Pressemitteilung | Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa)

SpiFa befragt Parteien im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 zu Themen der Versorgung durch Fachärzte in Klinik und Praxis

(Berlin) - Die Bundestagswahl steht kurz bevor und wie in jedem Bundestagswahlkampf gilt, dass man mit Gesundheitspolitik keine Wahl gewinnt, wohl aber damit verlieren kann. So wird es dann auch dieses Mal in der Auseinandersetzung der Parteien wieder um gesundheitspolitische Grundsatzfragen gehen, aber man ist dabei gut beraten, auch auf die Details zu achten.

Denn in der Regel ist "nach der Reform vor der Reform" - 2018 wird aller Voraussicht nach, das erste Gesundheitsreformgesetz der neuen Koalition auf den Weg gebracht werden. Wer mit wem koalieren wird, ist natürlich noch nicht klar. So wundert es nicht, dass das Gespenst einer "Bürgerversicherung" durch Deutschland geistert - nicht zum ersten Mal - erneut ohne konkrete Pläne wie man diese gestalten will. Der medizinische Fortschritt mit immer differenzierterer und aufwendigerer Versorgung, Demografie, Morbiditätsverdichtung und der Ärztemangel sind die Herausforderungen der unmittelbaren Zukunft, die die Politik gemeinsam mit den Beteiligten im Gesundheitswesen nicht nur erkennen, sondern für die sie praktikable Lösungen vorweisen muss, wenn sie die Qualität der Gesundheitsversorgung auf erhalten will. Die Ressourcen und damit die Leistungen von Ärztinnen und Ärzten im Gesundheitswesen müssen effizient eingesetzt werden, um nicht an die Grenze der Versorgungsmöglichkeit zu geraten.

In ihren Wahlprogrammen präsentieren die politischen Parteien viele Allgemeinplätze und werden selten konkret. Darum hat der SpiFa e.V. im Vorfeld der Wahl nicht nur beschlossen, sich mit Grundsatzpapieren wie "E-Health in der Versorgung", "Innovationen im deutschen Gesundheitsmarkt" und "Fachärzte in der Grundversorgung" (aufsetzend auf die Agenda "Facharzt 2020" aus Juni 2016) in die aktuelle politische Debatte aktiv einzubringen. Vielmehr sind sich die Mitgliedsverbände des SpiFa einig, dass durch die Ärzteschaft selbst konkrete Vorschläge zur Weiterentwicklung unseres Gesundheitssystems gemacht werden müssen. Um diese Vorschläge sodann in der heißen Phase des Wahlkampfes mit den Parteien und insbesondere den Kandidaten zu diskutieren und nach der Wahl durch konkrete Aktionen in Ansätzen einer Koalitionsvereinbarung zu verankern, hat der SpiFa mit seinen "Wahlprüfsteinen"-Fragen an die relevanten Parteien zu deren Positionen zu den wesentlichen die Fachärzte betreffende Belange übermittelt.

Dem Zusammenspiel von Freiberuflichkeit, einer tatsächlich ärztlichen Gebührenordnung und funktionierenden Selbstverwaltungsstrukturen kommt aus fachärztlicher Sicht eine ganz wesentliche Rolle zu. Die freiberufliche Tätigkeit des Arztes und auch die darauf erst begründbare Vertrauensbeziehung zwischen ihm und seinem Patienten sind wesensbildend für einen dem Patienten und dem Allgemeinwohl verpflichteten Arztberuf. In einer digitalen, von technischen Systemen begleiteten Medizin stehen für uns der Mensch und insbesondere die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient im Zentrum jeder gesundheits- und berufspolitischen Überlegung und zwar unabhängig davon, ob der Arzt angestellt oder selbstständig in Klinik oder Praxis tätig ist. Die Parteien unterstützen grundsätzlich durchweg, dass die Leistung des Arztes, die per Definition von Freiberuflichkeit eine persönliche, eigenverantwortliche und fachlich unabhängige Erbringung von Dienstleistungen höherer Art ist, als solche erhalten werden muss. Die Förderung der Freiberuflichkeit insbesondere im Kontext der Niederlassungsfreiheit jedoch wird von den Parteien in sehr unterschiedlicher Weise beantwortet.

Eher kritisch äußern sich die Parteien zur Forderung des SpiFa nach einer Entbudgetierung von Leistungen der Grundversorgung, welche durch Fachärzte erbracht werden. Überwiegend werden Befürchtungen von enormen Kostensteigerungen als Begründung für die ablehnende Haltung genannt. Für die Fachärzte, die Leistungen der Grundversorgung erbringen, bedeutet das, dass sie deutlicher machen müssen, dass es nicht darum geht, anderen Versorgungsbereichen etwas wegzunehmen, sondern darum, die gemeinsame Grundversorgung, die derzeit informell, nicht organisiert und ohne steuernde Elemente stattfindet, anzuerkennen und weiterzuentwickeln. Einzig die Freien Demokraten (FDP) möchten die Budgetierung im Gesundheitswesen abschaffen, da sie "zu einer Unterfinanzierung der medizinischen Versorgung sowie zu einem Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung in den ländlichen Regionen und sozialen Brennpunkten" geführt habe.

Die wohnortnahe ärztliche Grundversorgung ist aufgrund der zunehmenden Alterung der Gesellschaft sowohl im ländlichen Raum als auch in Ballungsgebieten in Deutschland gefährdet. Sie stellt aber das Rückgrat der medizinischen ambulanten Gesundheitsversorgung dar und ist gleichzeitig Ausgangspunkt des gesamten Versorgungsprozesses in Deutschland. Es muss einerseits der Versorgungsbedarf eines mündigen, gut informierten Patienten mit akuten Beschwerden als auch die kontinuierliche Patientenversorgung, insbesondere bei chronischen Erkrankungen, mitberücksichtigt werden. Die Managementfunktion, die der Hausarzt für multimorbide Patienten mit Multimedikationen einnimmt, wird damit nicht in Frage gestellt. Die Politik ist aufgefordert, die wohnortnahe Grundversorgung auch vor dem Hintergrund des zu erwartenden Arztmangels von Hausärzten und Fachärzten, die viele Patienten in der Grundversorgung betreuen, durch vernünftige Steuerung ressourcenschonend sicherzustellen und die gesetzlichen Rahmenbedingungen auch für diese Fachärzte zu aktualisieren.

In Punkto Erhalt oder Abschaffung unseres bewährten dualen Krankenversicherungssystems ist die Gewichtung eindeutig. Die Unionsparteien und die FDP möchten ganz klar die Dualität aus Gründen des Wettbewerbs und des schnellen Innovationszugangs über die Privaten Krankenversicherungen erhalten. Für Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke ist die private Krankenversicherung Hauptursache für eine Ungleichbehandlung der Versicherten und Wettbewerbshemmnis zugleich. Beide möchten ein einheitliches Versicherungssystem etablieren. Die AfD hat sich "noch nicht abschließend entschieden", wie sie sich in dieser Frage positioniert, aber Tendenzen und erste Entscheidungsprozesse skizziert.

Ein ähnliches Bild ergibt sich bei der Frage der Notwendigkeit von mehr Eigenverantwortung des Patienten. CDU/CSU und FDP halten Preissignale für Versicherte für ein "wichtiges, aber nicht das einzige Steuerungsinstrument" bzw. möchten sicherstellen, "dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, das für sich und seine Lebensform am besten geeignete Modell zu wählen". Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke lehnen mehr Eigenverantwortung mit dem Hinweis auf eine Benachteiligung von Patienten mit geringem Einkommen bzw. sozialer Ungerechtigkeit ab. Die AfD unterstützt die Einführung freiwilliger Anreiz- oder auch Rückvergütungsmodelle, ist gleichzeitig aber der Auffassung, dass das "legitime Ansinnen, den Bürger auch für seine Gesundheit mehr in die Pflicht zu nehmen, oftmals an der praktischen Durchführbarkeit" scheitere.

Alle befragten Parteien bewerten das Prozedere der Einführung von Innovationen ins Gesundheitssystem als reformbedürftig. Genannt werden u.a. Beschleunigung des Verfahrens beim G-BA, Verbesserung von Interoperabilität der Systeme und Abbau bürokratischer Hemmnisse. Ebenso einig ist man sich darüber, dass Telemedizin immer versorgungsergänzend, durch einen Arzt initiiert und niemals arztersetzend sein darf. Die Möglichkeiten der Digitalisierung werden als Chance für Verbesserungen der Versorgungsqualität beschrieben.

Alle Parteien lehnen den Vorschlag des SpiFa nach einer Ausweitung des Verbotsvorbehalts auf den ambulanten Versorgungsbereich mit dem Hinweis auf Bedenken bezüglich Kostensteigerung, bzw. ausreichenden Möglichkeiten über selektivvertragliche Versorgungsmodelle ab.

Die Lösungsansätze zur Frage wie die Versorgung von Patienten im stationären Sektor durch spezialisierte niedergelassene Fachärzte und auch durch Fachärzte für Allgemeinmedizin praktisch gefördert werden kann, entsprechen in einigen/weiten Teilen der SpiFa-Forderung nach einer Weiterentwicklung des Belegarztwesens als guter und bewährter Möglichkeit für die Verzahnung ambulanter und stationärer Behandlungsstrukturen. Das gibt Anlass zur Hoffnung, dass in der kommenden Legislaturperiode die Rahmenbedingungen angepasst und die Voraussetzungen für eine sinnvolle Weiterentwicklung dieses Bereiches geschaffen werden. Die Arbeitsgruppe "Belegarztwesen" des SpiFa wird diesen Prozess mit eigenen Vorschlägen unterstützen.

Die Antworten zu den Wahlprüfsteinen sind in ungekürzter, vollständiger Fassung abrufbar unter www.spifa.de.

https://www.spifa.de/positionen

Quelle und Kontaktadresse:
Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e.V. (SpiFa) Pressestelle Kantstr. 44/45, 10625 Berlin Telefon: (030) 40009631, Fax: (030) 40009632

(cl)

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