Droht die Verschlüsselung aller Rundfunkprogramme?
(Bonn) - Gegen Pläne der Kirch-Telekom-Gruppe zur Verschlüsselung bislang frei empfangbarer Rundfunkprogramme hat sich die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände (AgV) ausgesprochen. Gleichzeitig weist die AgV auf einen deutlichen Dissens innerhalb der "Initiative Digitaler Rundfunk" hin, die Empfehlungen für den Übergang vom analogen zum digitalen Rundfunk in Deutschland ausarbeitet. Die AgV kennt die Interessengegensätze in diesem Gremium aus nächster Nähe, denn sie arbeitet selbst darin mit. Anlass ihrer Kritik sind Widersprüche und Defizite im Zwischenbericht der Initiative, den der Bundeswirtschaftsminister bei einem Symposium am 28. und 29. September auf dem Expo-Gelände in Hannover der Öffentlichkeit vorstellen wird.
Die AgV vermisst in dem Bericht insbesondere eine deutliche Stellungnahme zu den Plänen der Kirch-Telekom-Gruppe, die den Übergang vom analogen zum digitalen Rundfunk dazu nutzen will, im Breitbandkabelnetz eine sogenannte Grundverschlüsselung bis dato frei empfangbarer Programme öffentlich-rechtlicher und privater Rundfunkanbieter einzuführen. Diese Verschlüsselung ist nichts anderes als ein Mittel zur Kundenbindung, so die Verbraucherschützer. Damit sollen im digitalen Fernsehzeitalter Zuschauer daran gehindert werden, von einem Programmanbieter zu einem anderen zu wechseln. So werden Abhängigkeiten geschaffen und die Anbieter erhalten gleichzeitig riesige Möglichkeiten, sich Daten über das Fernsehverhalten ihrer Kunden zu verschaffen, warnt die AgV.
Auch über ein weiteres Risiko der digitalen Technik schweigt sich der Zwischenbericht aus: Verbraucher könnten künftig dazu gezwungen werden, in kurzen Abständen neue digitale Fernsehgeräte anzuschaffen, dann nämlich, wenn die Software, die zum Empfang digitaler Programme künftig unerlässlich sein wird - z.B. elektronische Programmführer - so rasch geändert wird wie dies heute in der Computerbranche üblich ist. Das hätte beim digitalen Rundfunk allerdings schwerwiegendere Folgen für die Konsumenten. Denn ein Fernseher ohne Update würde dann schlicht nicht mehr funktionieren. Ob die Konsumenten mit dem technischen Standard ihres alten Gerätes noch zufrieden sind oder nicht, spielt dabei überhaupt keine Rolle mehr.
Zudem fehlen im Zwischenbericht eindeutig nachvollziehbare Angaben zu den Kosten, die für die Nutzer und für die Sender durch die Umstellung entsehen werden. Klar ist aus heutiger Sicht nur, dass zumindest in der Übergangsphase mit erheblichen Mehrkosten für Investitionen in neue Hard- und Software auf beiden Seiten zu rechnen sein wird.
Die AgV fordert, dass Programmanbieter und Netzbetreiber Kostenvorteile, die sich mittel- bis langfristig aus der digitalen Übertragung ergeben werden, an Hörer und Zuschauer weitergeben. Denn umgekehrt zahlen die Zuschauer schon seit einigen Jahren über die Rundfunkgebühren sozusagen vorsorglich für die Digitalisierung - und zwar sowohl für die Einführung von DAB als UKW-Nachfolgesystem wie für das künftige digitale Fernsehen nach DVB-Standard (DVB = Digital Video Broadcast). Die Verbraucher werden also zweifach zur Kasse gebeten. Dafür muss ihnen ein maßgeblicher ökonomischer und inhaltlicher Mehrwert geboten werden
Die Verbraucherverbände verlangen einen chancengleichen und diskriminierungsfreien Zugang für alle Anbieter von Programmen und Diensten zu den Netzen. Entsprechend muss für die Zuschauer und Hörer das gesamte Angebot an Programmen und Diensten zugänglich sein. Monopolartige Strukturen, wie sie heute beim digitalen Pay-TV bestehen, lehnt die AgV an. Um solche Strukturen aufzubrechen, ist die Entwicklung von Empfangsgeräten mit genormten Schnittstellen wichtig, die einen einfachen Einsatz beliebiger Zugangssysteme zum Bezahl-Rundfunk (Pay-TV und Pay-Radio) ermöglichen.
Quelle und Kontaktadresse:
Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände e.V. (AGV)
Heilsbachstr. 20, 53123 Bonn
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