Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Anforderungen an die künftige Sozialpolitik

(Berlin) - Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Ursula Engelen-Kefer und die Vertreterinnen und Vertreter des Netzwerks Gesundheit haben in Berlin die folgende gemeinsame Erklärung zur zukünftigen Gestaltung der Sozialpolitik vorgestellt:

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) und das Netzwerk Gesundheit stellen gemeinsame Anforderungen an die künftige Sozialpolitik. Wir wollen den gesellschaftlichen Dialog über die Zukunft sozialer Sicherheit in Deutschland und Europa vertiefen. Die fortschreitende Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und die demographische Entwicklung erfordern ein Leitbild, das
- soziale Sicherung,
- wirtschaftliche Entwicklung,
- Beschäftigung,
- die Verbesserung sozialer Teilhabe,
- Generationen- und Geschlechtergerechtigkeit
zusammenführt.

Die steigenden Anforderungen einer flexibleren Gestaltung von Arbeits- und Lebensbedingungen sowie die demographische Entwicklung haben Konsequenzen für die Gestaltung der Leistungen sowie die Finanzierung der sozialen Sicherheit. Weitere zentrale Bausteine für die Zukunft sozialer Sicherheit sind der Ausbau von Bildung, Ausbildung und lebensbegleitender Qualifizierung, gesetzliche Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie besondere Anstrengungen, um es den Menschen zu ermöglichen, länger gesund im Arbeitsleben zu verbleiben.

Der starke Rückgang sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung bei gleichzeitigem Anstieg prekärer Beschäftigung, die hohe Arbeitslosigkeit sowie die Schwäche der Binnenkonjunktur führen zu gravierenden Einnahmeausfällen der Sozialversicherungen und öffentlichen Haushalte. Notwendig ist deshalb eine Offensive für kreative sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse. Es muss den Qualifikationen der Menschen Rechnung getragen, gesellschaftliche Bedarfe erfüllt und Lohn- sowie Sozialdumping verhindert werden. Ferner müssen soziale und gesundheitliche Infrastrukturen vor Ort finanziell gestärkt und weiter entwickelt werden.

Angesichts der Flexibilisierung der Arbeitsmärkte und der Lage auf dem Arbeitsmarkt ist eine neue Balance von einkommensbezogenen Sozialbeiträgen und Steuern für die Finanzierung von sozialer Sicherheit erforderlich. Die zunehmende Schwächung der Finanzgrundlagen der Sozialversicherungen und deren Belastung durch gesamtgesellschaftliche Aufgaben muss ausgeglichen werden, um die Systeme sozialer Sicherung insgesamt nicht zu gefährden und Armut im Alter und bei Arbeitslosigkeit zu verhindern. Einen Beitrag dazu leistet die konsequente Finanzierung des Familienlastenausgleichs über Steuern, um die Sozialversicherungen zu entlasten.

Für die neue Legislaturperiode fordern wir den Ausbau der Krankenversicherung zu einer solidarischen Bürgerversicherung. Dadurch wird die gesellschaftliche Basis der solidarischen Sicherung durch weitere Personengruppen und weitere Einkommensarten gestärkt. Beitragszahler und beschäftigungsintensive Betriebe werden entlastet. Die Einbeziehung von Selbständigen ist nicht nur ein Gebot der Gerechtigkeit sondern auch eine Antwort auf die Zunahme prekärer Selbständigkeit. Die Berücksichtigung von Kapitalerträgen folgt deren steigender Bedeutung und dient zur Entlastung der Beiträge. Durch gleiche Wettbewerbsbedingungen bei privaten und gesetzlichen Kassen wird die Solidaritätsbasis gestärkt, die Beiträge für alle können sinken.

Die Politik darf sich aber nicht auf die Finanzreform beschränken. Die Qualität und Wirtschaftlichkeit der angebotenen Leistungen soll durch einen fairen Wettbewerb um Qualität und verstärkte Patientenorientierung verbessert werden. Durch die zeitgemäße Neuregelung der Patientenrechte ist den Krankenkassen wirkungsvoller die Möglichkeit zu verschaffen, nach ärztlichen Behandlungsfehlern den Regress durchzusetzen. Moderne Strukturelemente wie die integrierte Versorgung sind auszubauen.

In der Pflegeversicherung müssen zudem die Leistungen angemessen dynamisiert werden, die Situation Demenzkranker muss verbessert werden. Die häusliche Pflege ist zu stärken. Auch die Finanzierung der Pflegeversicherung soll auf solidarischer Grundlage gestaltet werden.

Die gesetzliche Rentenversicherung ist zu einer Sozialversicherung für alle Erwerbstätigen zu erweitern. In einem ersten Schritt sind die Selbständigen in den Versichertenkreis einzubeziehen. Wir treten dafür ein, dass die gesetzliche Rente leistungsbezogen bleibt und auch in Zukunft einen angemessenen Lebensstandard sichert. Menschen mit langjähriger Erwerbstätigkeit dürfen nicht nur eine Rente auf dem Niveau der Grundsicherung erhalten. Ein weiteres Ziel ist, dass alle Frauen eine eigenständige Alterssicherung aufbauen. Zur Ergänzung der gesetzlichen Rentenversicherung ist die betriebliche Altersvorsorge auf tarifvertraglicher Grundlage durch den Gesetzgeber zu stärken.

Die Schere zwischen arm und reich hat sich weiter geöffnet, was zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Der Trend zunehmender Armut, insbesondere bei Kindern und Alleinerziehenden muss umgekehrt werden. Zudem darf es in der Bundesrepublik Deutschland nicht dazu kommen, dass Armut trotz Arbeit grassiert. Es bedarf einer gesellschaftlichen Strategie der Vermeidung von Armut und Ausgrenzung, die eine gerechtere Verteilung von Einkommen und Vermögen einschließt.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB), Bundesvorstand Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0, Telefax: 030/24060324

NEWS TEILEN: