Pressemitteilung | Deutscher Bauernverband e.V. (DBV)

Einkommenseinbußen und Re-Nationalisierung der Agrarpolitik drohen / Harte Kritik am Verhandlungsverlauf von Fischler durch Bauernpräsident Sonnleitner

(Berlin) - Mit scharfen Worten hat am 20. Juni der Präsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, vor der Bundespressekonferenz in Berlin den Verhandlungsverlauf über eine Reform der EU-Agrar-Politik in Luxemburg kritisiert. Die Vertagung der Verhandlungen zum dritten Mal und der Widerstand von neun EU-Ländern sei im Wesentlichen auf die fehlende Kompromissfähigkeit von EU-Agrarkommissar Fischler zurückzuführen, der seine ursprünglichen Vorschläge offenbar mit kleinen Abstrichen durchboxen wolle. Als schlimm bewerte es Sonnleitner, dass Fischler die Beschlüsse des Europäischen Parlaments mit seinen demokratisch gewählten Volksvertretern überhaupt nicht berücksichtigt habe, auf deren Basis längst ein Beschluss der Agrarminister möglich gewesen wäre.

"Für die deutschen Bauern sind die derzeit vorliegenden Kommissionsvorschläge kein Zukunftsmodell", stellte der Bauernpräsident fest. Wenn diese Vorschläge realisiert würden, hätte dies Einkommenseinbußen in Milliardenhöhe, ein Zementieren der augenblicklichen Strukturen und fehlende Perspektiven gerade für die jungen Landwirte zur Folge. Der derzeitige Verhandlungsstand bedeute keine politische Langzeitperspektive für eine nachhaltige Landwirtschaft, die nach Worten des Agrarkommissars das Ziel der Reform sei. "Was derzeit auf dem Verhandlungstisch liegt, würde einer Re-Nationalisierung der EU-Agrarpolitik Tür und Tor öffnen", analysierte Sonnleitner.

Zum zentralen Streitpunkt des Agrarrates, der Entkopplung, habe der DBV ein klares und pragmatisches Konzept auf der Basis einer sektoralen Entkopplung, also einer Unterscheidung zwischen Ackerbau, Rinderhaltung und Milcherzeugung, erarbeitet. Nach derzeitigem Verhandlungsstand mit einer vertikalen Entkopplung würde dagegen auf die Landwirtschaft "Bürokratie pur" zukommen. "Mit dem Fischler-Vorschlag zur Teilentkopplung droht ein bürokratischer Super-Gau für unsere kleinbäuerlichen und mittelständischen Betriebe", betonte Sonnleitner. Zudem würde kein Landwirt in der EU erkennen, mit welchen Direktzahlungen er noch rechnen könne. Die Mitgliedstaaten könnten den einzelnen Bauern praktisch ohne Begrenzung alle jetzigen Direktzahlungen entziehen und sie völlig neu verteilen, ohne Rücksicht auf die wirtschaftliche Situation der Betriebe. Ein solches System lehne der Bauernverband strikt ab.

Durch die so genannte Modulation und Degression werde die Agrarpolitik für die Landwirte völlig unberechenbar. So sollten Direktzahlungen ab 2007 zur Deckung aktueller Lücken im EU-Agrarhaushalt herangezogen werden. Damit könne kein Landwirt mehr kalkulieren, wie hoch die Ausgleichszahlungen für seinen Betrieb sein werden. Außerdem bedeuteten die Vorschläge für eine 5-prozentige Kürzung der Direktzahlungen (Modulation), dass den deutschen Bauern faktisch zweieinhalb Prozent ihres Einkommens verloren gehen.

Sonnleitner machte auf der Pressekonferenz nachdrücklich auf die schwierige existenzbedrohende Lage der Milcherzeuger aufmerksam. Die 125.000 Milchbauern in Deutschland mit einem Durchschnittseinkommen von 19.000 Euro und sinkenden Einkommensperspektiven im laufenden Jahr könnten die von Fischler vorgeschlagenen Milchpreissenkungen und Milchquotenerhöhungen nicht mehr verkraften. Eine Senkung der Interventionspreise für Butter um 28 Prozent bzw. für Magermilchpulver in Höhe von 15 Prozent sei deshalb nicht zustimmungsfähig. Diese Preissenkungen würden für einen durchschnittlichen Milchviehbetrieb in Deutschland mit ca. 30 Kühen einen Einkommensverlust von jährlich rund 10.000 Euro bedeuten. Dagegen würden die vorgeschlagenen Ausgleichszahlungen würden die Verluste nur zur Hälfte kompensieren. Die vorgeschlagene zusätzliche Aufstockung der Milchquoten um 1,5 Prozent und die zusätzlichen Mengen für einige Länder in Südeuropa lehnt der DBV kategorisch ab, da dann wieder die Milchseen der 80iger Jahre drohten. Eine solche Politik gefährde nicht nur Tausende bäuerliche Existenzen inklusive der vor- und nachgelagerten Bereiche, sondern sei gegen die Erhaltung der Kulturlandschaft, insbesondere der Grünlandstandorte ausgerichtet.

Es sei fatal, dass Agrarrat und EU-Kommission den Beschluss des Europaparlamentes ignorierten, welches die dramatischen Einschnitte in der Milchmarktpolitik abgelehnt habe. Auch Ministerin Künast setze sich über den Beschluss ihrer eigenen grünen Fraktion hinweg, auf weitere Preissenkung im Milchbereich wie auf eine Erhöhung der Milchquoten zu verzichten. Wer etwas für die Milcherzeuger tun wolle, so Sonnleitner, müsse sich über eine Erhöhung des Milchpreises bzw. eine Senkung der Milchquote einsetzen.

Agrarkommissar Franz Fischler wie Ministerin Künast hätten in den vergangenen Jahren immer wieder betont, Qualität müsse auch bei Nahrungsmitteln ihren Preis haben. Ohne Not werde jetzt durch die Reformvorschläge zur Gemeinsamen Agrarpolitik zusätzlicher Preisdruck auf den Märkten für Milch, aber auch Getreide ausgelöst. Dies sei ein völlig falsches Signal sowohl für die Verbraucher als auch für die nachhaltig produzierenden Bauern.

Mit den derzeitigen Vorschlägen werde auch der Verhandlungsspielraum der EU bei der anstehenden WTO-Runde ohne Not verschenkt, was ein völlig falsches Signal zum falschen Zeitpunkt an Nord- und Südamerika, Australien und Neuseeland bedeute, die den Freihandel über den Natur- und Tierschutz stellen. Die EU habe in den Verhandlungen erhebliche Zugeständnisse gemacht, diese Länder jedoch bisher noch keine.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Bauernverband e.V. (DBV) Godesberger Allee 142-148, 53175 Bonn Telefon: 0228/81980, Telefax: 0228/8198205

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