Pressemitteilung | Branchenverband Steinkohle und Nachbergbau e.V.

Grosse Koalition: Realismus in der Kohlepolitik

(Essen) - Nachdem sich einige Vertreter von Parteien und Wirtschaft enttäuscht über das Ergebnis der vorgezogenen Bundestagswahl am 18. September 2005 geäußert haben, ist nunmehr Realismus gefragt. So hat die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und SPD vom 11. November 2005 die Rechtsverbindlichkeit der Zuwendungsbescheide für Steinkohlebeihilfen bis 2008 bestätigt. Die Position des "Auslauf-Bergbaus" hat keine politische Mehrheit gefunden. Die Sozialverträglichkeit bleibt Richtschnur des Anpassungsprozesses und der Prüfung weiterer Einsparungen. Die Verhandlungen unter der Federführung der Bundesregierung sind für 2006 angekündigt. Ein tragfähiges energiepolitisches Gesamtkonzept ist nur mit einem ausgewogenen Energiemix möglich, der auch die heimische Steinkohle einbezieht.

Es kommt jetzt darauf an, die bereits bis 2012 festgelegte Finanzierungslinie für den deutschen Steinkohlenbergbau auch ab 2009 planungssicher zu machen. Aus dem Saarland stammt die Forderung, den Horizont bis mindestens 2015 zu verlängern, um die Planungssicherheit zu erhöhen.

Gegebenenfalls eingesparte Mittel sollen für den Strukturwandel in den Bergbauregionen eingesetzt werden. Das setzt neben der Einsparung, die ja seit 1997 in großem Umfang stattfindet und bis 2012 weitergeht, auch voraus, dass dafür entsprechende Investitionsprojekte gefunden werden, die Zustimmung der EU für die Förderung dieser Projekte erreicht und eine Kofinanzierung durch die Bergbauländer möglich ist. Das wäre in der Tat Neuland, letzteres vor allem im Saarland.

Der deutsche Steinkohlenbergbau steht bereits heute für einen in der deutschen Wirtschaft beispiellosen Abbau öffentlicher Hilfen. Schon der Ende dieses Jahres auslaufende so genannte "Kohle-Kompromiss" vom 13. März 1997 führte in seiner Laufzeit von 1998 bis 2005 zu einer annähernden Halbierung der Bergbau-Beihilfen - von rund 4,8 Mrd. Euro im Jahr 1998 auf 2,7 Mrd. Euro 2005 und verfolgte erklärtermaßen das Ziel, einen "lebenden und gesamtwirtschaftlich vertretbaren Bergbau (zu) erhalten". Die kohlepolitische Vereinbarung vom November 2003 sieht bis 2012 eine weitere Degression bis auf dann noch 1,83 Mrd. Euro vor. Alles in allem haben die öffentlichen Haushalte seit 1996 fast 14 Mrd. Euro eingespart; von 2006 bis 2012 kommen nach der bislang geltenden Beschlusslage weitere Einsparungen von fast 10 Mrd. Euro gegenüber dem Zeitraum 1999 bis 2005 dazu. Von 2005 bis 2012 würden auf dieser Linie 65 Prozent der Steinkohlehilfen abgebaut werden. Das ist ohnegleichen.

Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln beurteilte diese Entwicklung kürzlich als "beispielhaft" sehr eindeutig so: "Der Subventionsabbau im Steinkohlenbergbau sollte in der Politik Schule machen. Würden alle Subventionen zwischen 2005 und 2012 in ähnlichem Ausmaß nach der Rasenmähermethode zurückgefahren wie bei der Steinkohle, müsste der deutsche Fiskus im Jahr 2012 grob geschätzt nur noch 35 Mrd. Euro an Finanzhilfen und Subventionen ausspucken."

Mit der Beihilfen-Degression einher ging bekanntermaßen eine entsprechende Rückführung der Fördermenge - sie wurde zwischen 1997 (50 Mio t) 2005 (26 Mio t) praktisch halbiert - und ein Personalabbau von 84000 Beschäftigten auf rund 35000 Ende dieses Jahres. Gab es 1997 noch 19 Steinkohlenbergwerke in Deutschland, so sind es jetzt infolge von Stilllegungen und Zusammenlegungen gerade noch 9. Dieser Kraftakt - mehr als eine Halbierung der Belegschaftszahl – gelang vollständig sozialverträglich - das heißt ohne betriebsbedingte Kündigungen. Doch das konnte nur mit äußersten Anstrengungen aller Beteiligten erreicht werden. Der weitere Weg sieht für die Zeit zwischen 2006 und 2012 einen Förderrückgang von 26 Mio t auf 16 Mio t vor, verbunden mit einem weiteren Personalabbau auf etwa 19000 Beschäftigte im Jahr 2012. Auch dieser Rückgang - das ist die vereinbarte Vorgabe - muss sozialverträglich vonstatten gehen – also ohne betriebsbedingte Kündigungen. Alle Beteiligten bestätigten 2003 bei der Vereinbarung dieser "Anschlusslösung 2006-2012", der Plan sei "extrem auf Kante genäht", d.h. die Grenze der Sozialverträglichkeit ist damit erreicht.

Die nun in der Koalitionsvereinbarung avisierte Prüfung weiterer Einsparungsmöglichkeiten für den Zeitraum 2009-2012, verbunden mit der Vorgabe des Verzichts auf betriebsbedingte Kündigungen, wurde deshalb auf dem Steinkohlentag 2005 am 8. November in Essen kritisch gesehen . So erklärte der bisherige Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement: "Wer glaubt, dass im Bergbau noch finanzielle Spielräume vorhanden sind, um eine sozialverträgliche Anpassung mit weniger Geld als bisher vorgesehen hinzubekommen, der mag den Beweis dafür antreten." Der Vorstandsvorsitzende der DSK Bernd Tönjes gab zu bedenken: "Wenn wir die bisherige Linie verlassen, die wir bis 2012 verabredet haben, wird das ein Problem mit der Sozialverträglichkeit werden." Und der IG BCE-Vorsitzende Hubertus Schmoldt beharrte in seiner Rede auf dem Steinkohlentag auf einem sozialverträglichen Anpassungsprozess: "Etwas anderes ist mit uns nicht zu machen."

Die Koalitionsvereinbarung der neuen Bundesregierung gibt auch noch an anderer Stelle Anlass zu der Hoffnung, dass deutsche Steinkohle auch noch langfristig einen nennenswerten Anteil an einer sicheren deutschen Energie- und Stromversorgung haben wird. Im Wirtschafts- und Technologieteil der Vereinbarung heißt es: "Energiepolitik ist grundlegende Wirtschafts- und Strukturpolitik. Eine sichere, kostengünstige und umweltgerechte Versorgung mit Energie ist elementare Voraussetzung einer modernen und leistungsfähigen Volkswirtschaft. Sie ist eng verzahnt mit Industrie-, Technologie-, Mittelstands- und Außenwirtschaftspolitik. Deutschland braucht daher ein energiepolitisches Gesamtkonzept, das eine Vorsorgestrategie im Hinblick auf weltweit knapper werdende fossile Ressourcen beinhaltet. Ein tragfähiges energiepolitisches Gesamtkonzept muss einen ausgewogenen Energiemix zugrunde legen."

Die Forderung eines auch der Versorgungssicherheit verpflichteten energiepolitischen Gesamtkonzeptes und eines ausgewogenen Energiemix unter Einschluss aller Energieträger - einschließlich der deutschen Steinkohle - als energiepolitische Vorsorgestrategie ist stets auch Forderung des deutschen Steinkohlenbergbaus wie auch der Gewerkschaften und wesentlicher Unternehmen der Energiewirtschaft gewesen. Im Hinblick auf die deutsche Steinkohle muss es dabei um den Erhalt des Zugangs zu den großen heimischen Lagerstätten sowie einer inländischen Entwicklungs- und Referenzbasis für die international führende deutsche Bergbautechnologie gehen. Auch und gerade bei der Steinkohle wird ein ausgewogener Mix von preisgünstiger, aber riskanterer Importkohle und dem technisch leistungsfähigen, beschäftigungsintensiven und im Angebot stets zuverlässigen heimischen Bergbau für die Zukunftsvorsorge weiter benötigt.

Quelle und Kontaktadresse:
Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus Pressestelle Rellinghauser Str. 1, 45128 Essen Telefon: (0201) 17701, Telefax: (0201) 1774288

(sk)

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