Verbändereport AUSGABE 2 / 2008

Geschichtsmarketing für Verbände

Imagebildung und Mitgliederbindung

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Für Verbände kann der Rückgriff auf die eigenen Wurzeln und Erfahrungen sowie die errungenen Erfolge ein wirkungsvolles Mittel sein, glaubwürdiges Image und verstetigte Kompetenz zu zeigen. Erfahrungshintergründe und erfolgreiche Lobbyarbeit lassen sich durch die verbandliche Vergangenheit belegen. Beides kann der Mitgliederbindung dienen, wenn die eigene Geschichte als Instrument zukunftsträchtig eingesetzt wird. Dann schärft sie die Eigenwahrnehmung und fundiert das Bild des Verbandes nach außen. Der Erfolg und die Langlebigkeit eines Verbandes sowie die Kultur der von ihm gepflegten Philosophie sowie der praktizierten Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit demonstrieren Zuverlässigkeit und Nutzen eines Verbandes

Das Bild vieler Verbände wird in der Öffentlichkeit häufig von aktuellen politischen und gesellschaftlichen Debatten und neuen wirtschaftlichen Herausforderungen bestimmt. Vorhaben und Entscheidungen auf nationaler oder europäischer Ebene sowie globale Entwicklungen fordern die Verbände zu vielfältigen Aktivitäten heraus, fachspezifische Detailregelungen sind zu prüfen und in ihren Wirkungen zu bewerten. Daneben ist der verbandliche Organismus qualitativ zu managen und zu steuern, Mitglieder sind zu pflegen und neue zu gewinnen. Ein wirklich fundiert strategisches, auf Kontinuität setzendes Verbandsimage kann so schnell aus dem Blick geraten. Oft entsteht es nur beiläufig und ohne steuernden Einfluss.

Jeder Verband verfügt über eine einzigartige Identität, und jeder verbandliche Einzelorganismus weist ganz spezifische Merkmale auf, die nur aus dessen eigener Entstehung und Vergangenheit erklärbar sind. Sie verkörpern die vertretenen Werte, das besondere Know-how und die spezielle Arbeitsweise. Das eigene Profil und sein Nutzen für die Mitglieder lassen sich nur aus diesen Wurzeln heraus ableiten. Das darin steckende Potenzial hat eine hohe Wertigkeit und sollte nicht ungenutzt bleiben. Geschichtsmarketing (History Marketing) kann helfen, Entstehung, Wirken und Erfolge eines Verbandes im Detail zu ergründen, seine Traditionen, Werte und Philosophie (als individuelle Verbandskultur) zu erschließen sowie seine oftmals lange und interessante Historie als einzigartige Alleinstellungsmerkmale aufzubereiten. Dadurch wird die Verbandsgeschichte kultiviert und kann für werblich-akquirierende, öffentlichkeitswirksame und mitgliederbindende Zwecke aktiv eingesetzt werden. Das Geschichtsmarketing nutzt die verbandsgeschichtliche Vergangenheit und setzt sie mittels verschiedener Instrumente für die Zukunftsgestaltung ein. Es rückt die individuelle Verbandshistorie ins Bewusstsein und entwickelt sie zum nutzbringenden Aktivposten.

Zielgerichtete Mitgliederbindung

History Marketing für Verbände hat verschiedene Dimensionen, die zunächst aufgezeigt werden, bevor die dafür einzusetzenden Instrumente erläutert werden.

1. History Marketing für Verbände ist eine integrierende und umfassende Kommunikationsstrategie: Ihr Ziel ist es, das Bild des Verbandes in der Fach- und allgemeinen Öffentlichkeit nachhaltig zu fundieren. Zu einem klaren und gut vermittelbaren Image gehört es, die erfolgreiche Vergangenheit und die besonderen Stärken der Verbandskultur herauszuarbeiten. Sie unterstützt die Gewinnung neuer Mitglieder. Das historisch fundierte Image eines Verbandes schafft dafür die Voraussetzungen. Es vermittelt Vertrauen. Für die Mitgliederakquise eignen sich besonders die Darstellung bisheriger ergebnisorientierter Arbeit und die Dokumentation der anhaltenden Zuverlässigkeit. Sie bindet die Mitglieder durch die bewusst gemachten traditionsreichen Verbindungen zum Verband an sich. Dafür werden die langfristigen Beziehungen zu den einzelnen Mitgliedern zum zentralen Bestandteil einer wertschätzenden dauerhaften Kooperation.

2. History Marketing hat Verbandsmitglieder nicht nur als Kunden im Blick, sondern auch als aktive Unternehmen mit eigener traditionsreicher Vergangenheit. Im Rahmen des verbandlichen Geschichtsmarketings sollte deswegen den Verbandsmitgliedern die Möglichkeit gegeben werden, deren eigene Wurzeln und Erfolgsgeschichten vorzustellen. Sie repräsentieren innerhalb des Verbandes ja stets zuerst das von ihnen geführte Unternehmen. Die Mitgliedschaft und Kooperation lohnen sich dann am meisten, wenn auch das Unternehmen im gebotenen Maße präsentiert werden kann. Außerdem stellt die Geschichte der eigenen Mitgliedsunternehmen für den Verband ein enormes Potenzial dar, denn die Erfolgsgeschichten der Mitglieder sind Spiegelbild der darin zusammengeschlossenen gemeinsamen Erfahrungen und Kompetenzen.

3. History Marketing ist mehr als die Würdigung eines punktuellen Ereignisses. Denn es setzt an verschiedenen Ansatzpunkten an und versucht so einen vielfältigen Einstieg. Das ist nicht nur seine große Stärke, sondern es ermöglicht einen zukunftsorientierten und dauerhaften Einsatz. Die meisten Vorstände und Geschäftsführer denken beim Thema zumeist nur an Jubiläen. Aber schon die unter den ersten beiden Punkten genannten Dimensionen zeigen, dass History Marketing als Marketing- und Kommunikationsstrategie viel weiter reicht und nicht im Rahmen einer einmaligen Aktion verpuffen sollte. Dafür birgt sie zu viel Potenzial, weil historische Bilanzen und die Aufarbeitung der gewachsenen individuellen verbandlichen Kultur ein kollektives Gedächtnis der Verbandsmitglieder erzeugen, die Erhellung der personellen und biografischen Hintergründe der Vorstände und die Beziehungen zwischen und zu den Mitglieder identitätsstiftend wirken und die Möglichkeit, den Mitgliedsunternehmen eine Plattform zur historischen Selbstdarstellung zu geben, an den Verband bindet und darüber hinaus neue Interessenten erschließt.

Bilanzen – stolz sein auf den erfolgreich zurückgelegten Weg

Seine Ursprünge und seine im historischen Kontext bewiesene Wirksamkeit prägen den Charakter und den Fortbestand eines Verbandes. Unumstößlich ist deswegen die Tatsache: Wer seine Ursprünge und den zurückgelegten Weg nicht kennt, weiß auch nicht, wohin er gehen soll. Traditionen sind dabei Zeichen der Verlässlichkeit, Langlebigkeit und Beständigkeit. Sie demonstrieren, wie gemeinsame Ziele und Interessen wirkungsvoll vertreten werden. Sie geben den Dazugehörigen das Gefühl, Teil einer wertgeschätzten Gemeinschaft zu sein. Die gelebte individuelle Verbandskultur ist historisch gewachsen, umso wichtiger ist es, in einem Blick zurück nach vorne daraus aktive Zukunft zu gestalten. Die Historien von Verbänden sind nicht nur höchst unterschiedlich, jede Verbandsgeschichte ist immer einzigartig. Genau das macht sie für das Marketing sehr interessant, weil sie ein ganz individuelles Alleinstellungsmerkmal ist. Das Zusammenspiel von Ideen, Leistungen und Innovationen sowie die Gestaltung neuer Herausforderungen des Marktes und der Politik erzählen von Zusammenhalt, Erfolgen und überwundenen Problemen. Es lohnt sich, diese Hintergründe und die Geschichten hinter dieser Geschichte zu entdecken, denn die Historie eines Verbandes ist ein Spiegel unternehmerischer Aktivität und bewältigter Herausforderungen, ein Zeichen von Solidität und branchenbezogener Kompetenz, ein Garant für vorhandenen Erfahrungshintergrund und ein Ausdruck erfolgreicher Lobbyarbeit und Interessenvertretung.

Die historische Aufarbeitung kann auf ganz verschiedene Weise realisiert werden. Denkbar sind Chroniken, bei denen entweder die wichtigsten Stationen der Verbandsgeschichte in chronologischer Folge als Abriss oder mit kurzen Einträgen für jedes Jahr des Bestehens vermerkt werden. Der Verband der Ingenieure des Lack- und Farbenfaches e.V. wählte dieses Instrument. Ein allseits bekanntes Instrument sind ferner Festschriften, die anlässlich eines Jubiläums die Festreden wiedergeben und zugleich sowohl einen historischen Abriss der verbandlichen Vergangenheit als auch oft eine Positionsbestimmung liefern. Als gedruckte Beispiele zum 100-jährigen Bestehen mögen die des Verbandes Chemiehandel e.V. 2003 und des Unternehmerverbandes Metallindustrie Ruhr-Niederrhein e.V. 2006 genannt werden. Darstellungen zur Geschichte der Branche und ihrer Produkte sind eine weitere Möglichkeit. Diesen Ansatz wählte zum Beispiel in einem Kurzabriss der Bundesverband Rollladen und Sonnenschutz e.V. Allerdings lässt sich dieser Ansatz in der Öffentlichkeitsarbeit noch breiter und profunder ausbauen. Umfangreichere Darstellungen zur Verbands- und Branchengeschichte bedürfen eingehender Recherchen und einer historisch-fachlichen Betreuung. Sie bieten dafür aber großes Anknüpfungspotenzial für ein langfristig strategisches Geschichtsmarketing, wenn sie entsprechend konzeptionell entwickelt werden.

Kollektivbiografien – von Gründern, Lenkern und Netzwerken

Zu den bisher im Verbandswesen noch nicht realisierten Instrumenten sind bio-grafische Ansätze zu zählen. Anders als bei Unternehmerbiografien haben diese andere Standards zu erfüllen. Sie müssen den Verband als kollektiven Organismus sehen und würdigen. Das eröffnet zugleich ein integratives Element: Es ermöglicht, große Teile der im Verband organisierten Mitgliedsunternehmen über ihre Vernetzung zum Verband einzubinden. Damit sind zugleich die jeweiligen Unternehmen repräsentiert und es wird der organischen Struktur eines Verbandes als Personalunion entsprochen. Beispielsweise lassen sich alle führenden Mitglieder von Präsidium, Vorstand, Ausschüssen und Geschäftsstelle eines seit Langem bestehenden Branchenverbandes in einer kollektiven Biografie zusammenfassen. Es werden die biografischen Daten der Einzelpersönlichkeiten widergespiegelt und deren Lebenswege in kurzbiografischen Essays beispielsweise unter folgenden Fragestellungen gewürdigt:

  • Welchen beruflichen und persönlichen Background haben sie?
  • Welche Unternehmen vertreten sie und welche Positionen und besonderen Leistungen zeichnen sie darin aus?
  • Welche Neuerungen oder Impulse bewirkten sie im Verband?
  • Welche Querverbindungen zu anderen Mitgliedern bestehen, welche Netzwerke förderten die Aktivitäten der Branche in besonderer Weise?

Führende Akteure der Verbandsgeschichte, die gleichsam als Verbandsmitglieder und Unternehmer fungieren, werden so zu Aushängeschildern eines traditionsreichen, innovativen und stets markt- und politikorientierten Wirkens des Verbandes. Auf einfache Weise werden dadurch größere Mitgliederkreise effektvoll eingebunden, was eine wirkungsvolle Identitätsstiftung bewirkt. Über Kollektivbiografien wird zudem gezeigt: Verbandsmitglieder erleben nicht nur Geschichte, sondern sie machen sie, indem sie sie aktiv gestalten. Die dahinter-steckende Botschaft gibt eindeutige und klare Signale.

Andere Instrumente – Ressourcen aktivieren und Mitgliedern eine Plattform geben

Neben den bereits genannten Instrumenten sind auch andere Präsentationsformen möglich. In Teilen bereits eingesetzt werden sogenannte Zeitreisen durch die Vergangenheit eines Verbandes anhand von historischen Details und Materialien aus den eigenen Archiven. Zum 100-jährigen Jubiläum hat der Verband der Spardabanken 2006 eine virtuelle Zeitreise durch die Geschichte der Spardagruppe auf seiner Homepage eingerichtet. Ohne größeren Aufwand kann diese zukünftig periodisch fortgeschrieben werden. Ähnliches lässt sich auch mittels Infoinseln oder -tafeln im Foyer oder den Geschäftsräumen der Geschäftsstelle realisieren. Um die Produkte neben einer branchenbezogenen historischen Darstellung auch öffentlichkeitswirksam in Szene zu setzen, eignen sich dreidimensionale Objekte (Artefakte), die die Mitglieder zur Verfügung stellen und die als dauerhafte Foyer- oder als Fotos in virtuellen Ausstellungen öffentlichkeitswirksam präsentiert werden. Auch von Zeit zu Zeit wechselnde Inhalte zu verschiedenen Aspekten der Branchen- und Verbandsgeschichte sind denkbar. Sie haben zudem den Effekt, immer wieder neu Interesse zu wecken.

Ein integratives Instrument sind kombinierte Angebote, bei denen sowohl die Darstellung der Geschichte der Branche, des Verbandes wie auch der in ihm zusammengeschlossenen Mitgliederunternehmen geleistet wird. Das muss nicht unbedingt handbuchartigen Charakter haben, sondern kann auf eigens dafür vorgesehenen Plattformen geschehen: beispielsweise als dauerhafte historische Serie in der eigenen Verbandszeitschrift, periodisch im Jahresbericht oder in eigens dafür vorgesehenen anderen verstetigten Publikationsformen. Internetpräsentationen auf der eigenen Homepage bieten die Möglichkeit, unbegrenzten und leicht zu erneuernden oder erweiternden Content (Inhalte) aufzunehmen. Sie können nach Bedarf und Budget im Rahmen eines zielgerichteten Geschichtsmarketings genutzt werden. Was im Einzelfall gut und wünschenswert ist und wie dies umgesetzt werden kann, hängt von der spezifischen Verbandsgeschichte, der individuellen Branchenstruktur und Verbandskultur ab. Im Kern bedeutet das: Die Geschichte der einzelnen Mitgliedsunternehmen ist als Marketinginstrument eben nicht nur öffentlichkeitswirksam für diese allein, sondern zeigt in seiner Gesamtschau die enorme Kraft des Verbandes. Hinter ihm stehen gebündelte Erfahrungen, breites spezifisches Know-how und vielfältige in der unternehmerischen Vergangenheit erworbene Kompetenzen, die im kollektiven Organismus Verband gebündelt sind.

Die aufgeführten Beispiele zeigen einige Ansätze für einen Einsatz von Geschichtsmarketing im Sinne von Verband, Branche und Mitgliedern. Wichtig ist, das Geschichtsmarketing nicht als einmalige Maßnahme zu sehen und seine Wirkung im Rahmen eines Jubiläums verpuffen zu lassen. Es bietet viel mehr Möglichkeiten: Umso mehr Instrumente zusammen und zukunftsorientiert eingesetzt werden, desto höher ist der Wirkungsgrad. Die einzelnen Instrumente wirken dabei identitätsstiftend, imagebildend, mitgliederaktivierend und -bindend.

Weitere Infos:

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