Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Michael Sommer: Innovationen voranbringen - soziale Balance wieder herstellen

(Berlin) - Zu der Regierungserklärung von Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Michael Sommer, am 25. März in Berlin: "Ich begrüße außerordentlich die Einsicht von Bundeskanzler Gerhard Schröder, dass unser Land nur durch Innovationen seine Spitzenposition im internationalen Wettbewerb halten und damit den Wohlstand der heutigen und von künftigen Generationen sichern kann. Seine Bewertung der sozialpolitischen Reformen im vergangenen Jahr dagegen halte ich für falsch. Einseitige Belastungen von Beschäftigten, Arbeitslosen, Rentnern und ihren Familien sind sozial ungerecht. In phantasieloser Weise wurden Kosten der Krise den Opfern der Krise aufgebürdet. Die Reformen, beschlossen von einer informellen großen Koalition, leisten keinen Beitrag zur Belebung der Wirtschaft und des Arbeitsmarktes.

Die Absicht der Bundesregierung, die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 auf drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu steigern, ist goldrichtig. Nicht nur, weil die Goldreserven der Bundesbank eingesetzt werden sollen. Über andere Wege wird zu reden sein, in einem intelligenten Konzept kann auch die Eigenheimzulage eine Rolle spielen. Eine auf Fortschritt gepolte Wirtschaft braucht gut ausgebildete Beschäftigte. Das liegt nicht allein nur in der Verantwortung des Staates, der natürlich seine Bildungsanstrengungen massiv verstärken muss. Die Wirtschaft ist gefordert, endlich ihren Beitrag zur Ausbildung junger Menschen zu leisten. Vor diesem Hintergrund begrüße ich das Bekenntnis des Bundeskanzlers zu einer Ausbildungsumlage, die einen Aus-gleich schaffen wird zwischen engagierten Unternehmen und Trittbrettfahrern im Ausbildungssystem.

Eine Wirtschaftsordnung, die auf engagierte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer setzt, muss diese auch in Entscheidungsprozesse einbeziehen. Deswegen muss die Mitbestimmung weiterentwickelt und die Tarifautonomie gesichert werden. Nur dann bleibt die Augenhöhe bei Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern gewahrt.

Die Bewertung der sozialpolitischen Reformen des vergangenen Jahres teile ich dagegen nicht. Die soziale Schieflage ist nicht zu übersehen. Viele Bürgerinnen und Bürger sind zu Recht entrüstet über die einseitigen Belastungen, die von Beiträgen auf ihre Betriebsrenten, Rentenkürzungen, Entsolidarisierung der Sozialversicherungen bis hin zum Lohndumpinggesetz, Zumutbarkeitsregelung) reichen, dass als Untergrenze für Einkommen nur mehr die Sittenwidrigkeit vorsieht. Hier muss es noch im laufenden Jahr zu Korrekturen kommen. Die soziale Balance muss wieder hergestellt werden.

Weiteren Verschärfungen, wie sie von Arbeitgebern, Union und FDP gefordert werden, erteile ich eine klare Absage. Die Debattenbeiträge von Angela Merkel und Guido Westerwelle sind ein Ausweis dafür, wie Politiker ihren Gestaltungswillen aufgeben können, in dem sie sich die Forderungen von Finanzmarktanalysten und konservativen Ideologen zu eigen machen.

Es ist aber auch eine gravierende Leerstelle in der Regierungserklärung, dass sie keine Konsequenzen aus den drei Jahren Wirtschaftskrise zieht. Dass die Wirtschaft so lange stagnierte und der Arbeitsmarkt weiter erodiert, liegt an einer grundfalschen Finanzpolitik. Ein "weiter so" darf es nicht geben. Die finanzpolitischen Spielräume zur Konjunkturpolitik in Deutschland und Europa müssen erweitert werden. Stagnation und Wirtschaftskrise heute sind die größte Hypothek für zukünftige Generationen.

Zur Entsolidarisierung der Gesellschaft gibt es Alternativen, für die die Gewerkschaften werben. Die Stichpunkte sind: Die Weiterentwicklung der Sozialversicherungen zu Bürger- und Erwerbsstätigenversicherungen. Die bessere Alternative zu 400 Euro-Jobs, die zu einer massenhaften Vernichtung von Vollzeitarbeitsplätzen führen, ist die stärkere Steuerfinanzierung der sozialen Sicherungssysteme. Die Diskussion über einen an Effizienz und Solidarität orientierten Umbau unserer Sozialversicherungen sollte noch in dieser Legislaturperiode begonnen werden.

Unser Land braucht Reformen, damit es endlich besser wird. In der Wirtschafts-, der Sozial- und der Arbeitsmarktpolitik. Ein Kurswechsel ist dringend erforderlich. Deswegen rufen wir Gewerkschaften europaweit alle Bürgerinnen und Bürger am 2. und 3. April zu einem europäischen Aktionstag auf. In Berlin, Köln und Stuttgart werden auch in Deutschland Demonstrationen stattfinden, von denen ein klares Signal ausgehen wird, an dem keine Partei und Regierung vorbeikommt."

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2, 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0, Telefax: 030/24060324

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