Pressemitteilung | BÄK Bundesärztekammer (Arbeitsgemeinschaft der deutschen Ärztekammern) e.V.

EU ein soziales Fundament geben / Ärztetag gegen Harmonisierung der Gesundheitssysteme

(Köln) - Vor einer "nivellierenden Angleichung" der Gesundheitssysteme in Europa hat der 103. Deutsche Ärztetag in Köln gewarnt. Zugleich setzten sich die Delegierten für das Recht der Patienten ein, notwendige medizinische Versorgung auch in jedem anderen EU-Mitgliedsland zu erhalten. Dies müsse insbesondere dann möglich sein, wenn die Behandlung im eigenen Land nicht gewährleistet werden könne. "Dabei sind die notwendigen Regelungen zum Schutz der Leistungsfähigkeit und der Daseinsfürsorge der nationalen Gesundheitssysteme sowie der ethischen Standards angemessen zu berücksichtigen", forderte das Ärzteparlament, das noch bis morgen tagt.

Auf die unterschiedliche Bewertung und Vergütung ärztlicher Leistungen in den einzelnen Staaten der Europäischen Union machte der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr. Jörg-Dietrich Hoppe, aufmerksam. "Ein anderes Problem ist die Qualität der Leistung. Anders als bei einem VW Golf, dessen Preis in Deutschland man leicht mit einem Preis im Ausland vergleichen kann - und dessen Qualität sich kaum unterscheiden dürfte -, ist dies bei ärztlichen Leistungen keineswegs klar. Wer misst die Qualität, wie wird sie transparent? Wer haftet dafür?", fragte Hoppe. An dieser Stelle helfe auch der Euro nicht weiter. Die Einheitswährung schaffe nur eine vermeintliche Transparenz, die keine Vergleichbarkeit ermögliche, dafür sicher aber irgendwann als Druckmittel gegen die Ärzte oder Krankenhäuser eingesetzt werde, so Hoppe.

Der Ärztepräsident forderte, der EU ein soziales Fundament zu geben. "Mehr noch als bisher sei bei der Entwicklung der Union darauf zu achten, dass der gemeinsame Markt den Menschen dienen muss und nicht umgekehrt", so Hoppe. Die meisten Regelungen zum Gesundheitswesen seien Marktregelungen, die gesundheitliche und soziale Aspekte nur ungenügend berücksichtigten, kritisierte auch der Ärztetag in seinem Europa-Beschluss die einseitige Fixierung auf das Wettbewerbsrecht in der EU. Der Justitiar der Bundesärztekammer, Rechtsanwalt Horst-Dieter Schirmer, wies allerdings darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) in den wegweisenden Entscheidungen "Kohll/Decker" vom April 1998 auch die Sicherung der finanziellen Stabilität des Systems der sozialen Sicherheit als einen Grund von Allgemeininteresse bezeichnet habe. Darüber hinaus habe der EuGH den Mitgliedstaaten auch das Recht zugebilligt, den freien Dienstleistungsverkehr in der ärztlichen und klinischen Versorgung einzuschränken, soweit dies zur Erhaltung eines bestimmten Umfangs der medizinischen und pflegerischen Versorgung für die Gesundheit der Bevölkerung erforderlich sei.

Als Reaktion auf die Entstehung des Gemeinsamen Marktes haben sich auch die Ärzte schon früh auf europäischer Ebene zusammengeschlossen: Im Jahre 1959 wurde in Amsterdam der Ständige Ausschuss der Europäischen Ärzte (Comité Permanent) mit dem Ziel gegründet, als gemeinsames Organ der Ärzte gegenüber den europäischen Einrichtungen und Organen zu wirken. Der Präsident des Comité Permanent (CP) und Hauptgeschäftsführer der Finnischen Ärztevereinigung, Dr. Markku Äärimaa, hob vor den Delegierten des Ärztetages die Bedeutung des CP in der europäischen Gesundheitspolitik hervor. So habe das CP bei der Beratung der EU-Verbraucherschutzgesetze die besondere Stellung der Ärzte verteidigen müssen. "Ärztliche Dienstleistung ist kein Produkt, das entweder funktioniert oder nicht funktioniert; die Fähigkeit des Arztes zu heilen, gründet sich vielmehr auf ganz andere Faktoren, wie zum Beispiel das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt", betonte der CP-Präsident.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesärztekammer, Herbert-Lewin-Str. 1, 50931 Köln, Tel.: (0221) 4004-0, Fax: (0221) 4004-380

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