Pressemitteilung | BUND e.V. - Bundesverband - Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland

100 Tage Große Koalition - Potentiale im Umweltschutz noch ungenutzt / Gabriel macht „bella figura“ bei Klima- und Atomthemen

(Berlin) - In der Umweltpolitik suche die Große Koalition noch ihr Profil, so bilanzierte der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) heute (24. Februar 2006) die ersten 100 Tage der schwarz-roten Regierung. Kennzeichnend dafür sei das Hin- und Her bei Energie- und Agrarthemen, während viele Potentiale im Umwelt- und Naturschutz ungenutzt blieben. Eine „gute Figur“ habe Umweltminister Sigmar Gabriel gleich zu Beginn seiner Amtszeit gemacht, als er beim Weltklimagipfel von Montreal das Nachfolgeabkommen zum Kyoto-Protokoll voranbrachte. Der BUND lobte Gabriel auch dafür, dass er sich klar gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ausgesprochen habe.

Im Gegensatz dazu habe Bundeskanzlerin Angela Merkel mehrfach ihr Interesse an Laufzeitverlängerungen für die deutschen Atomkraftwerke bekundet, zugleich aber auch die Gültigkeit des von Rot-Grün beschlossenen Atomausstiegs bekräftigt. Nachdem Bundesagrarminister Horst Seehofer zunächst mit Angriffen gegen seine Vorgängerin Renate Künast und den Ökolandbau hervorgetreten war, sei er später wieder zurückgerudert. Habe er zunächst die Gentechnik in der Landwirtschaft durchsetzen wollen, versprach er dann wiederum, alles zu unterlassen, was Umwelt und Gesundheit gefährde. Merkel und Seehofer hätten außerdem nichts getan, um die umweltverträgliche ländliche Entwicklung vor Kürzungen im EU-Etat zu bewahren. Auch zur geplanten Schwächung der Standards für das EU-Biosiegel schweige Seehofer. Damit drohe eine boomende Branche abgewürgt zu werden.

Angelika Zahrnt, Vorsitzende des BUND: „In der Bundesregierung scheint nur der Umweltminister die großen Chancen für Arbeit, Forschung und Innovation im Umwelt- und Naturschutz zu erkennen. Die Große Koalition insgesamt zeigt sich den Herausforderungen einer zukunftsfähigen Energie-, Finanz- oder Verkehrspolitik bisher nicht gewachsen. Den Namen `Reform` verdient auch eine Föderalismusreform nicht, die zu mehr Kleinstaaterei im Umweltrecht und zu sinkenden Standards führt.“

Auch bei der Reform des EU-Chemikalienrechts habe sich Bundeskanzlerin Merkel massiv für eine Schwächung der Schutzstandards eingesetzt. Die entsprechende Richtlinie sei so verwässert worden, dass sie Mensch und Umwelt nicht mehr ausreichend vor gefährlichen Chemikalien schütze. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren müsse Umweltminister Gabriel dafür sorgen, dass Umwelt- und Verbraucherschutz gewährleistet würden, forderte der BUND.

Schwerer Schaden drohe der Landwirtschaft, falls die mehrfach bekundete Gentechnik-Gläubigkeit von Bundeskanzlerin Merkel und Agrarminister Seehofer zum Maßstab der Politik werde. So habe Seehofer bereits wenige Tage nach Amtsantritt neue Genmaissorten zugelassen. In Gefahr seien auch Öffentlichkeitsrechte, wenn mit dem Gentechnikgesetz Teil Zwei ausgeschlossen werde, dass über illegal in Umlauf befindliche Gen-Organismen informiert wird. Wenn die Regierung hier die Weichen falsch stelle, gefährde sie nicht nur die Wahlfreiheit der Verbraucher sondern auch rund 150.000 Arbeitsplätze im Bioagrarsektor.

Positiv sei, dass die Bundesregierung den Ländern bzw. der Bundesstiftung Umwelt geeignete Flächen einschließlich jener im „Grünen Band“ an der früheren deutsch-deutschen Grenze als „nationales Naturerbe“ übertragen wolle. Mit einem sofortigen Verkaufsstopp für diese Flächen und der damit verbundenen Sicherung für den Naturschutz habe auch die schnelle Umsetzung dieser Pläne begonnen.

Keine umweltbezogenen Ideen kämen bisher von Finanzminister Peer Steinbrück und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. So wurden zwar die den Flächenverbrauch fördernde Eigenheimzulage abgeschafft und die zum Autopendeln animierende Entfernungspauschale gekürzt, das klimaschädliche Dienstwagenprivileg und die Steuerbefreiung des Flugbenzins jedoch nicht angetastet. Tiefensee stehe vor der Aufgabe, die geplanten Ausgaben im Verkehrsbereich gründlich zu revidieren. Bislang setze das mit den höchsten Investitionsmitteln ausgestattete Ministerium die Fehler der Stolpe-Ära fort, pumpe Milliarden in falsche Kanäle und vernachlässige die zukunftsfähige Neuausrichtung der Verkehrs- und Ausgabenpolitik. Auch in der Auseinandersetzung mit der Autoindustrie müsse Tiefensee endlich deutliche Beiträge des Verkehrs zum Klimaschutz durchsetzen. Würden effizientere Autos gebaut, könnten bei den Pkw bis 2020 rund 40 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) Rüdiger Rosenthal, Pressesprecher Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin Telefon: (030) 275864-0, Telefax: (030) 275864-40

(sk)

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