Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Schwierige Lage der öffentlichen Finanzen im Euroraum

(Berlin) - Seit mehr als zwei Jahren nimmt das aggregierte Finanzierungsdefizit der öffentlichen Haushalte im Euroraum zu. Zum ersten Mal seit 1996 erhöht sich nunmehr auch der Bruttoschuldenstand, so der aktuelle Wochenbericht 29/2003 des DIW Berlin. Die Abgabenquote ist in den letzten zwei Jahren gesunken. Die Ausgabenquote steigt seitdem. Hierin spiegelt sich konjunkturentsprechend vor allem das Wirken der automatischen Stabilisatoren, insbesondere der Anstieg der sozialen Leistungen für Arbeitslose. Die Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Erholung im Euroraum wurden bisher enttäuscht, und es kommt in mehreren Ländern zu deutlichen Zielverfehlungen. Vor diesem Hintergrund ist es erforderlich, den Europäischen Stabilitätspakt konjunkturgerecht auszulegen und zu reformieren, damit er die Basis für wirtschaftliches Wachstum wie solide Staatsfinanzen stärkt und nicht unterhöhlt.

Die laufenden Finanzierungsdefizite der öffentlichen Haushalte nehmen zumindest in diesem Jahr weiter zu; zwangsläufig verschärft sich damit die Konsolidierungsproblematik erneut. Für den Euroraum insgesamt wird das Defizit bei etwa 2,5 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt liegen. Allerdings wird die Defizithöhe in starkem Maß durch die großen Volkswirtschaften Deutschland und Frankreich bestimmt, wo diese Grenze in diesem Jahr wiederum deutlich überschritten werden dürfte; eine Reihe kleinerer Länder weist Defizite von nur einem Prozent oder weniger auf. Finnland hat sogar einen deutlichen Überschuss.

Eine grundsätzliche Neuorientierung des Stabilitäts- und Wachstumspakts scheint unumgänglich. Eine solche Neuorientierung müsste mindestens drei Elemente enthalten: Erstens sollte ein reformierter Stabilitätspakt im Hinblick auf seine konjunkturellen Wirkungen symmetrisch angelegt sein. Der bisherige Pakt ist hingegen asymmetrisch. In Perioden sich abschwächender Konjunktur werden die konjunkturstützenden Wirkungsmöglichkeiten durch die Maastricht-Kriterien frühzeitig begrenzt.

Zweitens sollte ein reformierter Stabilitätspakt eine größere Flexibilität als bisher hinsichtlich der Einhaltung einer Obergrenze für die Defizite zulassen. Dies würde bedeuten, dass die 3%-Obergrenze abgeschafft wird.

Drittens sollten an die Stelle der Defizitziele Ausgabenziele gesetzt werden. Ausgabensteigerungen für die konjunkturunabhängigen Ausgaben müssten dann mittelfristig so in ihrer Höhe begrenzt werden, dass sie unter der Entwicklung des realen Wachstumspotentials der Volkswirtschaft liegen. Auf längere Sicht käme es mit der so angelegten Rückführung der Ausgabenquote automatisch zu einer Konsolidierung. Zugleich ließe sich in Abschwungphasen eine ausgeprägt prozyklische Politik vermeiden. Die notwendige Zeitspanne bis zum Erreichen eines annähernden Haushaltsausgleichs hinge damit von der konjunkturellen Entwicklung ab; sie kann sich vergrößern, wenn zwischendurch die Abgabenquote gesenkt würde. Auch von einer solchen Konsolidierungsstrategie geht tendenziell ein restriktiver Impuls aus. In Zeiten konjunktureller Abschwächung sollte daher die Geldpolitik diesem entgegenwirken, bis die angestrebte Konsolidierung erreicht ist.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung ( DIW ) Königin-Luise-Str. 5, 14195 Berlin Telefon: 030/897890, Telefax: 030/89789200

NEWS TEILEN: