Pressemitteilung | ZVEI e.V. - Verband der Elektro- und Digitalindustrie

Elektroindustrie senkt Wachstumsprognose 2005 auf + 1 Prozent / ZVEI: Politische Weichenstellungen entscheidend für mehr Wachstum in Deutschland / Bachelor- und Masterstudiengänge für Innovationen in der Ingenieurausbildung nutzen

(Frankfurt am Main) – Nachdem die Elektroindustrie noch zu Jahresbeginn von einer Umsatzzunahme von drei Prozent ausgegangen war, sieht sich der ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie gezwungen, die Wachstumsprognose abzusenken: „Der Umsatz der zweitgrößten Industriebranche wird 2005 nur leicht um ein Prozent auf knapp 165 Mrd. Euro zunehmen“, erklärte ZVEI-Hauptgeschäftsführer Gotthard Graß vor der Wirtschaftspresse in Frankfurt. Ausschlaggebend dafür seien die hartnäckige Flaute am Inlandsmarkt, die nachlassende Dynamik im Ausland und der anhaltende Preisverfall. „Die seit vier Jahren zu beobachtende ‚Waschbrettkonjunktur’ geht so in ihre dritte Runde. Offensichtlich haben die traditionellen Konjunkturzyklen in unserer Branche an Bedeutung verloren und werden durch kurzfristige Ausschläge überlagert“, so Graß.

Von Januar bis Mai dieses Jahres stagnierten die in Deutschland fakturierten Umsätze der deutschen Elektrotechnik- und Elektronikindustrie auf Vorjahresniveau. Die mit inländischen Kunden getätigten Umsätze lagen in diesem Zeitraum um ein Prozent niedriger als ein Jahr zuvor. Auch das Geschäft mit ausländischen Kunden hat nach Angaben des Verbandes bis zur Jahresmitte mit einem Plus von lediglich zwei Prozent an Dynamik verloren. 2004 hatten die Auslandsumsätze noch um gut zehn Prozent zugelegt.

Zu kämpfen haben viele Unternehmen der Branche mit gestiegenen Einkaufspreisen für Rohstoffe und Materialien, während Preis¬erhöhungen nach Einschätzung von Graß nur schwer durchzusetzen seien. So sind dem ZVEI zufolge die Materialpreise bei Hausgeräten, die dort etwa die Hälfte der gesamten Kosten ausmachen, um rund ein Fünftel gestiegen.

Bis Ende Mai ging die Zahl der in Deutschland Beschäftigten um weitere 7.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf weniger als 800.000 zurück. Weniger Menschen arbeiteten in der Elektroindustrie zuletzt 1959. „Die Kapazitätsauslastung liegt mit knapp 80 Prozent erneut tief in der Unterkühlungszone, und bei den Auftragsbeständen verzeichnen wir ein Rekordtief von zwei Monaten“, beschreibt Graß die „derzeit wenig erfreuliche Lage“.

Eine kurzfristige Trendwende sei trotz der realistischeren Bewertung des Euro gegenüber anderen wichtigen „Elektrowährungen“ nicht in Sicht. Im Inland lagen die Orders von Januar bis Mai um fast zwei Prozent unter Vorjahresniveau. Belebung sei hier weder von den Investitionen noch vom Konsum zu erwarten. So überwiegen in der Automati¬sierungsindustrie insbesondere im Inlandsgeschäft die Minuszeichen. In der Energietechnik wird nach der Novellierung des Energiewirt¬schaftsgesetzes mit Investitionsimpulsen frühestens 2006 gerechnet. „Bei den Gebrauchsgütern konnte auch das erfolgreiche Geschäft mit Flachbildschirmen, digitalen Kameras oder MP3-Spielern nicht über die allgemeine Tristesse der Verbraucher, über Angstsparen und ‚Geiz-Ist-Geil-Mentalität’ hinwegtäuschen“, so der ZVEI-Hauptgeschäftsführer.

Etwas günstiger sei das Bild erneut im Ausland, wo die Orders in den ersten fünf Monaten des Jahres um ein Prozent über dem hohen Vorjahresniveau lagen. Die weltweite Nachfrage nach deutschen Spitzentechnologien zum Beispiel in der Automation, der Energietechnik, der Medizintechnik, der Schienenverkehrstechnik, der Kommunikations- und Automobilelektronik, der Mikroelektronik und Mikrosystemtechnik sowie der Gebäude- und Lichttechnik sei nach wie vor ungebrochen. Der Weltmarkt für die Hochtechnologiebranche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie wachse nach wie vor kontinuierlich auf breiter Basis und werde sich innerhalb der nächsten zehn Jahre verdoppeln. Immer mehr Unternehmen der Branche nutzten diese Chancen durch ein entsprechendes Engagement im Ausland. So seien inzwischen knapp 450.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Unternehmen der deutschen Elektroindustrie im Ausland beschäftigt.

Schlüssel für mehr Wachstum liegt in Deutschland und EU

„Diese gegenläufigen Entwicklungen auf dem deutschen und dem Weltmarkt machen deutlich“, analysiert Graß, „dass der Schlüssel zu mehr Wachstums-, Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland und der EU liegt.“ Alleine bei Hochtechnologie-Infrastrukturen im Kommunikations-, Energie-, Verkehrs-, Sicherheits- und Gesundheitsbereich beträgt der Investitionsstau in Deutschland nach Schätzungen des ZVEI schon heute mehr als 50 Mrd. Euro. Durch eine Vielzahl von Initiativen zu einer investitionsorientierten Regulierung und zur Mobilisierung privaten Kapitals für diese Aufgaben will der ZVEI dazu beitragen, dass sich dieser Investitionsstau in den nächsten Jahren auflöst. „Mehrere 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze ließen sich so allein in der Elektroindustrie schaffen“, so Graß, „ganz abgesehen von den übergreifenden Vorteilen, die eine leistungsfähigere Infrastruktur für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft insgesamt hätte.“

Standorterfolg abhängig von Modernisierung des Bildungssystems

Neben der Entwicklung wettbewerbsintensiver und dynamischer Absatzmärkte ist für den ZVEI die Modernisierung des Bildungssystems von herausragender Bedeutung. „Hier entscheidet sich, ob die deutsche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie international führend bleibt“, umreißt Graß das Ziel. Zwar sei die Qualität der deutschen Ingenieurausbildung an den Technischen Universitäten und Fachhochschulen unbestritten. Doch erfordere der Wandel in der Arbeitswelt Innovationen auch in der Hochschulausbildung. Gerade in der Elektrotechnik- und Elektronikindustrie finde die industrielle Wertschöpfung immer stärker in interdisziplinären und internationalen Teams statt. Im Laufe ihres Berufslebens wechselten Ingenieure zunehmend von ihren technischen Aufgaben hin zu Vertriebs- und Marketing-Tätigkeiten, zum Kundenservice oder zur technischen Dokumentation. Auf diese Flexibilität müsse schon im Studium vorbereitet werden.

Der hohe Theorieanteil im Grundstudium, der von vielen Studenten als belastend und demotivierend empfunden werde, müsse besser mit Praxisanwendungen verbunden werden. Dann könne es gelingen, nicht nur mehr Studienanfänger zu gewinnen, sondern auch die Quote der Studienabbrecher zu verringern. Fast jeder zweite Universitätsabsolvent und jeder dritte FH-Student beendet heute sein Elektrotechnik-Studium nicht.

In der Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge sieht die deutsche Elektrotechnik- und Elektronikindustrie deshalb vor allem Chancen. So erwartet die Industrie neue Lehrpläne, welche die Studierenden noch besser als bisher auf die Arbeitwelt der Zukunft vorbereiten und zum Beispiel technische, organisatorische und kaufmännische Qualifikationen stärker miteinander verbinden sollen. „Universitäten und Fachhochschulen müssen ihre eigenen Profile erhalten und stärken, aber zugleich mehr aufeinander zugehen und sinnvolle Kooperationsmodelle entwickeln,“ so Graß. Wichtiges Ziel sei zudem die Stärkung der Mobilität innerhalb des deutschen Bildungssystems sowie zwischen deutschen und ausländischen Hochschulen. Dies gelte sowohl für deutsche Studenten, die ohne Zeitverlust einen Teil ihrer Ausbildung im Ausland absolvieren wollen als auch für ausländische Studenten, die mit einem Bachelor oder Master Made in Germany hervorragende Botschafter für deutsche Technologien werden könnten.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie e.V. (ZVEI) Stresemannallee 19, 60596 Frankfurt Telefon: 069/6302-0, Telefax: 069/6302-317

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