Unternehmen wie der Automobilbauer VW oder das Pharmaunternehmen Roche haben in den letzten Tagen wiederum Milliarden Gewinne für 2007 prognostiziert. Ihnen wird damit eine hohe Wirtschaftlichkeit unterstellt. Hohe Gewinne werden mit hoher Wirtschaftlichkeit verbunden. Demgegenüber sind Sozialorganisationen, wie die Caritas, die Diakonie, der Paritätische Wohlfahrtsverband, die Arbeiterwohlfahrt und das Rote Kreuz, um die größten Zusammenschlüsse zu nennen, in Bereichen tätig, in denen im Bemühen, anderen Menschen zu helfen, häufig nicht einmal die Kosten gedeckt werden können. Sie erwarten Zuschüsse von Dritten, insbesondere dem Staat; Unwirtschaftlichkeit wird ihnen unterstellt. Hieraus wird geschlossen, dass der Begriff „wirtschaftliche Sozialorganisation“ einen Widerspruch darstellt. An welcher Sozialorganisation würden sich etwa Finanzinvestoren beteiligen? Nicht einmal die als Heuschrecken bezeichneten Private Equity Fonds sind an Sozialorganisationen interessiert. Entspricht dieses Fremdverständnis dem Selbstverständnis von Sozialorganisationen?
Wie sehen sich Sozialorganisationen selbst?
Als welchen Organisationstyp stufen sich Sozialorganisationen selbst ein? Zur Beantwortung dieser Frage kann auf die Ergebnisse der Verbändeumfrage aus dem Jahr 2005 zurückgegriffen werden, die vom Seminar für Vereins- und Verbandsforschung der Technische Universität München durchgeführt wurde. Adressaten dieser Befragung waren haupt- und ehrenamtliche Verbandsmanager. Primäre Zielsetzung der Studie war es, den aktuellen Stand des Verbandsmanagements zu erfassen und Veränderungen in einzelnen Bereichen innerhalb des letzten Jahrzehnts aufzuzeigen. Die Ergebnisse dieser umfassenden Untersuchung sind kürzlich in dem Buch „Herausforderung Verbändemanagement“ veröffentlicht worden.
An der Umfrage beteiligten sich insgesamt 348 Verbände. Sie konnten sich den drei Gruppen soziokulturelle/politische Organisationen, soziale/karitative Organisationen sowie Wirtschaftorganisationen zuordnen, wobei eine mehrfache Einordnung möglich war. Es ergab sich folgendes Ergebnis: 95 % aller antwortenden Organisationen stuften sich als Wirtschaftsorganisation, 10 % als soziale / karitative Organisation und 14 % als soziokulturelle / politische Organisation ein. Aufgrund der zugelassenen Mehrfachantworten ergibt die Addition der Werte mehr als 100 % (siehe Abbildung 1).
Abbildung 1: Selbsteinstufung der Teilnehmer der Verbändeumfrage
Das heißt — und das ist überraschend —, sowohl die sozialen und karitativen als auch die soziokulturellen und politischen Organisationen verstehen sich weit überwiegend auch als Wirtschaftsorganisationen. Bei den sozialen und karitativen Organisationen — um die es in diesem Vortrag geht — sind es genau 83,3 %, die ein solches doppelt markiertes Selbstverständnis besitzen. Dies zeigt, ein völlig gewandeltes Selbstverständnis im Vergleich zu der vor rund 10 Jahren erfolgten ersten Erhebung des Seminars für Vereins- und Verbandsforschung, bei der zwar keine Mehrfachantworten zugelassen waren, aber das Selbstverständnis aus anderen Antworten abgelesen werden konnte. Heute sehen sich Sozialorganisationen auch als Wirtschaftsorganisationen und damit als wirtschaftliche Sozialorganisationen. Die Wortkombination „wirtschaftliche Sozialorganisation“ ist damit für sie kein Widerspruch. Wir wollen nun, um diesem Sachverhalt aus terminologisch wissenschaftlicher Sicht nachzugehen, fragen: Was ist eigentlich Wirtschaftlichkeit? Hat sie etwas mit Gewinn zu tun?
Die Sicht der Wissenschaft zum Begriff „Wirtschaftliche Sozialorganisation“
Der Begriff der Wirtschaftlichkeit stellt sich als Verhältnis von Leistung zu den für ihre Erstellung erforderlichen Kosten dar:
Wirtschaftlichkeit = Leistung (Nutzen) / Kosten. Wobei „Leistung (Nutzen)“ der Leistungswirtschaftlichkeit und „Kosten“ der Kostenwirtschaftlichkeit entspricht.
Statt der in Geldwerten ausgedrückten Leistung kann auch der Nutzen in Relation zu den Kosten gestellt werden. Dies muss dann erfolgen, wenn die Leistung nicht monetär erfassbar ist, wie dies häufig bei Sozialorganisationen der Fall ist. Das Streben nach Wirtschaftlichkeit bedeutet die Optimierung des Verhältnisses von Leistungen (Nutzen) zu den Kosten. Dabei kann sowohl optimiert wie minimiert werden. Wird das Bemühen des Managements auf die Senkung der Kosten bei gleich bleibender Leistung gerichtet, erfolgt diese Kostenwirtschaftlichkeit unter dem Minimierungsprinzip. Oder das Management verfolgt die Erhöhung der Leistung bei festgelegten Kosten: Diese verfolgte Leistungswirtschaftlichkeit wird unter dem Maximierungsprinzip realisiert.
Die Forderung nach Wirtschaftlichkeit stellt eine generell gültige Handlungsgrundlage dar und beinhaltet also keine Aussage zum Gewinn oder zur Rentabilität. So wie unwirtschaft-liche Unternehmen aufgrund einer Monopolsituation rentabel sein können, so können auch Betriebe wie Sozialorganisationen sehr wohl wirtschaftlich handeln. Dies kann also durchaus auch gegeben sein, wenn sie möglicherweise Verluste in Kauf nehmen müssen, da sie die Leistungen nicht gegen kostendeckende Entgelte abgeben können.
Der Druck zur Wirtschaftlichkeit in der Realität
Nach der Darstellung des nicht vorhandenen Widerspruchs in dem Begriffspaar „Wirtschaftliche Sozialorganisation“ basierend auf dem Selbstverständnis sowie im wissenschaftlichen Kontext soll nun der Frage nachgegangen werden, inwieweit Sozialorganisationen in der Realität angehalten oder gar gezwungen sind, wirtschaftlich zu handeln.
Sozialorganisationen sind in zweierlei Hinsicht wachsenden Anforderungen ausgesetzt, die auch zu einem gewissen Veränderungsdruck führen. Erstens fordern Klienten und Mitglieder von Selbsthilfeverbänden schnelle und hochqualitative Leistungen; Mitglieder von Fremdhilfeverbänden, Spender und staatliche Subventionsgeber verlangen eine optimale Verwendung der zur Verfügung gestellten Mittel. Zweitens entsteht immer mehr ein Konkurrenzdruck; Sozialorganisationen konkurrieren zum einen mit anderen Sozialorganisationen, aber zum anderen auch mit erwerbswirtschaftlichen und öffentlichen Organisationen, die ähnliche oder sogar gleiche Leistungen anbieten. Diese Vielzahl an Konkurrenten und ihr Druck wurden auch bei der Verbändeumfrage 2005 deutlich, bei der die teilnehmenden Organisationen nach ihren stärksten Konkurrenten gefragt wurden.
Zwei Drittel der Sozialorganisationen konkurrieren mit Organisationen gleicher Ebene, also etwa die Johanniter mit den Maltesern. Von großer Bedeutung scheinen aber auch Dienstleistungen aus der Privatwirtschaft zu sein. So stehen etwa Krankenhäusern in kirchlicher Trägerschaft mit Kliniken in privater Trägerschaft wie Sana, Rhön-Klinikum und Asklepios in Konkurrenz. Übergeordnete Organisationen und öffentliche Einrichtungen werden nur von knapp einem Fünftel genannt. Daraus kann gefolgert werden, dass nur relativ wenige der regional agierenden Sozialorganisationen bundes- oder gar europaweite Organisationen als Hauptkonkurrenten ansehen. Die Tendenz, dass der Staat soziale Aufgaben nicht mehr selbst erbringt, sondern an private, frei-gemeinnützige Organisationen überträgt, spiegelt sich in dieser Abbildung wieder: Nur 18,2 % der antwortenden Sozialorganisationen sehen öffentliche Einrichtungen als stärksten Konkurrenten (siehe Abbildung 2).
Abbildung 2: Stärkste Konkurrenten der Sozialorganisationen
Darüber hinaus wurde den Organisationen die Frage nach dem Gegenstand der Konkurrenz gestellt. Da der Staat nur über begrenzte Möglichkeiten verfügt, soziale Organisationen zu unterstützen, steht die Konkurrenz um finanzielle Mittel absolut im Vordergrund. Aber nicht nur der Staat als Unterstützer spielt im Wettbewerb um finanzielle Mittel eine Rolle, sondern auch private Spender. Ein Beispiel dafür ist die Vielzahl von Spendenaufrufen verschiedener Träger sowie deren Spendenmailings, die sich nicht mehr auf die Vorweihnachtszeit beschränken, sondern das ganze Jahr über versandt werden. Bedeutend ist auch die Konkurrenz um Lobbyerfolge, um in der öffentlichen Wahrnehmung die Schlagkraft des Verbands zu verdeutlichen. Die Erfolge in Bezug auf die verbesserte steuerliche Behandlung des Ehrenamts etwa nehmen viele Sozialorganisationen zum Anlass, ausführlich darüber zu berichten. Auch die Konkurrenz um Mitglieder spielt eine nicht unwesentliche Rolle, da die Zahl der Mitglieder die Macht im politischen Geschehen zu beeinflussen vermag. Bei den anderen Interessengruppen handelt es sich um deren Gewinnung für die eigenen Ziele (siehe Abbildung 3).
Abbildung 3: Gegenstand der Konkurrenz von Sozialorganisationen
Um in diesem Umfeld eines starken (Konkurrenz)Drucks von unterschiedlichen Seiten bestehen zu können, müssen Sozialorganisationen ihre Mittel effizient einsetzen, um einen möglichst hohen Grad der Bedarfsdeckung erreichen zu können. Damit werden zum einen die Bedürfnisse der unmittelbaren Leistungsempfänger nach schnellen und hochqualitativen Leistungen befriedigt, aber auch die Bedürfnisse anderer Stakeholder wie Spender oder staatlicher Ressourcengeber, die ein effizientes Wirtschaften fordern. Inwieweit dieses Erfordernis nach effizientem Wirtschaften in Sozialorganisationen bereits Realität ist oder (noch) eine Vision darstellt, soll nun im Weiteren untersucht werden.
Wirtschaftliche Sozialorganisationen — Realität oder Vision?
Wie schon dargestellt wurde, beinhaltet wirtschaftliches Handeln, entweder mit einem gegebenen Mitteleinsatz möglichst hochquantitative und -qualitative Leistungen zu erbringen beziehungsweise mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz ein vorgegebenes Leistungsspektrum zu realisieren. Inwieweit sich dieses wirtschaftliche Denken in Sozialorganisationen durchgesetzt hat, lässt sich anhand zweier „Indikatoren“ ablesen. Dabei handelt es sich erstens um die geplanten Veränderungen beim Leistungsangebot unter Berücksichtigung des prognostizierten Mittelzuflusses sowie zweitens um die zur Messung des Verbandserfolgs verwendeten Kriterien.
Strebt eine Sozialorganisation also an, die Qualität und/oder die Quantität der vor ihr erbrachten Leistungen zu verbessern, obwohl keine dementsprechende Steigerung der Mittelzuflüsse zu erwarten sind, kann dies als Beleg für wirtschaftliches Denken angesehen werden. Im Rahmen der Verbändeumfrage 2005 wurden die teilnehmenden Organisationen aufgerufen, eine Einschätzung der erwarteten Veränderungen beim Angebot von individuellen und kollektiven Dienstleistungen zu treffen (siehe Abbildung 4).
Abbildung 4: Erwartete Veränderungen beim Leistungsangebot
Sind Veränderungen des Dienstleistungsangebots geplant, besteht (vor allem bei den individuellen Leistungen) ein Trend zur qualitativen Verbesserung. Ein Grund für diesen Trend kann darin gesehen werden, dass Sozialorganisationen ihre Leistungen für eine bestimmte Gruppe von Hilfsbedürftigen erbringen. Die Hilfsbedürftigen benötigen somit auch nur bestimmte Leistungen, weshalb eine quantitative Ausweitung des Angebots individueller Leistungen nicht zwingend einen Nutzenzuwachs der Klienten nach sich ziehen würde. Dass eine Verbesserung bei kollektiven Leistungen von Sozialorganisationen nicht in den überwiegenden Fällen angestrebt wird, kann also wie folgt begründet werden: Ihre Klienten ziehen eine unmittelbare Hilfe in Form individueller Leistungen einer Verbesserung von Rahmenbedingungen (beispielsweise durch politische Interessenvertretung) vor. Ein nicht geringer Anteil der teilnehmenden Sozialorganisationen plant, keine Veränderungen hinsichtlich der Quantität und Qualität des Leistungsprogramms vorzunehmen. Bei den individuellen Leistungen ist es etwa ein Viertel, bei den kollektiven Leistungen gut ein Drittel.
Sind quantitative und/oder qualitative Verbesserungen des Dienstleistungsangebots geplant, erhöht sich die Wirtschaftlichkeit aber nur dann, wenn für diese Leistungsverbesserungen nicht (in überhöhtem Maße) mehr Mittel eingesetzt werden müssen. Wird beispielsweise eine Nutzensteigerung um 20 % angestrebt, erhöht sich die Wirtschaftlichkeit genau dann, wenn der erforderliche Mittelmehreinsatz weniger als 20 % des ursprünglichen beträgt. Infolgedessen gilt es zu analysieren, in welchem Ausmaß Sozialorganisationen Veränderungen des Mittelzuflusses prognostizieren (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Erwartete Entwicklung der Einnahmenquellen (1)
Die Einschätzung der Entwicklung der unterschiedlichen Einnahmequellen durch die Sozialorganisationen zeichnet ein differenziertes Bild. Für Mitgliedsbeiträge, direkte Entgelte und Sponsoring wird eher eine Zunahme erwartet. So gehen 32 % von steigenden direkten Entgelten aus und 14 % von sinkenden. Bei Spenden, öffentlichen Mitteln sowie Zinsen und Mieteinnahmen wird eher eine Abnahme erwartet. Eklatant zeigt sich dies bei öffentlichen Mitteln, bei denen nur 8 % von einer Steigerung, aber 64 % von einer Senkung ausgehen (siehe Abbildung 6).
Abbildung 6: Erwartete Entwicklung der Einnahmenquellen (2)
Der Anteil der einzelnen Einnahmequellen am Gesamtbudget divergiert dabei nicht sehr stark: Mit Ausnahme der Mitgliederbeiträge, die bei den Sozialorganisationen knapp unter 40 % des Gesamtbudgets ausmachen, beträgt der Anteil aller fünf anderen Einnahmequellen lediglich jeweils maximal 20 %. Somit kann festgehalten werden, dass global gesehen von keiner Steigerung der Gesamteinnahmen ausgegangen werden kann. Die angestrebten Verbesserungen beim Dienstleistungsangebot müssen also oftmals ohne eine Ausweitung des Budgets erfolgen. Daraus folgt, dass viele Sozialorganisationen das Ziel verfolgen (müssen), ihre Wirtschaftlichkeit zu steigern.
Das Oberziel von Sozialorganisationen besteht in der Deckung der Bedarfe ihrer Mitglieder (bei Selbsthilfeorganisationen) beziehungsweise ihrer Klienten (bei Fremdhilfe-Organisationen). Alle Bedarfe können jedoch nicht aufgrund der knappen Ressourcen zu 100 % gedeckt werden. Somit stellt sich die Frage, bei welchen Leistungen nun aber eine Verbesserung vorgenommen, also eine Steigerung des Bedarfsdeckungsgrades angestrebt werden soll? Hierzu wurde vom Institut für Verbandsforschung und -beratung SVV ein Instrument zur Optimierung des Ressourceneinsatzes entwickelt.
Instrument zur Optimierung des Ressourceneinsatzes bei Sozialorganisationen
Damit eine Sozialorganisation ihre Ressourcen optimal einsetzen kann, ist es erforderlich, die Bedeutung der einzelnen Leistungen und die Zufriedenheit der Nutznießer gegenüberzustellen. Diesbezüglich hat das SVV schon eine Reihe von Beratungsprojekten bei einer Vielzahl von Organisationen durchgeführt, um deren Leistungsprogramm zu optimieren. Zur Erläuterung der dabei zugrunde liegenden Vorgehensweise wird als Beispiel die Situationeiner fiktiven Sozialorganisation exemplarisch verwendet.
Grundsätzlich gilt: Je wichtiger eine Leistung für die Leistungsempfänger ist, desto mehr Ressourcen sollten hier auf die Steigerung der Zufriedenheit verwendet werden. Die optimale Relation von Bedeutung und Zufriedenheit wird in dieser Folie durch den hell eingezeichneten, diagonal verlaufenden „Managementpfad“ angezeigt. Je näher eine Leistung an der Winkelhalbierende liegt, desto besser stehen die eingesetzten Ressourcen im Verhältnis zur Wichtigkeit der Leistung. Die Breite des Pfades kann als willkürlich gesehen werden: Je nach Anspruchsgrad in Bezug auf das optimale Verhältnis von Zufriedenheit und Bedeutung könnte er breiter, aber auch schmäler angesetzt werden. Je geringer jedoch die Zufriedenheit der Mitglieder bei hoher Bedeutung der Merkmale für die Mitglieder, desto mehr muss von Untererfüllung und einem zu geringen Ressourceneinsatz gesprochen werden (siehe Abbildung 7).
Abbildung 7: Beurteilung von Leistungen einer fiktiven Sozialorganisation
Aus der exemplarischen Beurteilung der Leistungen kann etwa ein Handlungsbedarf bei der Öffentlichkeitsarbeit und insbesondere der Information über aktuelle Themen, die von den Mitgliedern als äußerst wichtig eingestuft wurde, abgeleitet werden. Sowohl die Verbandszeitschrift als auch die politische Interessenvertretung liegen im optimalen Bereich; Zufriedenheit und Bedeutung stehen also in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Die persönliche Betreuung durch die Geschäftsstelle wurde im Vergleich zu den anderen Leistungen als tendenziell weniger wichtig eingestuft, während die Mitglieder mit dieser aber zufrieden sind. Die Leistung findet sich also „über“ dem Managementpfad wieder. Dennoch soll in diesem Fall nicht empfohlen werden, die Betreuung durch die Geschäftsstelle abzubauen, weil speziell hier eine zentrale Leistung einer Sozialorganisation liegt, die eine starke Ausstrahlung auf andere Leistungen hat.
Die Gegenüberstellung von Bedeutung und Zufriedenheit kann auch angewendet werden, um die Eigenschaften der Organisation einer Analyse im Hinblick auf die optimale Ressourcenverwendung zu unterziehen. Sechs Eigenschaften einer Sozialorganisation, die einer Bewertung unterzogen werden können, sind in dieser Abbildung aufgeführt. Bezüglich der Eigenschaften „freundlich“, „zügige Bearbeitung“, „schlagkräftig“ und „gesprächsbereit“ besteht kein Verbesserungsbedarf. Die Informationsfreudigkeit liegt — wenn auch knapp — außerhalb des optimalen Bereichs. Hier bestünde möglicherweise ein Handlungsbedarf. Im Beispiel zeigt sich der größte Handlungsbedarf beim „wirtschaftlichen Immobilienmanagement“ (siehe Abbildung 8).
Abbildung 7: Beurteilung von Eigenschaften einer fiktiven Sozialorganisation
Nachdem nun der Frage nachgegangen wurde, inwieweit sich wirtschaftliches Handeln in Sozialorganisationen bereits durchgesetzt hat und wo noch Verbesserungsbedarf besteht, soll im Folgenden beleuchtet werden, welchen Stellenwert eine hohe Wirtschaftlichkeit bei der Erfolgsmessung spielt.
Erfolgsmessung und -kontrolle bei Sozialorganisationen
Der Erfolg der Sozialorganisationen besteht primär nicht darin, Gewinn anzustreben, ihn zu realisieren oder auszuschütten, sondern darin, Bedarf gedeckt zu haben, der bei einem unter Angebot und Nachfrage sich ergebenden Preis am Markt nicht gedeckt werden würde. Damit wird ausgedrückt, dass der Erfolg von Sozialorganisationen schwer messbar wird, dass es unterschiedlichste Erfolgskategorien für sie geben kann. Der Erfolgsausweis wird dadurch einerseits für sie besonders wichtig, obwohl er andererseits sehr schwer zu vermitteln ist. Letztlich muss mit dem Erfolgsausweis die Frage beantwort werden: Was haben die Sozialorganisationen mit dem Geld der Zuschussgeber oder der Mitglieder gemacht? Die Erstellung von Leistungsbilanzen muss bei Sozialorganisationen eine zentrale Bedeutung einnehmen. Da die Leistungen häufig nicht monetarisiert werden können, kann auch die Wirtschaftlichkeit nicht unmittelbar ausgerechnet werden. Stattdessen ist etwa darzustellen, wie vielen Kindern, alten Menschen, Bedürftigen, Behinderten in welcher Qualität geholfen wurde. Die Qualitätssicherung, die Qualitätsverbesserung, die Dokumentation der Qualität sollen somit wesentliche Gegenstände der Realität von Sozialorganisationen sein. Wie sieht es aber in der Realität nun wirklich aus?
In der Verbändeumfrage 2005 wurde die Frage nach den fünf wichtigsten Indikatoren der Erfolgsbeurteilung gestellt. Insgesamt 29 Sozialorganisationen beantworteten diese Frage. Den ersten Platz in der Rangordnung der wichtigsten Indikatoren belegte mit 34,5 % die „Kostendeckung“, gefolgt von der „Zahl der realisierten Projekte“ mit 24,1 % und der insgesamt „verkauften Leistungen in € / Mengen“ (17,2 %). Jeweils 13,8 % gaben „effizientes Arbeiten“ und die „Höhe der Spenden“ als wichtigen Erfolgsindikator an.
Es zeigt sich, dass die Wirtschaftlichkeit als Verhältnis von Leistung und Kosten noch eine untergeordnete Rolle spielt, da nur etwa ein Achtel der teilnehmenden Sozialorganisationen effizientes Arbeiten als wichtigen Erfolgsindikator ansieht. Wichtiger werden Indikatoren eingeschätzt, die sich entweder lediglich auf die „Kostenseite“ (wie die Deckung der Kosten durch entsprechende Einnahmen) oder lediglich auf die Leistungsseite (wie die Zahl der realisierten Projekte oder verkauften Leistungen) beziehen. Bezüglich der eingesetzten Erfolgsindikatoren besteht also noch Handlungsbedarf bei der Umsetzung von wirtschaftlichem Handeln in Sozialorganisationen.
Fazit und Ausblick
Wirtschaftlich handeln muss (auch) für eine Sozialorganisation eine Handlungsmaxime sein. Eine „wirtschaftliche Sozialorganisation“ ist aus theoretischer Sicht kein Widerspruch, sondern ein Erfordernis — sofern wirtschaftliches mit effizientem Handeln gleichgesetzt wird. Aus praktischer Sicht stellt eine „wirtschaftliche Sozialorganisation“ eine ständige Herausforderung dar. Auch wenn viele Sozialorganisationen erkannt haben, dass eine Erhöhung der Wirtschaftlichkeit notwendig ist, und dies bereits in nicht wenigen Organisationen umgesetzt wird, besteht diesbezüglich ein ständiger Verbesserungsbedarf.
Die Herausforderungen für Sozialorganisationen können zusammenfassend in vier Punkten festgehalten werden: Sie benötigen erstens ein professionelles Management mit fachlich qualifiziertem Haupt- und Ehrenamt. Zweitens muss das Management an der Wirtschaftlichkeit orientiert sein. Bei aller Professionalität und Orientierung an der Wirtschaftlichkeit ist zu gewährleisten, dass erwerbswirtschaftliche Methoden nicht unreflektiert auf Sozialorganisationen übertragen werden, ohne deren Eigenarten zu berücksichtigen. Dies stellt die dritte Herausforderung für diese Organisationen dar: Sie müssen trotz der kontinuierlichen Verbesserung und der Verinnerlichung des wirtschaftlichen Denkens Nonprofit-Organisationen bleiben und dürfen sich nicht zu erwerbswirtschaftlichen Unternehmen wandeln. Dabei besteht auch die Gefahr, dass sich Sozialorganisationen zu stark dem öffentlichen Sektor annähern, beispielsweise wenn sie sich zu sehr in die Abhängigkeit staatlicher Subventionen begeben. Dieser Gefahr zu trotzen, ist die vierte Herausforderung, der sich Sozialorganisationen gegenüber sehen. Es ist den wirtschaftlichen Sozialorganisationen zu wünschen, dass sie diese Herausforderungen meistern.