Verbändereport AUSGABE 6 / 2004

Vereinsrecht des BGB: Bundesjustizministerium plant weitgehende Reform

Zulässigkeit wirtschaftlicher Betätigung von Idealvereinen soll gesetzlich geregelt werden

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Das Vereinrecht des BGB gilt weithin als veraltet. Als es vor 104 Jahren in Kraft trat, stand der Gesetzgeber den Vereinen noch mit erheblichem Misstrauen gegenüber. Dies führte zu einer engen und heutigen Wertvorstellungen nicht mehr angemessenen Gesetzesregelung. Die Rechtsprechung hatte zwar schon seit geraumer Zeit versucht, die schlimmsten Mängel zu mildern, doch fehlte es insgesamt an einer zeitgemäßen Regelung des Vereinsrechts. Deshalb war in den vergangenen Jahren häufiger der Ruf nach einer gesetzlichen Neuregelung laut geworden.

Ziel der Neuregelung des Vereinsrechts

Das Bundesjustizministerium (BMJ) verfolgt mit seinem Referentenentwurf das Ziel, das Vereinsrecht des BGB moderner zu gestalten, zu vereinfachen und den heutigen Bedürfnissen anzupassen. Seit 1900 hat sich die Tätigkeit von Vereinen grundlegend verändert. Das BMJ hat erkannt, dass heute eine wirksame Vereinsbetätigung ohne wirtschaftliche Nebentätigkeit zur Erreichung des ideellen Vereinszwecks in vielen Bereichen kaum mehr vorstellbar ist. Das geltende Vereinsrechtberücksichtigt jedoch die wichtige Frage des zulässigen Umfangs einer wirtschaftlichen Betätigung nicht. Dies führt - so das BMJ — in der Vereinspraxis und der Rechtsprechung zu schwierigen Wertungsfragen und damit verbunden zu Rechtsunsicherheiten. Der Gesetzentwurf des BMJ sieht daher Änderungen des BGB vor, die den Vereinen eine berechenbarere und zeitgemäßere Rechtsgrundlage für die Gründung und Vereinsbetätigung bieten. Für nichtrechtsfähige Vereine soll eine klare gesetzliche Rechtsgrundlage geschaffen werden.

Die wesentlichsten Neuregelungen im Überblick

Der Gesetzentwurf will folgende Kernbereiche des Vereinsrechts neu regeln:

    • Die gesetzliche Regelung über Idealvereine (§ 21 BGB) wird neu formuliert. Erstmals soll gesetzlich geregelt werden, in welchem Umfang sich Idealvereine wirtschaftlich betätigen dürfen.
    • Die gesetzliche Regelung über wirtschaftliche Vereine (§ 22 BGB) wird völlig aufgehoben. Wirtschaftliche Vereine, die auf einer spezialgesetzlichen Grundlage entstanden sind, bleiben bestehen. Dagegen sollen sich wirtschaftliche Vereine, deren Existenz allein auf § 22 BGB beruht, neu orientieren, z.B. sich nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes in eine Gesellschaft umwandeln. Hierfür soll eine Umstellungsfrist von zehn Jahren vorgesehen werden.
    • Für nichtrechtsfähige Vereine sollen die Regeln über rechtsfähige Vereine entsprechend gelten. Die Verweisung auf das Recht der bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft entfällt. Ferner soll durch eine Änderung der ZPO dafür gesorgt werden, dass auch nichtrechtsfähige Vereine vor den Gerichten aktiv klagen können.

Wirtschaftliche Betätigung von Idealvereinen

Im Mittelpunkt des Entwurfs steht eine gänzliche Neufassung des § 21 BGB. Die vorgeschlagene Neufassung ist nach der Begründung des Referentenentwurfs vor folgendem Hintergrund zu verstehen:

Das geltende Vereinsrecht enthält keine Regelung über den zulässigen Vereinszweck. Dieser kann nur mittelbar aus §§ 21, 22 BGB und Art. 9 Abs. 2 GG abgeleitet werden. Das geltende BGB grenzt lediglich den Idealverein von dem nur ausnahmsweise zulässigen wirtschaftlichen Verein ab. Die Unterscheidung richtet sich danach, ob der Zweck des Vereins auf einen nichtwirtschaftlichen oder wirtschaftlichen Zweck gerichtet ist. Näheres hierzu regelt das geltende Recht nicht.

Ebenfalls ist gegenwärtig die praktisch besonders wichtige Frage nicht gesetzlich geregelt, ob und inwieweit sich ein Idealverein unternehmerisch betätigen darf. In der Rechtsprechung war hierzu im Laufe der Jahrzehnte der Grundsatz entwickelt worden, dass ein Idealverein im Rahmen seines ideellen Hauptzwecks einen bloßen wirtschaftlichen Nebenzweck verfolgen darf (sog. Nebenzweckprivileg). In der Praxis besteht jedoch häufig Zweifel, ob im konkreten Fall das Nebenzweckprivileg (noch) greift.

Die vorgeschlagene Neufassung des §21 BGB im Wortlaut:

Errichtung des Vereins

(1) Ein Verein kann zu jedem nichtwirtschaftlichen Zweck gegründet werden. Dem steht ein eigener wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb des Vereins nicht entgegen, soweit dieser als Hilfsmittel zur Erreichung des nichtwirtschaftlichen Vereinszweck dienen und gegenüber der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung verhältnismäßig geringfügig sein soll; ein solcher Geschäftsbetrieb führt nicht zur Annahme eines nach Satz 1 unzulässigen wirtschaftlichen Zwecks.

(2) Ein Verein erlangt Rechtsfähigkeit durch Eintragung in das Vereinsregister.“

Die Neuregelung soll nun die zulässigen Vereinszwecke gesetzlich bestimmen, indem eine Gründung zu jedem nichtwirtschaftlichen Zweck zulässig ist. Dadurch soll klargestellt werden, dass das künftige Vereinsrecht des BGB die Vereinsbetätigung in möglichst großem Umfang zulassen möchte. Die einzige Einschränkung soll darin bestehen, dass Vereine keine „wirtschaftlichen Zwecke“ verfolgen dürfen. Damit soll eine eindeutige Abgrenzung zum Handels- und Gesellschaftsrecht hergestellt werden.

Die Einschränkung auf nichtwirtschaftliche Zwecke bedeutet jedoch nicht, dass sich Vereine überhaupt nicht wirtschaftlich betätigen dürfen. Die Ausübung eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs soll in begrenztem Umfang als „Hilfsmittel“ zur Verwirklichung des nichtwirtschaftlichen Zwecks zulässig sein. Diese Begrenzung soll vor allem dem Schutz der Gläubiger und Mitglieder des Vereins dienen. Ein rechtsfähiger Verein haftet nämlich als juristische Person grundsätzlich nur mit seinem Vereinsvermögen. Anders als die juristischen Personen des Handels- oder Gesellschaftsrechts ist der Verein nicht verpflichtet, Eigenkapital aufzubringen und zu erhalten. Auch gibt es im Vereinsrecht keine zwingenden Publizitäts-, Rechnungslegungs- und Prüfungspflichten, wie sie z.B. für Kapitalgesellschaften gelten. Daran will der Gesetzgeber offenbar festhalten; als Korrektiv für den Verzicht auf derartige Pflichten will er bei Vereinen daher nur eine eingeschränkte wirtschaftliche Betätigung zulassen.

Damit stellt sich die für die Praxis besonders wichtige Frage, wie weit sich ein Verein wirtschaftlich betätigen darf, ohne dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zur Annahme eines insgesamt unzulässigen wirtschaftlichen Zwecks führt. Der Entwurf lässt - so die Begründung - einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zu, sofern und soweit dieser als Hilfsmittel zur Erreichung des nichtwirtschaftlichen Vereinszwecks dienen und gegenüber der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung „geringfügig“ sein soll. Dabei soll es nicht nur auf den Zeitpunkt bei Eintragung des Vereins, sondern auch auf das tatsächliche spätere Verhalten des Vereins ankommen.

Zweifelhaft kann danach in der Praxis insbesondere das Merkmal der Geringfügigkeit sein. Man hätte diesen Begriff durch eine absolute oder relative Größe definieren können. Der Entwurf verzichtet jedoch hierauf. Nach seiner Begründung erscheint es dem BMJ nicht sachgerecht, die Grenzen der zulässigen wirtschaftlichen Betätigung durch ein quantitatives Kriterium einheitlich für alle Vereine und unabhängig von ihrer Größenordnung festzulegen. Die Grenzen sollen vielmehr anhand von qualitativen und die Vereinsgröße berücksichtigenden Merkmalen bestimmt werden. Eine solche Regelung habe außerdem den Vorteil einer höheren Flexibilität. Der Gesetzentwurf knüpft insoweit bewusst an die bisherige Rechtsprechung zum Nebenzweckprivileg an, ist aber für die Vereine insofern günstiger, als nicht mehr an dem Erfordernis festgehalten wird, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb für die effektive Verfolgung des Vereinszwecks oder für ein funktionsfähiges Vereinsleben „unentbehrlich“ sein muss.

Bei der Festlegung der Grenzen einer wirtschaftlichen Betätigung soll laut BMJ dem Umstand Rechnung getragen werden, dass heute eine wirkungsvolle Betätigung von Vereinen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens gänzlich ohne wirtschaftliche Betätigung kaum noch vorstellbar ist. Die Gesetzesbegründung nennt hier beispielhaft die Vereine im Bereich Kultur, Bildung, Wissenschaft, Sozialarbeit, Jugendarbeit oder Sport.

Durch das Tatbestandsmerkmal „Hilfsmittel“ will der Entwurf verdeutlichen, dass der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb bloße unterstützende Funktion zur Erreichung des nichtwirtschaftlichen Vereinszwecks haben darf. Eine solche Hilfsfunktion komme der wirtschaftlichen Betätigung dann nicht mehr zu, wenn die Vermögensmehrung Selbstzweck des Vereins ist oder die aus dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb erzielten geldwerten Vorteile den Vereinsmitgliedern zufließen sollen.

Funktionaler Zusammenhang zwischen wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb und Vereinszweck

Das Tatbestandsmerkmal „dienen“ soll ausdrücken, dass die wirtschaftliche Betätigung des Vereins in einem „funktionalem Zusammenhang“ zur Verfolgung des Vereinszwecks stehen muss. Ein solcher Zusammenhang - so die Begründung — sei nur dann gegeben, wenn die Vorteile der wirtschaftlichen Betätigung ausschließlich für die zweckentsprechende, also nichtwirtschaftliche, Vereinsbetätigung verwendet werden sollen. Es solle aber zulässig sein, wenn die wirtschaftliche Betätigung zur Finanzierung des ideellen Zwecks dient, ohne dass die wirtschaftliche Betätigung ihrer Art nach inhaltlich „passend“ zu dem Vereinszweck sein muss.

Umfangmäßige Begrenzung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nur zulässig ist, wenn er im Verhältnis zu der nichtwirtschaftlichen Vereinsbetätigung geringfügig ist (bzw. zum Zeitpunkt der Registereintragung: sein wird). Zu diesem für den Vereinspraktiker wichtigsten Einschränkung führt die Begründung des Gesetzentwurfs aus:

„Der zulässige Unfang der wirtschaftlichen Tätigkeit wird ... durch die Herstellung einer Relation zu seiner (Anm: des Vereins) nichtwirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt. Das zulässige Ausmaß eines Geschäftsbetriebs hängt folglich von der „Größe“ des Vereins ab und ist nicht für alle Vereine gleich. Gerade größere Vereine sind wegen ihrer hohen Mitgliederzahl oder ihrer umfangreichen ideellen Tätigkeiten auf weitergehende unternehmerische Tätigkeiten als „kleine“ Vereine angewiesen. Bei der Feststellung, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb „geringfügig“ ist, muss eine wertende Betrachtung ergeben, dass der vom Verein auszuübende Geschäftsbetrieb im Vergleich zu seinen ideellen satzungsmäßigen Aktivitäten eine geringe Bedeutung hat und der Verein durch letztere geprägt ist. Der Tatbestand wurde offen formuliert, um eine sachgerechte Berücksichtigung der Vielgestaltigkeit der Vereinstätigkeiten und der unterschiedlichen Vereinsgrößen zu gewährleisten. So kann bei kleineren Vereinen, bei denen andere aussagekräftige Kriterien fehlen, die Geringfügigkeit beispielsweise durch einen Vergleich des zeitlichen Aufwandes für die wirtschaftlichen und die ideellen Aktivitäten festgestellt werden. So dürfte der Betrieb einer Sportgaststätte in einem Sportverein als geringfügig anzusehen sein, wenn die Vereinsmitglieder zusammen genommen wesentlich weniger - in etwa 10 Prozent - Zeit für den Gaststättenbetrieb als für die „ideelle“ Tätigkeit aufwenden. Bei größeren Vereinen wird die Geringfügigkeit einer unternehmerischen Tätigkeit hingegen regelmäßig aus einer Gesamtbetrachtung zu bestimmen sein, wobei insbesondere auch das Vereinsvermögen, die Mitgliederzahl und die Einnahmen des Vereins aus Mitgliedsbeiträgen zu berücksichtigen sein dürften.“

Zulässige Alternative: Auslagerung wirtschaftlicher Betätigungen in eine Service-GmbH

Die Begründung zu dem Gesetzentwurf stellt ausdrücklich klar, dass § 21 Abs. 1 Satz 2 BGB (neu) nur die Betätigung des Vereins in seinem „eigenen“ Geschäftsbetrieb - d.h. die wirtschaftliche Tätigkeit, die durch den Verein selbst ausgeübt wird - einschränken soll.

Im geltenden Recht ist nicht gesetzlich geregelt, ob und inwieweit die unternehmerische Betätigung einer Gesellschaft, an der der Verein beteiligt ist, dem Verein als eigener Geschäftsbetrieb zuzurechnen ist. Dies betrifft insbesondere Fälle, in denen ein Verein seinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auf eine Tochtergesellschaft ausgliedert. Eine solche Verlagerung ist inzwischen - so das BMJ - in den verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen verbreitete Praxis.

Nach der Rechtsprechung des BGH ist die unternehmerische Tätigkeit einer von einem Idealverein betriebenen Kapitalgesellschaft dem Verein grundsätzlich nicht als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb im Sinne der §§ 21, 22 BGB zuzurechnen. Der Entwurf des BMJ greift diese Rechtsprechung auf, indem Absatz 1 Satz 2 ausdrücklich auf den „eigenen“ wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des Vereins abstellt. Dadurch soll nach der Begründung des Entwurfs gesetzlich klargestellt werden, dass eine gesellschaftsrechtliche Beteiligung des Vereins an einer anderen juristischen Person nicht den Einschränkungen des Satzes 2 unterliegen und somit dem Verein im Hinblick auf die Zweckzulässigkeit nicht „zuzurechnen“ sein soll. Eine Ausdehnung des Satzes 2 auf diese Fälle erscheint aus Sicht des BMJ auch aus Gründen des Gläubiger- und Mitgliederschutzes nicht geboten. Denn eine Tochtergesellschaft des Vereins unterliegt nach der Rechtsprechung des BGH als selbständige juristische Person sämtlichen Gläubigerschutzvorschriften, die mit der Rechtsform einer solchen Gesellschaft verbunden sind. Aus Sinn und Zweck des Satzes 2 folge, dass eine Beteiligung des Vereins an einer Kapitalgesellschaft erst recht nicht zur Annahme eines unzulässigen wirtschaftlichen Zwecks im Sinne des Satzes 1 führt.

Fazit und erste Bewertung

Der Gesetzentwurf ist insgesamt positiv zu werten. Er schafft Rechtsklarheit, indem er die Zulässigkeit einer wirtschaftlichen Betätigung bei Idealvereinen gesetzlich festschreibt. Dabei folgt er grundsätzlich der BGH-Rechtsprechung zum Nebentätigkeitsprivileg, ist aber insoweit - ausweislich der Gesetzesbegründung - großzügiger, als er einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb auch dann für zulässig erklärt, wenn sein Zweck allein in der Beschaffung zusätzlicher Mittel für den Verein besteht.

Sollte sich ergeben, dass ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb die kritische Größenordnung im Einzelfall zu überschreiten droht, bleibt — auch vereinsrechtlich — die Möglichkeit einer Auslagerung in eine Tochter-Kapitalgesellschaft. Deren Tätigkeit wird — so auch die Begründung des Gesetzentwurfs — dem Verein nicht als eigene Tätigkeit zugerechnet. In der Praxis dürften sich auf diese Weise alle Problemfälle befriedigend lösen lassen.

Die Abschaffung der wirtschaftlichen Vereine im Sinne des § 22 BGB hat für die Weit überwiegende Zahl der Verbände kaum praktische Bedeutung. Innerhalb der vorgesehenen großzügigen Übergangszeit von zehn Jahren sollte eine Anpassung der Rechtsform in allen Fällen möglich sein.

Nichtrechtsfähige Vereine werden gestärkt, indem ihre Rechtsstellung gesetzlich neu definiert und bestehende Rechtsunklarheiten beseitigt werden.

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Autor/in

Winfried Eggers

erlernte das „Steuerhandwerk” als Regierungsrat in der Verwaltung in NRW. Er war danach neun Jahre Finanzrichter beim Finanzgericht Köln. Bis Mitte 1998 war er in der Steuerabteilung des BDI tätig. Seither ist Dr. Eggers niedergelassener Anwalt mit dem Tätigkeitsschwerpunkt Steuerrecht für Verbände und Organisationen in Köln.