Verbändereport AUSGABE 8 / 2011

Verbände sollten Facebook und Co. nicht ignorieren

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Vorbei sind die Zeiten, in denen Social-Media-Plattformen allein dazu dienten, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen, sich Gruppen anzuschließen, nach Tipps zu fragen und neue Trends zu erfahren. Längst sind Facebook, XING, Twitter, YouTube, Flickr und Co. auch für Verbände wichtige Kommunikationskanäle geworden – teils äußerst lukrative. Der Nutzer nimmt aktiv an der Gestaltung von Leistungen, Marken und Kommunikation teil. Dies eröffnet Verbänden neue Chancen, stellt sie aber auch vor Herausforderungen.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff Social-Media-Kommunikation? Sie vollzieht sich ausschließlich online und kennzeichnet die Kommunikation zwischen Privatpersonen, Gruppen, Unternehmen und Organisationen im Internet. Das Besondere ist die Vernetzung der Nutzer untereinander. Man „zwitschert“ privat miteinander, tauscht Erfahrungen über Produkte und Services aus, gibt seine Meinung (meistens ungefragt) kund. Und dies in einer rasanten Geschwindigkeit. Dies birgt ein enormes Potenzial, da sich durch viele positive Bewertungen ein bis dato unbekannter Hersteller, Marke oder Ähnliches innerhalb kürzester Zeit am Markt positionieren kann – oder auch die Gefahr, dass bekannte Marken durch eine negative Berichterstattung in eine gefährliche Schräglage geraten können.

Diese Kommunikation findet im Internet statt, und dazu gibt es in der Zwischenzeit eine Vielzahl von Plattformen, die in der Lage sind, Botschaften zu übermitteln. Beispiele hierfür sind Twitter, Facebook, Xing oder Wikipedia. In den letzten Jahren haben sich eine Vielzahl interessanter Formen herausgebildet, hier seien nur Weblogs, Micromedia, Wikis, Podcasts, Foren, Bewertungsportale und Bookmarks erwähnt, und es werden mit Sicherheit weitere hinzukommen. Es bilden sich also neue Formen der Kommunikation heraus, die meinungsbildend für viele Personen sind. Das Besondere ist, dass diese Social-Media-Kommunikation kaum von den Unternehmen gesteuert werden kann.

Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass laut der Studie „Social Media Governance 2011“ circa 71 Prozent der deutschen Unternehmen Social Media für ihre Unternehmenskommunikation nutzen. Eine Kurzumfrage des Salzburger Marketing-Institutes unter fünfzig deutschen Verbänden ergab jedoch eine ernüchternde Zahl von „nur“ 28 Prozent der befragten Verbände, die Social Media aktiv einsetzen. Wird diese Form der Kommunikation von den Verbänden unterschätzt oder gar ignoriert? So zeigt die Studie, dass Blogs von den meisten Verbänden nahezu ignoriert werden.

Was sind die Gründe, warum deutsche Verbände bzgl. der Nutzung der Social-Media-Kommunikation noch zurückhaltend sind? Vielfach werden Fragen bezüglich deren Nutzens aufgeworfen, wie etwa: „Bringt es uns einen Mehrwert? Die bisherige Kommunikation über Messen, Events und Mediawerbung reicht doch aus.“ Ein weiterer vielfach genannter Grund ist, dass die Nutzer und damit auch die Mitglieder die Inhalte häufig selbst generieren und damit kaum beeinflussbar sind. Ja, es ist richtig, dass damit die Verbandskommunikation nicht mehr vollständig in den Händen des Verbandes liegt. Aber steckt dahinter wirklich eine Gefahr oder vielleicht sogar eine Chance?

Zunächst zu den Risiken der Social-Media-Kommunikation: Verbände, die am Anfang der Social-Media-Kommunikation stehen, können nicht einfach nach dem Motto „Hallo, hier bin ich“ über die verschiedenen Plattformen aktiv werden. Vielmehr ist davon auszugehen, dass sich die Mitglieder, lange bevor der Verband aktiv wird, oftmals auf Facebook oder Twitter über den Verband und dessen Angebot sowie Leistungen austauschen. Es ist bei der Social-Media-Kommunikation also von zentraler Bedeutung „zuzuhören“, um zu erfahren, was über Angebote und Leistungen erzählt wird. Erst nach dieser Bestandsaufnahme ist die weitere Strategie festzulegen. Weiterhin ist es wesentlich, dass der Verband transparent, ehrlich und glaubwürdig auftritt. Dies ist insbesondere bei der Reaktion auf negative Bemerkungen von besonderer Bedeutung.

Betrachten wir nun die Chancen der Social-Media-Kommunikation: Wenn Verbände auf den Social-Media-Plattformen der Kommunikation zwischen Mitgliedern „zuhören“, erhalten sie authentische Meinungen und Erfahrungen ihrer Zielgruppen und vor allem Mitglieder sowie die Möglichkeit, dementsprechend reagieren zu können. Überdies ist die Social-Media-Kommunikation eine Möglichkeit, den eigenen Verband menschlicher zu machen. Die Verbände müssen sich nicht mehr hinter Formulierungen verstecken, sondern es können Mitarbeitende auf den Plattformen über den Verband in ihrem eigenen Namen sprechen.

Haben Verbände überhaupt eine Wahl, sich der Social-Media-Kommunikation zu entziehen? Eigentlich nicht, denn die Social-Media-Nutzer fragen sie nicht, ob sie sich über den Verband und seine Leistungen austauschen können. Vielmehr ist es von Bedeutung, dass die Verbände wissen, was über sie kommuniziert wird, und dann bleibt nur, mit den Risiken gezielt umzugehen und die vielen Chancen zu nutzen. Also: Auf zu Facebook, Twitter und Co.!

Mehr zum Thema „Social Media – Kontrollverlust oder Marketingchance? – Was Facebook & Co. wirklich leisten können“ diskutieren am 22. November an der Fachhochschule Salzburg Experten und Praktiker aus Deutschland und Österreich. Detaillierte Informationen finden Sie unter www.marketing-symposium.at.

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Autor/in

Marcus Stumpf

ist Professor für Betriebswirtschaft an der FOM Hochschule für Oekonomie & Management sowie Vorstandsmitglied des Deutschen Institutes für Vereine und Verbände e. V. (DIVV). Der Verbandsexperte verantwortete u. a. jahrelang als Geschäftsführer die Markenführung und Vermarktung des zweitgrößten deutschen Sportverbandes. Heute ist er zudem als geschäftsführender Gesellschafter der Verbandsberatung relatio GmbH tätig.

https://www.divv.de

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