Unser Bericht über die völlig überraschend kommende Initiative des Bundesjustizministeriums zu einer Reform des Vereinsrechts (vgl. Verbändereport 6/2004, Seite 26) hat in allen betroffenen Kreisen für einige Aufregung gesorgt. Die Reaktionen sind überwiegend negativ. Allem Anschein nach ist das BMJ deshalb zu gewissen Korrekturen bereit, will aber an seinem Vorhaben grundsätzlich festhalten.
Die bisher bekannt gewordenen Stellungnahmen aus Verbandskreisen zu dem Referentenentwurf sind überwiegend negativ. Einzelne Verbände, wie der Deutsche Steuerberaterverband, haben das Vorhaben in toto als überflüssig bezeichnet und daher eine ersatzlose Rücknahme des Entwurfs gefordert. Auch aus der Wissenschaft sind entsprechende Stimmen laut geworden (so Arnold, DB 2004, 2143). Die Motive für diese Kritik sind jedoch recht unterschiedlich.
Zentraler Kritikpunkt aus Verbandskreisen ist die Absicht, den Umfang der Zulässigkeit wirtschaftlicher Geschäftsbetriebe bei Idealvereinen nunmehr gesetzlich in dem Sinne zu regeln, dass eine wirtschaftliche Betätigung nur „verhältnismäßig geringfügig“ sein darf. Es hat den Anschein, dass diese Einschränkung bei vielen Verbänden tief greifende Existenzsorgen ausgelöst hat. Grund für diese Besorgnis mag sein, dass der Umfang wirtschaftlicher Betätigung von Vereinen in der Praxis gelegentlich recht erheblich ist. Zum anderen ist bei Führungskräften von Verbänden die Tragweite des von der Rechtsprechung entwickelten sog. Nebenzweckprivilegs häufig nicht oder nicht hinreichend bekannt.
Umfang des Nebenzweckprivilegs
Nach längerem gefestigter vereinsrechtlicher (nicht: steuerlicher) Rechtsprechung bilden Tätigkeiten eines Vereins dann einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb, wenn es sich um eine planmäßige, auf Dauer angelegte und nach außen gerichtete, das heißt über den vereinsinternen Bereich hinausgehende, eigenunternehmerische Tätigkeit handelt, die auf die Verschaffung vermögenswerter Vorteile zugunsten des Vereins oder seiner Mitglieder abzielt. Eine solche Betätigung ist bei einem nichtwirtschaftlichen Verein jedoch vereinsrechtlich zulässig, wenn seine unternehmerische Betätigung dem nichtwirtschaftlichen Hauptzweck des Vereins zu- und untergeordnet ist und Hilfsmittel zu dessen Erreichung ist (so das „ADAC-Urteil“ des BGH in BGHZ 85, 84, 92f.). Das Bundesverwaltungsgericht hat sich dieser Rechtsprechung angeschlossen („Scientology-Urteil“ in NJW 1998, 1166 ff.).
Der Vorschlag des BMJ zur Reform des Vereinsrechts gibt vor, an diese Rechtsprechung anzuknüpfen, indem er fordert, dass der Umfang wirtschaftlicher Betätigungen bei nichtwirtschaftlichen Vereinen nur verhältnismäßig „geringfügig“ sein darf. Die Rechtsprechung verwendet jedoch den Terminus „untergeordnet“, der möglicherweise in einem weiteren Sinne als der Terminus „geringfügig“ verstanden werden kann. Die Auslegung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe ist für den Einzelfall kaum vorhersehbar und konfrontiert die Führungskräfte von Verbänden und ihre Berater mit einer erheblichen Rechts- und Planungsunsicherheit.
Die bekannt gewordenen Stellungnahmen der Verbände wenden sich daher gegen den Terminus „geringfügig“ und schlagen eine insgesamt großzügigere Formulierung vor. Auf besondere Kritik ist gestoßen, dass in der Begründung zu dem Entwurf „geringfügig“ im Sinne von zehn Prozent interpretiert wird. Eine solche Limitierung wird allgemein als zu eng und in vielen Fällen als existenzgefährdend empfunden.
Bundesjustizministerium zu Konzessionen bereit
Wie sich inzwischen herausgestellt hat, ist das BMJ in diesem Punkt jedoch offenbar zu gewissen Konzessionen bereit. Mitte Dezember 2004 fand ein Gespräch zwischen dem zuständigen Referat des BMJ und mehreren Spitzenverbänden statt, in der diese Gelegenheit hatten, ihre grundlegenden Bedenken gegen eine – ihrer Ansicht nach – zu enge Begrenzung des Nebenzweckprivilegs zu erläutern.
Das BMJ hat dabei dem Vernehmen nach unterstrichen, dass
- Ziel des Entwurfs sei, das in der Rechtsprechung entwickelte Nebenzweckprivileg des Idealvereins in Gesetzesform aufzugreifen; der Umfang der erlaubten Nebentätigkeit solle allenfalls noch etwas ausgedehnt, nicht aber einge schränkt werden,
- die Festlegung einer starren quantitativen Grenze zur Bestimmung der „Geringfügigkeit“ nicht beabsichtigt sei, insbesondere nicht in Form einer starren „Zehn Prozent-Grenze“,
- es letztlich auf eine Gesamtbetrachtung des jeweiligen Einzelfalles ankomme,
- nicht daran gedacht sei, breite Bereiche der Tätigkeit der Idealvereine - im sozialen, kulturellen, berufsverbandlichen oder gewerkschaftlichen Bereich mit Auflösung zu bedrohen,
- die steuerliche Definition des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs (§ 14 AO) für die zivilrechtliche Betrachtung irrelevant sei.
Das BMJ hat klargemacht, dass es grundsätzlich an dem Gesetzgebungsvorhaben festhalten will. Es scheint jedoch von seiner ursprünglichen Absicht Abstand nehmen zu wollen, die Vorschrift über wirtschaftliche Vereine (§ 22 BGB) ersatzlos zu streichen. Der Referentenentwurf soll nun nach Auswertung der eingegangenen Stellungnahmen überarbeitet und sodann im regulären Abstimmungsverfahren erneut im Ressortkreis mit Blick auf die Einbringung im Bundeskabinett abgestimmt werden.
Spitzenverbände optimistisch
Die an dem genannten Gespräch beteiligten Verbände interpretieren die Äußerungen ihrer Gesprächspartner aus dem BMJ dahin, dass bei einer Neuformulierung des Entwurfs hinsichtlich des Nebenzweckprivilegs zwischen folgenden beiden Konstellationen unterschieden werden soll:
- Ist der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb zur Erreichung des nicht wirtschaftlichen Zwecks erforderlich, soll dieser vereinsrechtlich unbeschränkt zulässig sein.-
- Wird ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb unabhängig von dem nicht wirtschaftlichen Vereinszweck betrieben, sollen die Grenzen der Zulässigkeit enger gezogen werden, wobei zur Zeit noch offen ist, wie diese Limitierung gesetzestechnisch zum Ausdruck gebracht werden soll.