Ausweitung von Tempo-30-Zonen verkehrspolitischer Nonsens
(Berlin) - Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Gerhard Vogler, hat die Absicht der Bundesregierung, den Kommunen die Ausweitung von Tempo-30-Zonen ohne Größenbegrenzung und ohne bauliche Ausgestaltung zu gestatten, im Sinne von mehr Verkehrssicherheit als unsinnig und als umweltpolitisch verfehlt bezeichnet. Weil die Initiative bezeichnenderweise nicht von der Polizei und nicht von Verkehrsexperten, sondern u.a. vom Deutschen Städtetag ausgeht, sieht er hierin einerseits einen ideologisierten Schritt zu einem allgemeinen Tempolimit, andererseits auch den gezielten Versuch, die Zonen des unbegründeten Abkassierens von Autofahrern durch die Kommunen zu erweitern.
Der DPolG-Vorsitzende beklagte gegenüber der Presse in Bayreuth eine emotional geführte Diskussion, die sich nicht an Fakten, sondern an Schlagwörtern (Rasen an Kindergärten und Schulen, gestiegene Unfallzahlen mit mehr Unfalltoten) orientiere. Fakt sei aber, dass wirkliches Rasen nicht innerorts stattfindet und dass sich die Häufigkeit schwerer Unfälle mehr und mehr nach außerhalb geschlossener Ortschaften verlagert. Rasen findet draußen statt. Staatliche Verkehrspolitik müsse sich deshalb in erster Linie auf diese Bereiche konzentrieren. Mehr Tempo 30 heißt nicht automatisch mehr Sicherheit in unseren Städten und Gemeinden. Das Gegenteil wird der Fall sein, wenn die Ausweisung solcher Zonen nicht mit baulichen Veränderungen (z. B. Blumenkübel und Poller) einhergeht, wie das der Regierungsentwurf vorsieht. Dies wäre auch eine Abkehr von dem bewährten Zonengedanken, wonach eine 30-Zone so auszuweisen ist, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung für Kraftfahrer überschaubar und einsichtig bleibt.
Generelle Tempo-30-Zonen ohne deutliche Erkennungszeichen außerhalb der Durchgangsstraßen setzen das aufs Spiel, was in den letzten Jahren erreicht worden ist, nämlich weniger schwere Unfälle. Sie machen alle Kraftfahrer zu potentiellen Verkehrssündern, weil auch verantwortungsvolle Fahrer es nicht verhindern können, auf 6 m breiten und übersichtlichen Straßen versehentlich einmal 35 km/h zu rasen. Auch diese werden, die Praxis zeigt es jetzt schon, von Kommunen mit 30 DM zur Freude der Stadtkämmerer abkassiert.
Vogler erinnert an die Binsenweisheit, dass Geschwindigkeitsbegrenzungen, sollen sie beachtet werden, überwacht werden müssen. Die Polizei wird hierzu in zweierlei Hinsicht nicht in der Lage und auch nicht bereit sein:
- Zum einen fehlt für diese (zusätzliche) Tätigkeit polizeiliches Personal.
- Zum anderen ist es polizeilicher Standart, Verkehrsüberwachungsmaßnahmen nur an Unfallschwerpunkten zur Steigerung der Verkehrssicherheit anzusetzen.
Tempo-30-Zonen gehören bislang nicht dazu. Dies könnte jetzt allerdings anders werden, wenn auf gut ausgebauten Straßen ohne bauliche Veränderungen Tempo 30 mehr und mehr ignoriert wird.
Extensive Überwachung durch die Kommunen selbst oder durch beauftragte private Unternehmen zur Kosteneinsparung für gestalterische Umbaumaßnahmen wäre eine neue, eine besondere Variante von (bürgerfreundlichen) Sparmaßnahmen.
In diesem Zusammenhang äußerte Vogler unter Hinweis auf bisher gemachte Erfahrungen im Zusammenhang mit kommunaler bzw. privatisierter Verkehrsüberwachung die begründete Befürchtung, dass sich Städte und Gemeinden mit der Ausweitung solcher 30 km/h Bereiche weitere Zonen des Abkassierens schaffen wollen.
Der Deutsche Städtetag weiß natürlich, dass sich solche Zonen bei extensiver Überwachung
betriebswirtschaftlich rechnen, so der DPolG-Chef.
Auch umweltpolitisch können solche Maßnahmen nicht mehr überzeugen. Das Argument der Luftverschmutzung wird unbedeutender, weil immer mehr Autos schadstoffarm sind. Lärmbelästigung greift nicht, weil die Lkw als Krachmacher Nr. 1 in diesen Zonen ohnehin nicht verkehren, Pkw-Fahrer aber bei 30 km/h durch Rückschaltung auf den 2. Gang ihren Motorenlärm eher erhöhen.
Die Deutschen Polizeigewerkschaft erwartet von der Bundesregierung eine an Sachargumenten orientierte Entscheidung. Es wäre für die Verkehrssicherheit ebenso wie für die Verkehrsmoral fatal, wenn sich der Bundesverkehrsminister aus der gesamtgesellschaftlichen Verantwortung stiehlt und den Kommunen einen Persilschein für willkürliche Reglementierungen liefert.
Quelle und Kontaktadresse:
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