bei der Dachmarkenstrategie werden sämtliche Leistungen und Produkte unter einem Markennamen zusammengefasst. Warum der Großteil der Verbände eine Dachmarkenstrategie verfolgt, lässt sich vor allem auf zwei Gründe zurückführen: Zum einen verfolgen insbesondere kleinere Verbände keine bewusste Markenstrategie und bieten demzufolge ihre Leistungen unter dem Organisationsnamen an. Zum anderen wird die Dachmarkenstrategie häufig deswegen bewusst gewählt, da sie die Einführung zusätzlicher Leistungsarten vereinfacht, sofern die Dachmarke über ausreichendes Vertrauenspotenzial verfügt (z. B. Berufsverbände, die verschiedene Beratungs- und Informationsleistungen anbieten).

Im Rahmen der Markenfamilienstrategie werden mehrere Leistungen einer Kategorie unter einer Marke geführt, wobei mehrere Markenfamilien in einem Verband nebeneinander existieren können. Eine Markenfamilienstrategie im weiteren Sinne lässt sich bei einigen Sportverbänden erkennen. So werden vom Deutschen Turner-Bund unter der Bezeichnung „Gymwelt“ diverse Fitness-, Gesundheits- und breitensportliche Angebote sowie Kampagnen integriert, während die Marke „Turnen“ vor allem leistungssportliche Aspekte des Verbandes dokumentiert. Die Markenfamilienstrategie ist eine Zwischenform zwischen der Einzel- und der Dachmarkenstrategie. Zum einen können wie bei der Dachmarkenführung die Synergiewirkungen genutzt werden, zum anderen ist eine relativ klare Markenpositionierung möglich, die als zentraler Vorteil der Einzelmarkenführung gilt.

Ausblick

Es ist zu erwarten, dass in Wissenschaft und Praxis in Zukunft eine noch intensivere Auseinandersetzung mit Fragestellungen der Verbandsmarken erfolgen wird. Verbände befinden sich zunehmend in einem verschärften Wettbewerb um knappe Ressourcen und um potenzielle Mitglieder — der Aufbau und die Pflege eines klar umrissenen Markenprofils werden zukünftig verstärkt einen Beitrag dazu leisten, sich in diesem Wettbewerb zu behaupten. Das heißt aber auch, dass sich Verbände nicht nur innengerichtet mit der Aufgabenerfüllung beschäftigen, sondern sich stärker außengerichtet mit der öffentlichen Wahrnehmung beschäftigen und Antworten auf die folgenden Fragen finden: Wie ist das Bild des Verbandes in der Öffentlichkeit? Stimmen Eigen- und Fremdbild überein? Wodurch unterscheidet sich der Verband von ähnlichen Organisationen? Wie können die Leistungen und die Zukunftsorientierung kommuniziert werden? — Alles Fragen, die von den Anspruchsgruppen und der Öffentlichkeit zunehmend eingefordert werden.

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Autor/in

Marcus Stumpf

ist Professor für Betriebswirtschaft an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management sowie Vorstandsmitglied des Deutschen Institutes für Vereine und Verbände e. V. (DIVV). Der Verbandsexperte verantwortete u. a. jahrelang als Geschäftsführer die Markenführung und Vermarktung des zweitgrößten deutschen Sportverbandes. Heute ist er zudem als geschäftsführender Gesellschafter der Verbandsberatung relatio GmbH tätig.

https://www.divv.de

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