Pressemitteilung | Deutscher Caritasverband e.V.

125-Jahre Deutscher Caritasverband: Zeitzeugen berichten über ihre Arbeit in der DDR / Für eine Erinnerungskultur, die in die Zukunft trägt

(Freiburg/Berlin) - Wie gestalten wir Erinnerungskultur, wenn bald niemand mehr da ist, der sich erinnern kann? Der Deutsche Caritasverband bringt Zeitzeug_innen miteinander ins Gespräch, damit die Erfahrungen, die in der Geschichte des Deutschen Caritasverbandes unter den Bedingungen von Gewaltregimen gemacht wurden, ermutigend und mahnend in die Zukunft getragen werden können. Am Montag, 14.11., fand ein Zeitzeugengespräch in der Katholischen Akademie in Berlin statt.

"Wir wollen den Blick der Jubiläumserinnerung in dieser Veranstaltung besonders auf die Zeit der Teilung Deutschlands und Europas und die Zeit des Kalten Krieges richten", betont Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa.

Die kirchliche Sozialarbeit in der DDR passierte im Verborgenen

"Es war eine Gratwanderung, die uns nicht immer gefallen hat. Uns ging es aber um die Menschen, die verzweifelt waren", erklärt Alt-Caritas-Präsident Hellmut Puschmann. "Caritas geht dabei über Nächstenliebe insofern hinaus als es gemeinsam geschieht", so Puschmann weiter. "In diesem im Jubiläumsjahr viel zitierten Diktum schwingt nicht nur die besondere Erfahrung der Caritasfamilie in der DDR, sondern auch die Hoffnung mit, dass Caritas solidarisch - in Ost und West, in Deutschland und weltweit - wirksam handelt, wenn es um die großen Herausforderungen unserer Zeit geht - "vom Klimaschutz bis zur Pflege", betont er. Hellmut Puschmann war ab 1982 Vorsitzender der Direktorenkonferenz der DDR und zugleich Leiter der Zentralstelle Berlin des Deutschen Caritasverbandes. Nach der Wiedervereinigung war Puschmann von 1991 bis 2003 Präsident des Deutschen Caritasverbandes. Der studierte Theologe wirkte ab 1964 als Priester in der DDR und hat seine DDR-Erfahrungen in seiner Caritas-Präsidentschaft wirksam werden lassen.

"Haus der deutschen Caritas" in Berlin wird nach Klara Ullrich benannt

"Mit der Benennung des Berliner Hauses der deutschen Caritas nach Klara Ullrich wollen wir ein Zeitzeugnis über den Tag hinaus sichtbar halten. Wir würdigen das Leben einer Frau, die ihre Vita activa stets an den Bedürfnissen der Armen und Kranken ausgerichtet hat und die Generationen von Schüler_innen ermutigt hat, dass politisches Handeln am Krankenbett und in der Suppenküche beginnt", unterstreicht die Caritas-Präsidentin. Klara Ullrich war Sozialarbeiterin bei der Caritas und beriet u.a. zeitweise ausreisewillige DDR-Bürger_innen - in einem Hinterhof in Ost-Berlin.

Klara Ullrich: "Ich habe in meinem Kalender eine Strichliste geführt: Zwischen 1987 und 1989 kamen jährlich über 300 Menschen. Die Gespräche haben Kraft und Zeit gekostet. Manchmal ging es mir verdammt schlecht. Weil die Leute in ungeheuren Nöten waren. Aber ich konnte für sie nur hoffen, dass ihr Ausreiseantrag klappt. Ich wusste, worauf ich mich einlasse, aber ich wollte diese Tätigkeit ausüben."

Caritas lebt von verbindender Begeisterung, die nicht am Taufschein hängt

Matthias Mitzscherlich, seit 2021 Vizepräsident des Deutschen Caritasverbandes und seit 2006 Direktor des Diözesancaritasverbandes Dresden, gehört zu der Generation, die 1990 am Anfang ihres Berufslebens stand. Zurückblickend auf die Wende und die Transformationserfahrungen der Nuller-Jahre in den neuen Bundesländern ist er zuversichtlich: "Die besonderen Erfahrungen des Umbruchs und der Kirchenferne haben die Caritasverbände in den neuen Bundesländern früher als die Caritasverbände im Westen veranlasst, sich für Menschen aller Konfession und ohne Konfession zu öffnen. Caritas lebt von ansteckender Begeisterung, die nicht am Taufschein hängt."

Der Erinnerung der Zeitzeugen bekommt ein besonderes Gewicht zu

"Unter den Vorzeichen einer wiederholt versuchten Unterwanderung der Caritas durch die Staatssicherheit und beteiligt an den "Kirchengeschäften", die den staatlichen Devisenbedarf und die kirchlichen Dienste spannungsgeladen verbanden, waren in der DDR die Caritasverbände fest eingebunden in die hierarchischen Strukturen der katholischen Kirche. Repression und Kontrolle gehörten zu den alltäglichen Grenzerfahrungen der DDR-Caritas. Sie antwortete darauf im charismatisch-chaotischen Stil eines Manteltaschenbüros in Form von Notizzetteln oder indem sie auf schriftliche Dokumente ganz verzichtete. Der Erinnerung der Zeitzeugen kommt ein besonderes Gewicht zu, um in Erinnerung zu halten, wie sehr die politischen Rahmenbedingungen den Wirkungsraum der Caritas bestimmen. Der Einsatz für Demokratie und Freiheit gehört zum Auftrag eines konfessionellen Wohlfahrtsverbandes ebenso selbstverständlich dazu wie der Einsatz für nationale und internationale Gerechtigkeit", betont Eva Maria Welskop-Deffaa, Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Caritasverband e.V. Anja Stoiser, Stellv. Pressesprecherin Karlstr. 40, 79104 Freiburg Telefon: (0761) 2000, Fax: (0761) 200541

(jg)

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