Pressemitteilung | Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL)

BGL-Mitgliederversammlung 2002 in Gelsenkirchen / Präsident Grewer: „Die Not ist groß in unseren Betrieben!“

(Frankfurt am Main) - Der diesjährige Tagungsort für die Delegierten des Bundesverbandes Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung (BGL) in Gelsenkirchen war - nicht von ungefähr - eine alte Zeche. Die Gewerbeführung hatte ein Industriedenkmal, die Zeche Oberschuir, ausgewählt, weil sie die Tradition mit der Wirtschaftsgeschichte einer einstmals blühenden Industrie verbindet. Auch das deutsche Güterkraftverkehrsgewerbe läuft nach Aussage seines Präsidenten, Hermann Grewer, selbst Unternehmer aus Gelsenkirchen, Gefahr, dass es ihm so ergeht wie der Montanindustrie im Ruhrpott und schon in Kürze von mittelständischen Transportunternehmen nur noch etwas in Museen zu sehen sein wird.

Mit den Worten „liebe Kolleginnen und Kollegen, die Not ist groß in unseren Betrieben!“ umriss der BGL-Präsident die augenblickliche Situation der deutschen Transportunternehmer. Das Gewerbe werde von einer Konkurswelle regelrecht überspült. Die Ursachen für die Misere lägen zum einen in einer über Jahrzehnte eisenbahnlastig orientierten Verkehrspolitik und zum anderen in einer nicht abgestimmten Integrationspolitik im EU-Verkehrsmarkt. Verschärft würde die Situation durch Dumpingpraktiken mit illegalem Personal oder sich selbst ausbeutende Unternehmer. „Was soll erst werden, wenn mit staatlichen Mitteln subventionierte Ich - AG´s ins Kraut schießen?“ fragte Grewer und verwies zugleich auf die erneute Bedrohung der Unternehmen durch eine nicht von einer Harmonisierung der fiskalischen Wettbewerbsbedingungen begleitete streckenbezogene Lkw-Maut und verschärfte Sozial- und Arbeitszeitvorschriften. Dabei hätten die Unternehmer noch nicht die Folgen der Deregulierung des EU-Verkehrsmarktes verkraftet. „EU und die eigene Regierung zwingen uns ohne Rücksicht auf Verluste in ein Fiskalkorsett, das uns jede Luft zum Atmen nimmt!“ betonte Grewer und kam zu der Schlussfolgerung, dass die beschriebenen kostentreibenden Faktoren nur dazu dienen sollten, die Dynamik des Lkw gegenüber der Bahn im Verkehrsmarkt zu beschränken.

Angesichts dieser Situation komme es mehr denn je darauf an, einen qualifizierten Widerstand im politischen Bereich aufrechtzuerhalten, wie er vom BGL auch seit Jahren praktiziert werde. Nach vom BGL geleisteter Vorarbeit bei der EU-Kommission habe die Bundesregierung zugesagt, durch Anrechnung von in Deutschland gezahlter Mineralölsteuer auf die Maut einen Betrag von 300 Mio. Euro beizusteuern und sich für eine Kfz-Steuerabsenkung bei den Ländern einzusetzen. In den zurückliegenden Monaten sei das Gegenfinanzierungsmodell allerdings in den fiskalischen „Kuhhandel“ zwischen Bund und Ländern und in den Bundestagswahlkampf hineingezogen worden. Der oppositionsdominierte Bundesrat habe es jetzt in der Hand, ein höheres Harmonisierungsangebot durchzusetzen, wenn die Mautverordnung zur Abstimmung vorgelegt werde. Die Bundesregierung sei auf die Zustimmung einiger CDU-mitregierter Länder angewiesen, damit die Mautverordnung die parlamentarischen Hürden nehmen könne.

„Ich - AG“ untaugliches Mittel zum Arbeitsplatzabbau Der BGL-Präsident machte in diesem Zusammenhang den Delegierten nochmals die Strategie der Gewerbeführung klar, nicht durch fundamentalistische Verweigerung der Lkw-Maut, wie von anderen Gewerbeverbänden praktiziert, sondern durch einen sachlich fundierten Dialog mit den verantwortlichen Politikern befriedigende Ergebnisse in Berlin und Brüssel zu erzielen. Angesichts des gigantischen Steuer- und Abgabenerhöhungspaketes der alten/neuen Bundesregierung stünden den mittelständischen Güterkraftverkehrsunternehmen in der neuen Legislaturperiode noch zusätzliche Belastungen, außerhalb der streckenbezogenen Maut, bevor. Da sei es wenig tröstlich, wenn dieselbe Bundesregierung in der gleichen Koalitionsvereinbarung festhalte, dass hohe Sozialabgaben Wachstum und Beschäftigung hemmten. Die vom Staat geplante Förderung der „Ich - AG“ zum Abbau der Arbeitslosigkeit hielt Grewer für ein untaugliches Mittel, die Marktlage zu verbessern. Damit sollten nur vornehmlich Beschäftigungslose zu Unternehmern gemacht werden, die dann auf den ohnehin überbesetzten Märkten die Überkapazitäten steigerten und noch mehr Unternehmen in den Konkurs trieben. Die sich selbst ausbeutenden Transportunternehmer aus den Zeiten vor der „Ich - AG“ würden lediglich durch hochsubventionierte Transportunternehmer aus der Zeit nach der „Ich - AG“ ersetzt. „Und die Transportpreise purzeln weiter“, war Grewers Schlussfolgerung.

Für ähnlich konfus hielt der BGL-Präsident auch die Vorstellungen der Bundesregierung zur EU-Osterweiterung. Berlin habe z.B. den von einem Lohnkostengefälle von 10:1 bedrohten ostdeutschen Betrieben außer einer Förderung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit keinerlei konkrete Übergangshilfen zu bieten.

Die Bundesregierung verschweige auch, dass die Lkw-Maut nicht, wie im Regierungsprogramm behauptet, überwiegend in die Verkehrsinfrastruktur fließt. Wenn die verantwortlichen Politiker Wort gehalten hätten, müssten z.B. die für 2006 vorgeschlagenen Verkehrsinvestitionen mindestens um 1,4 Mrd. Euro höher liegen, als im Finanzplan ausgewiesen. Der Bundesfinanzminister habe einmal bei der „Vergütung“ der bisherigen zeitbezogenen Vignette und nun durch heimliche Senkungen der Verkehrsinfrastrukturinvestitionen in der mittelfristigen Finanzplanung „zugeschlagen“.

Die von der Bundesregierung in ihrem Programm vorgegaukelte Verdoppelung des Schienenverkehrs schätze diese selbst bereits als nicht mehr haltbar ein. Nach Prognosen zum neuen Bundesverkehrswegeplan gehe sie nur noch davon aus, dass die Schiene bis zum Jahr 2015 um knapp 40 Mrd. tkm wachse und sich nicht in ihrer Beförderungsleistung (um 75 Mrd. tkm) verdoppeln ließe.

Für besonders fahrlässig, ja gefährlich, hielt Grewer noch eine weitere verkehrspolitische Aussage in der Koalitionsvereinbarung zwischen Rot/Grün: die Anlastung externer Kosten zur Bepreisung der Straßeninfrastruktur. Diese Zielvorgabe sei ohne jede vorherige verkehrspolitische Diskussion im Parlament oder in Fachgremien beschlossen worden und laufe darauf hinaus, der Willkür bei der Bepreisung von Straßeninfrastrukturen Tür und Tor zu öffnen.

Der BGL-Präsident bedauerte, dass zudem die ursprüngliche Forderung der Bündnis 90/Grünen, bei der Bahn die Trennung von Netz und Betrieb voranzutreiben, keinen Niederschlag im Regierungsprogramm gefunden hat. Der angeblich diskriminierungsfreie Zugang zur Eisenbahninfrastruktur reiche sicherlich nicht aus, um das gesteckte Ziel, eine Verdoppelung des Güterverkehrs auf der Schiene, zu erreichen.

Erhalten bleibt dem Güterkraftverkehrsgewerbe, nach Grewers Worten, auch das lästige Thema Ökosteuer. Die Koalitionäre hätten bereits angekündigt, dass sie, je nach Kassenlage und Konjunktur, eine weitere Ökosteuerstufe über den 1.1.2003 hinaus prüfen wollten. Eine gewisse "Perspektive für mehr Gerechtigkeit" erhoffte sich der BGL-Präsident von der in absehbarer Zeit zu erwartenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Ökosteuerklage des Bundesverbandes.

Für die nahe Zukunft kündigte Grewer zielführende Verbandsaktivitäten in Bezug auf die anstehende Lkw-Mautverordnung auf Bundes- und Landesebene an. Daher würden die Unternehmer gegebenenfalls auch erneut um eine Urabstimmung über die Frage des Einbauboykotts der „on board units“ zur automatischen Mauterfassung gebeten werden. Die Gewerbeführung bereite in jedem Falle Module zur Mautberechnung bzw. ihre Weitergabe an die Kunden vor. Dazu würden auf Landesverbandsebene entsprechende Mautschulungsseminare angeboten.

Auf etwas längere Sicht sind die Vorbereitungen des Bundesverbandes zur Unternehmerhilfe bei der bevorstehenden Osterweiterung der Europäischen Union angelegt. Wie der BGL-Präsident in Gelsenkirchen ankündigte, werden z.Zt. bereits Informationen über die Niederlassungsbedingungen in den Beitrittsländern zusammengestellt. Der Bundesverband werde den Unternehmern mit Rat und Tat zur Seite stehen, wenn sie bei einer Ostöffnung ohne Übergangsphase zur „Standortdiversifizierung“ schreiten müssten, betonte Grewer.

Gastmitgliedschaft des Landesverbandes Verkehrsgewerbe Sachsen-Anhalt
Die Mitgliederversammlung hatte anschließend über den Antrag des Landesverbandes Verkehrsgewerbe Sachsen-Anhalt e.V. (LVSA) abzustimmen, dieser Gewerbeorganisation bis zur endgültigen Beschlussfassung auf der für April 2003 vorgesehenen Mitgliederversammlung des Landesverbandes eine Gastmitgliedschaft zu gewähren. LVSA-Präsident Horst Buschner lobte in seiner Begründung des Antrages u.a. die hochqualifizierte und rasche fachliche Information durch den BGL und stellte den Eintritt als Vollmitglied nach den Beschlüssen der entsprechenden Tagung seines Verbandes in Aussicht. Buschner wurde vom LVSA-Präsidiumsmitglied Jürgen Nicolai und Landesverbands-Geschäftsführerin Angelika Schneider begleitet. Die BGL-Mitgliederversammlung begrüßte die Absicht des Landesverbandes und sprach sich nach Antragstellung für einen endgültigen Beschluss über die Vollmitgliedschaft nach der LVSA-Mitgliederversammlung im entscheidenden BGL-Gesamtvorstand aus.

Abschließend wurde vom Verband Straßengüterverkehr Hamburg e.V. bekannt gegeben, dass dieser Landesverband Gastgeber für die nächste BGL-Mitgliederversammlung Ende Oktober 2003 sein werde.

Pater Augustinus: Mittelstand sollte mehr Selbstvertrauen zeigen! Der Hauptredner auf der BGL-Vortragsveranstaltung, Pater Augustinus, Heinrich Graf Henckel von Donnersmarck, referierte über die „gesellschaftlichen Bedingungen der mittelständischen Wirtschaft in der Zukunft“. Der dem Orden der Praemonstratenser angehörende Pater und Unternehmensberater riet den anwesenden Transportunternehmern u.a., sich nicht vom Marktgeschehen zurückzuziehen, sondern durch verstärkte Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen ihre Marktpräsenz zu behaupten und auszubauen. Angesichts der zu erwartenden Erweiterung des EU-Verkehrsmarktes durch den Beitritt von zehn osteuropäischen Staaten sollten die Mittelständler auch rechtzeitig die grenzüberschreitende Kooperation vorantreiben. Mit Blick auf das verkehrspolitische und gesellschaftspolitische Umfeld empfahl Pater Augustinus der Transportbranche, ihr „geballtes Know how im Logistikbereich“ h herauszustellen und mit mehr Selbstbewusstsein als bedeutendster Verkehrsträger aufzutreten. Dazu zähle auch die Kärrnerarbeit in kommunalen Bereich, wobei z.B. die Ehefrau des Transportunternehmers seinen Platz im Gemeinderat einnehmen könne. Der Pater zitierte dabei ein altägyptisches Sprichwort: „wer sich selber zum Kamel macht, soll sich nicht beschweren über die Lasten, die ihm auferlegt werden!“ Der Unternehmer sollte sich aber auch stets fragen, ob das, was er tut, volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Das Transportgewerbe habe die große Chance, den völkerverbindenden Charakter seines Dienstleistungsangebots öffentlich zu machen. Um für diese in Zukunft noch bedeutender werdende Aufgabe gerüstet zu sein, bedürfe es einer Verbesserung der fremdsprachlichen Bildung im Transportgewerbe. Neben Englisch und Französisch sollte auch das Spanische und das Russische zumindest Eingang in die Geschäftsführerebene finden. Entsprechend sollten auch die Mitarbeiter geschult werden. Pater Augustinus erinnerte in diesem Zusammenhang daran, dass sich das Russische als „Lingua franca“ im gesamten osteuropäischen Raum durchgesetzt hat und auch rd. 400 Mio. Chinesen Russisch beherrschen.

Auf das leidige Thema der Unternehmensnachfolge eingehend, empfahl Pater Augustinus auch, nach fähigen Mitarbeitern Ausschau zu halten, wenn die Kindergeneration das Erbe nicht mehr antreten wolle. In jedem Falle sei es jedoch wichtig, den eigenen Nachwuchs frühzeitig mit verantwortungsvollen Aufgaben zu betrauen, um sein Interesse am elterlichen Unternehmen zu wecken.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Güterkraftverkehr Logistik und Entsorgung e.V. (BGL) Breitenbachstr. 1 60487 Frankfurt Telefon: 069/79190 Telefax: 069/7919227

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