Pressemitteilung | Deutscher Städte- und Gemeindebund e.V. (DStGB)

Starke Gemeinden als Fundament eines gemeinsamen Europas

(Berlin) - „Starke Gemeinden als Fundament eines gemeinsamen Europas“, damit umschrieb Herr Dr. Gerd Landsberg, Geschäftsführendes Präsidialmitglied des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), das zentrale Ergebnis einer gemeinsamen Tagung des DStGB und des Österreichischen Gemeidebundes am 01. und 02. Oktober 2002 in Wien, bei der gemeinsame Forderungen an die laufenden Arbeiten des EU-Konvents an einer Europäischen Verfassung in Brüssel beschlossen wurden.


1. Achtung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts

An erster Stelle der Erwartungen und Forderungen der deutschen und österreichischen Städte und Gemeinden an den EU-Konvent steht die Achtung des national gewährleisteten kommunalen Selbst-verwaltungsrechtes in einem europäischen Grundlagenvertrag. Vor der Gründung der Nationalstaaten war Europa ein Gebilde aus Städten, Gemeinden und Regionen. Aus diesen selbstbewussten dezentralen Strukturen ist die Europäische Union gewachsen, und sie prägen und bestimmen ihre Identität bis heute nachhaltig. Dennoch ist die kommunale Selbstverwaltung noch keine Größe des europäischen Rechts geworden. Es ist davon auszugehen, dass auch die Strukturen und Rechte der Kommunen zum Bestand der nationalen Identität der Mitgliedsstaaten im Sinne von Art. 6 EU-Vertrag gehören. Dies sollte dort auch expressis verbis zum Ausdruck gebracht werden. Die EU-Charta der Grundrechte weist dabei in die richtige Richtung, denn diese bringt die Achtung Europas für die Organisation der staatlichen Gewalt auf lokaler Ebene zum Ausdruck.


2. Grundrechte und Sicherung der Daseinsvorsorge

Der EU-Konvent ist vor die grundlegende Aufgabe gestellt, seinen Entscheidungen ein Wertekonzept zu Grunde zu legen. Dazu gehört auch, ein europäisches Gesellschaftsmodell zu entwerfen. Die Europäische Union, historisch gewachsen vor allem als Wirtschaftsbündnis mit dem vorrangigen Ziel des freien Binnenmarktes, muss von einer Wirtschaftsgemeinschaft zu einer echten Wertegemeinschaft weiter entwickelt werden. Grundlegend ist dafür die EU-Charta der Grundrechte, die erster Teil eines Europäischen Grundlagenvertrags werden sollte.

In diesem Kontext muss die Frage gestellt und beantwortet werden, welchen Stellenwert die Dienstleistungen der Daseinsvorsorge und soziale Leistungen im europäischen Wertemodell haben. Die Kommunen haben - gerade in Deutschland und Österreich - die Erfahrung gemacht, dass die gewachsenen und erfolgreichen Strukturen der kommunalen Daseinsvorsorge und der Erbringung von Diensten vor Ort umso mehr in Frage gestellt werden, je stärker im europäischen Binnenmarkt der Liberalisierungsgedanke Raum greift. Der Wettbewerbsgedanke darf nicht alleiniges Leitbild europäischer Politik sein. Grundlegende Leistungen der Daseinsvorsorge müssen auch in Zukunft für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich sein, wobei die Gleichheit des Zugangs zu diesen Dienstleistungen, die Versorgungssicherheit, die Gemeinwohlbindung und die Qualität dieser Dienstleistungen im Vordergrund stehen müssen. Und: Wo die Einhaltung dieser Kriterien es erforderlich macht, müssen auch in Anbetracht des europäischen Wettbewerbsrechts die notwendigen öffentlichen Unterstützungen für diese Dienstleistungen möglich bleiben.


3. Gesetzesfolgenabschätzung und Finanzbelastungen

Weitere wichtige Forderungen der österreichischen Städte und Gemeinden an den EU-Konvent betreffen den Bereich der Gesetzesfolgenabschätzung und der finanziellen Belastungen der Gebietskörperschaften bei EU-Vorhaben. Die deutschen und österreichischen Städte und Gemeinden fordern den EU-Konvent auf, dass zukünftig EU-Regelungen nur dann in Kraft treten können, wenn zuvor die Folgen – sowohl administrativ wie finanziell - abgeschätzt und möglichst gering gehalten werden. Zudem sind auf nationaler Ebene entsprechende Finanzausgleiche für die Kommunen unverzichtbar.


4. Stärkung des Ausschusses der Gemeinden und Regionen

Der Ausschusses der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften der Europäischen Union (kurz: AdR) muss institutionell gestärkt werden. Die Mitglieder des AdR sind mit einem Wahlmandat der Menschen an der Basis ausgestattet. Trotz dieses politischen Rückhalts von der Basis verfügt der AdR nach wie vor nur über ein Anhörungs-recht, also die schwächste Form der Mitwirkung. Daher muss der AdR mit organschaftlichen Rechten ausgestattet werden und ein eigenes Klagerecht vor dem Europäischen Gerichtshof bei Subsidiaritätsverstößen erhalten.

Wegen der politischen Bedeutung des Ausschusses einerseits und der Bedeutung der Kommunen andererseits sollte in einem Europäischen Grundlagenvertrag zudem festgelegt werden, dass die nationalen Delegationen zu gleichen Teilen aus Delegierten der Kommunen und der Länder zusammengesetzt werden.


Neue Vorsitzende im Europaausschuss des Deutschen Städte- und Gemeindebundes

Bei der Sitzung in Wien wurden zudem die neuen Vorsitzenden des Europaausschuss des DStGB gewählt. Neuer Vorsitzender ist Bürgermeister a.D. Günter Thum, Ratsmitglied in der Stadt Rheine und bislang stellvertretender Ausschussvorsitzender. Herr Thum ist lang-jähriges Mitglied im Präsidium der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas und Delegierter des Verbandes beim Kongress der Gemeinden und Regionen Europas beim Euro-parat.

Neuer stellvertretender Vorsitzender ist Bürgermeister Dr. Karsten Hoppenstedt, Burgwedel, der langjähriger Abgeordneter des Europäischen Parlaments war.

Verabschiedet wurde der bisherige Ausschussvorsitzende und Vizepräsident des DStGB Hans Eveslage, der in Cloppenburg in das Amt des Landrats gewählt wurde.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Städte- und Gemeindebund (DStGB) Marienstr. 6 12207 Berlin Telefon: 030/773070 Telefax: 030/77307200

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