Pressemitteilung | (vzbv) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.

Call-Center-Lobby setzt sich durch / Werbeanrufe rund um die Uhr / Unionsmehrheit im Bundesrat will Verbraucherschutz kippen

(Berlin) - Verbraucher sollen künftig zuhause rund um die Uhr zu Werbezwecken angerufen werden. Dies haben die unionsgeführten Bundesländer gefordert. Der Bundesrat lehnte die Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ab, das ein Verbot unerwünschter Werbeanrufe festschreibt. Der Bundesrat verwies das Gesetz an den Vermittlungsausschuss.

Als "Schlag ins Gesicht der Verbraucher" bezeichnete vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller das Bundesratsvotum. "Auf der einen Seite produzieren sich Union und FDP als Kämpfer gegen Spamming und eMail-Werbung, auf der anderen Seite wollen sie die Schleusen öffnen für eine neue Form der Belästigung der Verbraucher in der Privatsphäre," so Edda Müller. "Das ist ein Musterbeispiel, wie sich Politik unglaubwürdig macht."

Call-Center und Direktmarketingfirmen machen seit Monaten Lobbyarbeit für eine Aufweichung des bisherigen Verbots unerwünschter Werbeanrufe bei Privatanschlüssen. Dabei scheuen sie nicht davor zurück, mit dem Verlust tausender Arbeitsplätze zu drohen - Arbeitsplätze, die offenbar auf täglichen Gesetzesverstößen beruhen. Auch mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber europäischen Wettbewerbern wurde argumentiert, obwohl das deutsche Wettbewerbsrecht auch für ausländische Direktwerber gilt.

Im boomenden Call-Center-Geschäft bleiben die Kundenwünsche künftig noch weiter auf der Strecke, fürchtet der vzbv. "Es passt nicht zusammen, dass der Service bei Telefonhotlines immer schlechter und unqualifizierter wird und gleichzeitig eine der letzten werbefreien Zonen - die eigene Wohnung - zum Ziel derselben Call-Center wird", sagte vzbv-Chefin Edda Müller.

Kritisch äußerte sich der vzbv auch zur Ablehnung des geplanten Gewinn-abschöpfungsanspruchs durch die Länderkammer. Der Druck einzelner Wirtschaftsverbände hatte bereits dazu geführt, dass der jetzt vorliegende Entwurf weicher gespült wurde, als dies aus Verbrauchersicht notwendig war. Nach der vom Bundestag beschlossenen UWG-Novelle müssen Unter-nehmen Gewinne wieder zurückgeben, wenn sie auf irreführender oder unlauterer Werbung beruhen.

Allerdings knüpft auch der vorliegende Entwurf die Gewinnabschöpfung an so hohe rechtliche Hürden, dass sie in der Praxis nur selten greifen wird. So müsste einem Unternehmen nachgewiesen werden, dass es die Verbraucher vorsätzlich getäuscht hat - juristisch ein äußerst schwieriges Unterfangen. "Der reflexhafte Widerstand der Union gegen die Gewinnabschöpfung ist sachlich unbegründet", sagte vzbv-Vorstand Prof. Dr. Edda Müller. "Tatsächlich geht es nämlich nicht nur um den Schutz der Verbraucher sondern auch um den Schutz korrekt arbeitender Firmen. Irreführung und Verbrauchertäuschung darf sich nicht lohnen."

Hintergrund: Unerwünschte Telefonwerbung

Unerwünschte Werbeanrufe bei privaten Telefonanschlüssen zählen zu den aggressivsten Marketingmethoden. Obwohl in Deutschland wie in Österreich verboten, halten sich viele Firmen nicht an dieses Verbot - vor allem in Branchen, in denen unseriöse Geschäftspraktiken dominieren, setzt man auf Telefonwerbung, etwa beim Grauen Kapitalmarkt oder Strukturvertrieb von Versicherungen. Die vom Bundesrat unterstützte Call-Center-Lobby setzt statt eines Verbots unerverlanger Werbeanrufe auf eine sogenannte Opt-Out-Lösung. Danach müssten Verbraucher erst ausdrücklich erklären, dass sie keine Werbeanrufe wünschen, bevor sie vor der Störung ihrer Privatsphäre verschont bleiben. Da die Direktmarketingfirmen sich allerdings schon jetzt nicht um das Verbot des Cold Callings scheren, ist nicht zu erwarten, dass sie sich an eine Opt-Out-Lösung halten würden.

Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Markgrafenstr. 66, 10969 Berlin Telefon: 030/258000, Telefax: 030/25800218

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