Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

DAV lehnt Bezahlkarte für Geflüchtete ab

(Berlin) - Der Deutsche Anwaltverein (DAV) lehnt die geplante Einführung einer Bezahlkarte im Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ab. Für den Fall einer Einführung muss der Gesetzgeber sicherstellen, dass die Ausgestaltung und der Einsatz diskriminierungs- und einschränkungsfrei erfolgen. Der DAV prognostiziert eine Vielzahl von Praxisproblemen. Es droht zudem ein erheblicher Mehraufwand für Verwaltung und Justiz.

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2012 klargestellt, dass die grundgesetzlich garantierte Menschenwürde migrationspolitisch nicht zu relativieren ist. "Die Einführung einer Bezahlkarte mag zwar grundsätzlich im gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum liegen. Der Gesetzgeber muss aber sicherstellen, dass das Existenzminimum tatsächlich gesichert ist", betont Rechtsanwältin Eva Steffen, Mitglied des Ausschusses Migrationsrecht des DAV. Ohne eine frei verfügbare Barabhebungsfunktion wäre dies nicht gewährleistet.

Ausgrenzende Nachteile der Bezahlkarte

"Die Bezahlkarte ist nicht in allen Geschäften und für jede Dienstleistung einsetzbar", so Steffen. "Sie ist eine Debitkarte ohne Konto. Sie kann in der Regel nur dort genutzt werden, wo man auch mit Kreditkarte zahlen kann." Kartenzahlung ist in Deutschland aber oft erst ab einem bestimmten Geldbetrag möglich - und in vielen alltäglichen Situationen überhaupt nicht: zum Beispiel für einen Einkauf auf Floh- und Wochenmärkten, in kleineren Lebensmittelgeschäften oder am Kiosk. Was ist zudem, wenn die Karte am Wochenende außerhalb der Erreichbarkeit der Behörde verloren geht, gestohlen wird oder der Kartenleser im Lebensmittelgeschäft ausfällt?

Grundrechtsrelevante Einschränkungen beim Leben in der Gemeinschaft

Die technisch möglichen Einschränkungen der Bezahlkarte sind vielfältig und liegen im Ermessen der Länder. Das Repertoire ist schier unbegrenzt - hier nur einige Beispiele:

- Die Verfügbarkeit von Bargeld kann nicht nur eingeschränkt, sondern gänzlich ausgeschlossen werden. Zuzahlungen für Medikamente oder den anwaltlichen Beratungshilfeschein wären ebenso wenig möglich wie die Beitragszahlungen in die Klassenkasse oder die schlichte Inanspruchnahme einer öffentlichen Toilette.

- Inlandsüberweisungen, Ratenzahlungen wie auch die Teilnahme an Lastschriftverfahren können ausgeschlossen oder von einer Freischaltung abhängig gemacht werden. Das erschwert die Inanspruchnahme zahlreicher Dienstleistungen - auch der anwaltlichen -, aber auch den Abschluss von Handyverträgen, die Nutzung von Gebrauchtwarenplattformen wie Ebay-Kleinanzeigen oder kostengünstige Online-Einkäufe.

- Die Begrenzung der Einsetzbarkeit auf ein bestimmtes Postleitzahlengebiet oder bestimmte Händlergruppen sind weitere restriktive Handhabungsmöglichkeiten.

- Durch die fehlende Verknüpfung mit PayPal oder anderen Zahlungsdiensten ist selbst der Kauf von E-Books oder Musik, aber auch Buchungen von überregionalen Bus- und Bahntickets erschwert bis ausgeschlossen.

- Durch den Ausschluss von Auslandsüberweisungen können Unterhaltspflichten gegenüber im Ausland lebenden Kindern nicht erfüllt werden.

"Die Optionen der Leistungsträger sind endlos - dadurch besteht die Gefahr der Willkür durch weitergehende Einschränkungen aus migrationspolitisch motivierten Gründen", mahnt Steffen. "Der Verweis auf die Bezahlkarte greift in nicht zu rechtfertigender Weise in das Selbstbestimmungsrecht der Betroffenen ein und behindert ihre gesellschaftliche Teilhabe und Integration."

Belastung von Verwaltung und Justiz

Die Notwendigkeit von Freischaltungen von Überweisungen, Lastschriften und Online-Käufen sind nicht nur ein datenschutzrechtliches Problem. Absehbare Konflikte werden eine Vielzahl von Widerspruchs-, Eil- und Klageverfahren nach sich ziehen. Das wird zu einer erheblichen Mehrbelastung der Verwaltung und der Justiz und damit zu erhöhten Kosten führen.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Pressestelle Littenstr. 11, 10179 Berlin Telefon: (030) 7261520, Fax: (030) 726152190

(jg)

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