Verbändereport AUSGABE 4 / 2024

Was Verbände heute über die Kommunikationswelt von morgen wissen müssen

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Was ist Erfahrung wert, wenn sich die Kommunikationswelt grundlegend ändert? Wer seine Botschaft von morgen erfolgreich platzieren will, muss heute genau hinschauen, welche Faktoren dafür entscheidend sind. Soziale Netzwerke, Hyperindividualisierung und künstliche Intelligenz prägen die Kommunikationslandschaft – aber was bedeutet das konkret? Begleiten Sie mich auf einer spannenden Reise durch die Trends, die Sie in den kommenden Jahren nicht ignorieren können, und erfahren Sie, wie Sie mit Kreativität und Mut den Unterschied machen.


Dieser Artikel stammt aus dem Special "Verbands-Tuning"

Wenn Sie diese Zeilen lesen, nehmen Sie sich offensichtlich Zeit für einen längeren Artikel. Da kommt einiges an Inhalt auf Sie zu – Sie werden Ihre Aufmerksamkeit die nächsten drei bis fünf Minuten auf den Text richten müssen. Das zeigt, dass Sie sich mehr Konzentrationsfähigkeit zutrauen, als viele Ihrer Zeitgenossen besitzen. Lange Texte und Inhalte, die Konzentration erfordern, sind schließlich eine Art Content, die nicht ganz dem aktuellen Zeitgeist entspricht.

Damit sind wir schon beim Kern unseres Themas: Wie sieht die Zukunft der Kommunikation aus? Was ist wissenswert, wenn man zukünftig Menschen für seine Botschaften begeistern möchte?

Um diese Fragen fundiert zu beantworten, lade ich Sie ein, das Hier und Jetzt kritisch zu betrachten. Welche Entwicklungen beobachten wir bereits und was hat sich jüngst am Kommunikationssystem verändert? Diese Analyse wird uns helfen, Prognosen für die Zukunft zu entwickeln. Zudem steht ein neues, bahnbrechendes Thema in den Startlöchern – künstliche Intelligenz (KI). Sprechen wir über die Zukunft, kommen wir an KI nicht vorbei, aber dazu später mehr.

Die Revolution der sozialen Medien und ihr Einfluss auf Kommunikation

Fangen wir mit den Entwicklungen an, die wir bereits heute beobachten und die die letzten Jahre zu elementaren Veränderungen geführt haben.

Da wären zunächst die sozialen Medien: Rund 80 Prozent der Gesellschaft

nutzen sie, sei es als passive Konsumenten oder als aktive Teilnehmer durch Kommentare oder eigene Inhalte. Facebook, Instagram, TikTok, Snapchat, Twitch und LinkedIn – die Liste der Plattformen mit globaler Reichweite ist lang und hat den Medien- und Werbemarkt nachhaltig beeinflusst.

Wo früher einige wenige Medien den öffentlichen Diskurs bestimmten und redaktionelle Gatekeeper entschieden, was auf den Titelseiten stand, hat sich das Bild heute gewandelt. Die Menschen haben gelernt mitzudiskutieren und die Vielfalt der Perspektiven hat Einzug in unser Zusammenleben gehalten. Jeder kann seine Meinung öffentlich äußern – ein Zuwachs an Demokratie! Aber auch eine Herausforderung für Toleranz und Akzeptanz.

Wieso ist das so wichtig, wenn wir an die Zukunft der Kommunikation denken? Wo viele Meinungen und Stimmen sind, gibt es auch unterschiedliche Haltungen, Interessen, Emotionen und Antipathien. „Hyperindividualisierung“, sagen Soziologen. „Schwierig, Zielgruppen nach pauschalen Eigenschaften zu selektieren“, sagt das Marketing.

Zielgruppen werden komplexer, deren Ansprache ebenfalls

Genau da setzt die These für die Zukunft an. Kommunikation hat immer zum Ziel, die Menschen zu erreichen. Mit welchen Themen das genau passiert, wird zunehmend schwieriger und erfordert eine hohe Auseinandersetzung mit der eigenen Kundenklientel.

Was sind die gemeinsamen Nenner derer, die ich erreichen möchte? Was macht meine Botschaft aus und wie verpacke ich sie so, dass der Mehrwert für den Betrachter spürbar wird? Grundsätzlich nichts Neues, nur in der Sache deutlich komplexer.

Wenn wir den Blick nach vorn wagen, sei die Frage erlaubt, ob uns als Gesellschaft diese Diversifizierung der Meinungen nicht zu anstrengend wird und es eine Gegenbewegung geben könnte. Schauen wir auf die Nutzerzahlen der sozialen Medien, würde ich diese Entwicklung in Zukunft nicht sehen. Für die viel besprochene Gen Z sind die sozialen Netzwerke so selbstverständlich wie die Faxgeräte in deutschen Ämtern.

Mitreden, Augenhöhe – das sind für nachwachsende Generationen schlicht Standards. Einmal in den Genuss gekommen, ist nicht davon auszugehen, dass diese und nachwachsende Generationen darauf verzichten werden.

Genauso, wie es für die Gen Z Standard ist, auf TikTok nach Dingen zu suchen und damit Google als Suchmaschine den Rücken zu kehren oder sich über soziale Netzwerke statt in der Tagesschau über das Weltgeschehen zu informieren.

Eine Nutzungsdauer von im Schnitt 95 Minuten pro Tag über alle Altersgruppen hinweg ist ordentlich, wir sollten uns aber nicht allzu große Sorgen um die heranwachsende Generation machen. Insbesondere, wenn man bedenkt, dass 1999 die durchschnittliche Nutzung des Fernsehens bei 196 Minuten lag. Die Mediennutzung verändert sich also hinsichtlich des Kanals; das Bedürfnis nach gutem Content bleibt.

Wer Entertainment kann, verdient sich Aufmerksamkeit

Apropos Content: Wenn wir davon ausgehen, dass die sozialen Medien den ersten Platz der Medien besetzen, die von unserer zukunftsformenden Generation genutzt werden, sollten wir genau hinschauen, welche Inhalte dort funktionieren und was davon einen Blick in die Zukunft erlaubt.

Ich komme bei diesem Thema direkt zum Punkt. Gestern, heute und morgen zählt ein Wort, wenn es um Inhalte geht: Entertainment. Wer es schafft, Menschen zu unterhalten, hat ihre Aufmerksamkeit. Das wird sich nicht ändern. Das ist die gute Nachricht.

Die schlechte Nachricht ist allerdings intensiv: Menschen haben eine große Auswahl, sich unterhalten zu lassen. Wenn Ihr Content nicht überzeugt, sind die Rezipienten schneller bei anderen Inhalten, als Mark Zuckerberg „Meta­verse“ sagen kann. Selbst bezahlte Werbung hat nicht mehr die Garantie, dass sie gesehen wird. Gefällt mir Ihre Werbung nicht, finde ich in einer Sekunde andere Unterhaltung.

Aufmerksamkeit muss sich mit gutem Content verdient werden. Nie war es wichtiger, ein gutes Kommunikationsprodukt abzuliefern. Nur, wie liefert man guten Content? Die eine Formel für guten Content gibt es nicht. Zeitgeist, Relevanz, Kreativität und Mut in der Themenauswahl sind sicherlich grundsätzlich gute Begleiter für Inhalte. Ich würde in diesem Text aber gern auf greifbarere Elemente bauen, die universell für unterschiedliche thematische Schwerpunkte gelten: Form und Persönlichkeit.

„Hooks“ – die neue Königs­disziplin im Marketing

Erinnern Sie sich, dass ich Sie zu Anfang dieses Textes für Ihre Fähigkeit gelobt habe, sich diesem langen Text zu widmen? Nicht ohne Grund. Unsere Fähigkeit, lange Inhalte zu konsumieren, die nicht unmittelbar unser Dopaminlevel steigern, schwindet. Darüber hinaus sind wir sehr schnell in unserer Entscheidung, was interessanter Content für uns ist. Es wird angenommen, dass sich ein Mensch zwischen 0,2 und 0,6 Sekunden Zeit nimmt, um zu beurteilen, ob ihm Inhalte (insbesondere auf Social-Media-Plattformen) gefallen oder nicht.

Nicht umsonst befasst sich die Werbebranche intensiv mit sogenannten Hooks – Einstiege in Inhalte, die die Aufmerksamkeit des Betrachters direkt einfangen und dann bestenfalls mit vielen wechselnden Reizen halten. Sitzt der Hook nicht, kann der tollste Inhalt folgen – er wird den Betrachter nicht mehr erreichen. Hooks braucht es in Zukunft.

Klar ist auch: Inhalte werden grundsätzlich immer schneller. Es passt so viel Geschichte in wenige Sekunden. Und die braucht es auch. Unser Gehirn reagiert auf neue Reize mit Neugierde und Dopamin: „Was kommt als Nächstes?!“ Bekommen wir darauf eine Antwort, die uns nicht gefällt, swipen wir einfach weiter. Bekommen wir einen neuen Reiz, verweilen wir.

Schnelle Schnitte, viele Elemente, die dem Auge neue Informationen senden – dahin gehend erziehen uns die digitalen Plattformen. Content wird schneller, in jeder Hinsicht. Selbiges gilt übrigens auch für Texte. Auch das geschriebene Wort kämpft um unsere Gunst und das funktioniert nun mal besser mit gut geschriebenen Hooks und emotionalen Headlines. Gewöhnt man sich an diesen schnellen Content, erscheinen andere Inhalte lahm und zu langsam. Schwer vorzustellen, dass zukünftige Kommunikation im Wesentlichen von diesem Trend ablässt.

Menschen sind stärkere Absender als die Marke selbst

Ebenso wenig fraglich ist für mich der Einbezug von realen Personen in die Kommunikation. Menschen schauen sich am liebsten andere Menschen an. Wir sind soziale Wesen und soziale Wesen interessieren sich für Artgenossen.

Spätestens seit dem Siegeszug der Influencer wird das ganz deutlich. Ein­zelne Personen wurden zu Medienunternehmen und wer damals noch gelacht und dieses Phänomen als Teenagerkram abgetan hat, bemüht sich heute auf LinkedIn selbst zum Corporate- oder Business-Influencer zu werden. Denn: Reichweite ist Power.

Inhalte von und mit realen Personen sind meist spannender als erfundene Geschichten oder reine Werbebotschaften. Auch hier wird die Geschichte oftmals inszeniert – die Kunst des leichten Übertreibens, ohne die Glaubwürdigkeit zu verlieren – aber es fühlt sich nicht danach an. Persönliche Inhalte von den Menschen hinter den Kulissen werden zukünftig zu den Standards der Kommunikation gehören. Vielleicht gewinnt das Thema „persönliche Inhalte“ noch mehr an Bedeutung, als wir es jetzt vermuten.

KI ist alles andere als persönlich.

Der Disruptionsfaktor KI wird das Thema Content massiv verändern. Prognosen besagen, dass sich die Anzahl der Inhalte verzehnfachen werden. Keiner kennt den Faktor genau, aber halten wir fest: Wenn Content einfach zu erstellen ist, wird es mehr Content geben und der Verdrängungsmarkt der Inhalte wird einen neuen Schwierigkeitsgrad erreichen.

KI wird die Kommunikation von morgen massiv verändern. Ob virtuelle Influencer, ob Science-Fiction-Inhalte, die früher nur Hollywood-Studios vorbehalten waren, oder individuelle Filme, die je nach Gusto mal mehr, mal weniger spannend sind – wir werden unsere Art, Content zu erleben, verändern und das verändert die Kommunikation. Heute steckt vieles noch in den Kinderschuhen, es hinterlässt aber schon ein Gefühl vom morgen.

Und nun? Eines steht fest: Die Kommunikationswelt ist im Wandel – und das seit Jahren in einem rasanten Tempo. Werfen Sie Ihre Erfahrungen zu Medien, Inhalten und vergangenen Kampagnen über Bord. Was früher gut war, ist heute oftmals überholt. Wer allerdings unvoreingenommen hinschaut, sich der Veränderung öffnet, ausprobiert und mit Neugierde und Mut den Wandel aktiv erprobt, hat gute Chancen, erfolgreich zu sein.

Einige Dinge scheinen sich also nie zu verändern. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer zukünftigen Kommunikation.

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Autor/in

Johst Klems

ist Gründer und Inhaber der 50-köpfigen Agentur earnesto in Düsseldorf. Der studierte Medienökonom unterstützt und berät Unternehmen in den Bereichen Kommunikationsstrategie und digitales Marketing. Klems beschäftigt sich seit dem Start seiner beruflichen Laufbahn mit der Beziehung von Marken und Kunden – vorzugsweise in digitalen Medien. Die Schwerpunkte liegen auf dem Content- & Social-Media-Marketing sowie PR- und Influencer-Relations. In diesen Bereichen möchte er Marken, Unternehmen und Verbänden die Chancen der sich verändernden Medienwelt aufzeigen, um diese Art der dialogischen Kommunikation zielgerichtet einzusetzen.

https://www.earnesto.de

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